Den Betriebsrat verlassen – aber wie?

Ich gebe es zu, wir sprechen heute über ein echtes Schlechtelaune-Thema. Ein unhippes Thema. Im Grunde genommen sogar um ein soziales Tabu. Sie haben sich wählen lassen in den Betriebsrat, um dort etwas zu erreichen. Jedes Betriebsratsmitglied, aber auch jeder der Betriebsräte berät und vertritt und unterrichtet, der wünscht sich natürlich, dass Betriebsräte ihre Arbeit zum Erfolg führen mögen. Und doch, es gibt Situationen die sind persönlich so belastend, dass man sie beenden muss. Koste es, was es wolle. Ich kann das nachvollziehen in vielen Fällen, denn es gibt eine Renaissance der Rotzigkeit gegenüber Betriebsräten, die sich wirklich einsetzen für die Interessen ihrer Kolleginnen und Kollegen. In so mancher Chefetage kann man die Rückkehr der Rüpel feststellen. Es ist wieder schick geworden, den Betriebsrat als eine Art Freak zu betrachten. Was aber soll ich tun, um mein Ausscheiden aus dem Betriebsrat möglichst verträglich zu gestalten und um jedenfalls das größte Holterdipolter den größten Flurschaden möglichst zu vermeiden.

Mein Rat an Sie: Beherzigen Sie die folgenden vier Exittipps Exittipp.

Exittipps #1:

Treten sie niemals zurück in einer persönlich, krisenhaft, zugespitzten Situation. Oftmals ist eine solche Entscheidung nämlich eine übereilte. Sie werden sie hinterher bereuen. Vergessen Sie nicht, Ihr Rücktritt zieht echte Rechtsnachteile nach sich. Sie verlieren Ihren Sonderkündigungsschutz. Ihnen bleibt nur der einjährige nachfolgende Sonderkündigungsschutz, die sogenannte Abkühlungsphase. Danach kann der Arbeitgeber Sie schnell loswerden, denn Sie wissen es, ein Kündigungsgrund ist schnell gefunden, wenn man danach sucht.

Exittipps #2:

Verlassen Sie nie den Betriebsrat in einer aktuellen, noch laufenden gerichtlichen Auseinandersetzung oder in einem streitig verlaufenden Einigungsstellenverfahren. In einer solchen dynamischen Situation sind Sie gefragt. Ihr Expertenwissen darf dann nicht fehlen. Es hilft Ihnen soweit auch nicht, dass Sie sich durch einen Anwalt vertreten lassen, denn der Anwalt wird Ihnen nur punktuell helfen. Der Betriebsrat braucht Ihren moralischen Beistand, jedenfalls solange er noch streitet, vor dem Arbeitsgericht oder vor der Einigungsstelle.

Exittipps #3:

Treten Sie nie zum Schein zurück. Lachen Sie nicht, es gibt solche Fälle. Manche Betriebsratsmitglieder drohen ihren Rücktritt an oder sprechen ihn sogar aus, um Widerspruch zu erfahren im Kreise der Betriebsratskollegen. Aber ich bitte Sie, das Betriebsratsgremium ist der völlig falsche Ort für derartiges "fishing for compliments".

Exittipps #4:

Verstehen Sie ihren eigenen Rücktritt nie als Maßregelung, also Rache an dem Arbeitgeber oder an den Betriebsratskollegen. Das wäre unreif aus meiner Sicht. Denn dass Sie überstimmt worden sind oder dass man Sie kritisiert, auch aus dem Kollegenkreis heraus, das ist ein demokratisch, völlig normaler Zustand.

Überlegen Sie eines, als Betriebsrat sind Sie der Agent der Demokratie im Betrieb. Als Betriebsrat zwingen Sie den Arbeitgeber in ein oftmals ungeliebtes demokratisches Verfahren, die sogenannte betriebliche Mitbestimmung. Da steht es dem Betriebsrat schlecht zu Gesicht, finde ich, wenn ein Betriebsratsmitglied allein aus dem Grund den Rücktritt erklärt, dass es überstimmt worden ist oder sich mit einer, wenn auch berechtigten Ansicht, nicht durchsetzen konnte. Damit muss man leben.

Wenn Sie aber schlicht nicht anders können, wenn Sie zurücktreten müssen und wenn Sie auch die negative Signalwirkung, die Sie damit in die Belegschaft senden könnten, hinnehmen müssen aus diesem Grund, dann vergessen Sie jeden Exittipp und tun Sie was Sie tun müssen ohne es anzukündigen, ohne damit zu drohen, ohne danach offene Briefe zu schreiben oder sonstwie nachzutreten.