Erstellt am 23.02.2006 um 07:24 Uhr von admin
Sehr geehrte Forumsteilnehmerin,
eine Rücksprache mit dem juristischen Verfasser der W.A.F. Wahlsoftware hat folgendes ergeben:
Jeder sachorientierte Beitrag ist eine Bereicherung für dieses Forum. Das gilt vor allem dann wenn ein Sachverhalt angesprochen wird, der weder vom BetrVG noch von der Wahlordnung ausdücklich geregelt ist. Hier sind unterschiedliche Auffassungen selbstverständlich möglich.
Aus durchaus gewichtigen juristischen Überlegungen heraus wird bei der W.A.F. in der Frage einer analogen Anwendung des § 11 BetrVG für den Fall einer ungenügenden Zahl von Kandidaten eine andere Auffassung vertreten als im Kommentar "Fitting".
Beispiel: Einzelheiten der BR-Wahl sind im Wahlausschreiben abschließend geregelt. Wenn im laufenden Wahlverfahren die Zahl der zu wählenden BR-Mitglieder der (ungeraden) Zahl der Bewerber angepasst wird, müsste zumindest ein neues Wahlausschreiben erlassen werden. Anderes Beispiel: Wenn für ein 11er Gremium nur 8 Bewerber vorliegen (auch nach einer Nachfrist) so kann auch die in § 11 BetrVg genannte "nächstniedrigere" Betriebsgröße (9 BR-Mitglieder) nicht zugrunde gelegt werden. Wie weit soll das nach unten "angepasst" werden können?
Aber: Vorschlag für Ihren Wahlvorstand:
Im Bewußtsein eines gewissen Risikos kann der Wahlvorstand im Falle einer zu geringen Anzahl von Kandidaten den § 11 BetrVG analog anwenden und sich dabei auf die Kommentierung im Fitting dazu (RandNr. 8-9 zu § 11 BetrVG) berufen. Eine entsprechende Entscheidung eines Arbeitsgerichts ist in der Tat überfällig. Dann bräuchte in der Kommentar-Literatur auch nicht auf eine fast 50 Jare alte BAG-Entscheidung zurückgegeriffen werden.
Insofern herzlichen Dank für Ihren Beitrag.
Forum-Admin
Erstellt am 23.02.2006 um 07:43 Uhr von Frank B.
Also ich sehe es genauso wie du, ich habe mir die erwähnte Stelle durchgelesen, danch gibt es keinen BR, wenn nicht ausreichend Kandidaten vorhanden sind.
Erstellt am 23.02.2006 um 08:19 Uhr von DocPille
Hi,Guten Morgen
ich bin gerade von einem Seminar zurück,wir hatten einen Nürnberger Arbeitsrichter als Dozenten.Beiläufig haben wir ihm diese Frage auch gestellt:
Antwort §11 BetrVG mehr brauche ich nicht zu sagen seine antwort.
Erstellt am 23.02.2006 um 08:25 Uhr von Bernd
Naja,
mit dieser Software ist der W.A.F. ja nunmal bekanntermassen nicht gerade der große Wurf gelungen!
Selbst Fehler die bereits vor vier Jahren moniert wurden sind bis heute nicht korrigiert...
Nett finde ich auch folgenden Absatz: "Falls sich nach Ihrer Meinung zu wenig
Kandidaten des Geschlechts in der Minderheit auf den Vorschlagslisten befinden,ist dies nicht nachteilig (§ 15 Abs. 5 WO)."
Seit wann spielt die "Meinung" des WV eine Rolle?
Der launige Kommentar des Nürnberger Arbeitsrichter ist ja auch nur bedingt hilfreich...
Erstellt am 23.02.2006 um 08:48 Uhr von DocPille
Hallo Bernd,
das war kein launiger Kommentar,der Mann war sehr locker drauf.
Wir haben ihn extra angefordert,weil er unser letztes Seminar schon geleitet hat,und sehr gute Beispiele aus der Praxis bringen kann,was für uns sehr hilfreich ist.
Erstellt am 23.02.2006 um 08:51 Uhr von Bernd
Und?
Was sagt uns nun der § 11 BetrVG?
Erstellt am 23.02.2006 um 09:03 Uhr von pit47
Hallo zusammen,
der Kommentar zum § 11 BetrVG von Däubler sagt dazu.
Die Vorschrift des § 11 ist sinngemäß anzuwenden, wenn im Betrieb zwar genügend wählbare AN vorhanden sind, sich aber nicht eine ausreichende Zahl von ihnen als Wahlbewerber zur Verfügung stellt.
Erstellt am 23.02.2006 um 09:12 Uhr von Bernd
"Der Kommentar sagt dazu ..."
Genau das ist der Punkt warum der Verweis auf das Gesetz wenig hilfreich ist. Nach dem Buchstaben des Gesetzes gäbe es dann nämlich keinen BR...
Nach dem Kommentar dann aber doch...
Ein Dozent der mir sagt "Schau ins Gesetz" und meint "wälze die Kommentare" macht meines Erachtens einen schlechten Job, egal wie locker er drauf ist.
Erstellt am 23.02.2006 um 09:26 Uhr von Fips
Hallo,
wählbare Mitarbeiter §11 sind für mich die Mitarbeiter die sich wählen lassen wollen.
