Erstellt am 21.04.2023 um 10:02 Uhr von celestro
"Mich würde brennend Eure Fachmeinung hierzu interessieren."
Soweit ich weiß, sind hier nur Laien unterwegs ... aber sehr interessant.
Erstellt am 21.04.2023 um 10:11 Uhr von Muschelschubser
Punkt 1: ich bzw. wir sind Betriebsräte (die meisten jedenfalls) - und dabei keine qualifizierten Juristen.
Aber vielleicht hilft die Summe persönlicher Erfahrungen aus dem eigenen