Wählt doch nach § 11 und setzt es durch. Laßt Euch doch nicht verrrückt machen. Ansonsten müssen dann die gerichte entscheiden, dann gibt es endlich ein Urteil. Wenn der AG einen kleineren BR akzeptiert ist es doch gut so und auch richtig. Lieben einen kleinen als keinen BR, nur dann dürfen sich die Kollegen auch nicht beschweren.
Erstellt am 23.02.2006 um 11:10 Uhr von w-j-l
Hallo,
der zitierte Absatz 4 ist zwar richtig formuliert, aber missverständlich:
Wenn KEINE Wahlvorschläge eingereicht werden, findet tatsächlich keine Wahl statt. Wenn aber nur zu wenig wählbare AN zur Verfügung stehen, dann ist (wie pit47 auch schon sagte) § 11 gemäß einem uralten Urteil sinngemäß anzuwenden (BAG 11. 4. 58, AP Nr. 1 zu § 6 WO)
Der § 11 gilt vor allem für ganz neue Betriebe oder solche mit hoher Fluktuation. Dort kann es natürlich vorkommen, dass es zwar viele wahlberechtigte aber nur wenig wählbare AN gibt.
Der Absatz 3 und das Formular 127a im W.A.F. Wahlhelfer ist schlicht FALSCH!!!
Ich werde W.A.F. auch dazu erneut ansprechen. Musste ich auch in einem anderen Fall schon tun.
Gruesse
w-j-l
Erstellt am 23.02.2006 um 13:17 Uhr von Benno_BRB
Oh je....
ganz schön verzwickt!
das Urteil "BAG 11. 4. 58, AP Nr. 1 zu § 6 WO" gibt es unter google so nicht!
Ich such jetzt auch nicht weiter.
Aber der § 11 ist ganz schön vieldeutig.
- wählbare Arbeitnehmer: vielleicht oder auch nicht aufgrund der zu kurzen Betriebszugehörigkeiten? oder zu wenig Meldungen? oder ...
Auch geht aus dem § nur hervor, dass die nächstnidrigere Betriebsgrösse zugrunde zu legen ist. Und wenn dies schon geschehen wird dann noch mal und noch mal und nochmal so verfahren oder hat das bei der ersten Stufe seine Grenze?
Also ich seh das auch so, dass eine Klärung herbeigeführt werden muss!!!!!
Denn solch unklare Formulierungen darf es in einem Gesetz nicht geben.
Zumal BR-Wahlen in der Regel ja nicht von Juristen - die viele Jahre studieren MÜSSEN (nicht umsonst) - durchgeführt werden. Umso wichtiger wenn es Trouble in der Firma gibt.
Also wir würden auch mit 3 Kandidaten den BR wählen lassen selbst wenn wir 31 BR-Sitze zu verteilen hätten!
LG
Erstellt am 23.02.2006 um 19:03 Uhr von Ramses II
Dann vermute ich mal das der "juristische Verfasser" der Wahlsoftware die Initialen "G. G." führt.
Abenteuerlich ist für mich die Argumentation dass ein "fast 50 Jahre altes BAG Urteil" durch ein neues Urteil eines Arbeitsgerichtes ersetzt bzw. bestätigt werden müsse als ob BAG-Urteile ein Verfalldatum hätten. Sofern sich seither weder die Gesetzgebung, noch die in der Begründung herangezogenen Randbedingungen geändert haben besteht überhaupt kein Grund die Aktualität dieser Rechtsprechung anzuzweifeln.
Eine BAG Entscheidung aus dem Jahre 58 ist hier jedenfalls hilfreicher als aine Entscheidung des AG Hamm aus 2006!
Erstellt am 24.02.2006 um 15:29 Uhr von w-j-l
Ich hatte heute einen Anruf des für rechtliche Fragen zuständigen Herrn bei W.A.F., nachdem ich eine Mail geschrieben hatte in der das Wort "anmaßend" vorkam.
Man bleibt dort in strenger Auslegung des Gesetzestextes bei der eigenen Rechtsauffassung, dass ohne ausreichend Kandidaten kein BR gewählt werden kann.
Er hat sich aber bereit erklärt, sowohl in die veröffentlichten Texte, als auch in die Software und die eigenen Seminare die (fast durchgängige) Rechtsauffassung der Kommentare einfließen zu lassen, dass diese die sinngemäße Anwendung des §11 BetrVG empfehlen.
Gruesse
w-j-l
Erstellt am 24.02.2006 um 16:18 Uhr von Kölner
Liebe WAF...das ist etwas peinlich...
Erstellt am 24.02.2006 um 20:26 Uhr von Ramses II
w-j-l,
lag ich richtig mit den Initialen?
Im Übrigen finde ich es etwas befremdlich, den Wahlvorstand vor einem gewissen Risiko zu warnen falls er einen verkleinerten BR wählt (das Risiko ist ja, dass die Wahl vor Gericht kippt und damit kein BR mehr besteht) und ihm deshalb nahezulegen, die Wahl gleich ergebnislos abzubrechen.
Jeder verantwortungsvolle BR-Befürworter wird hier dazu raten den BR in jedem Falle zu wählen.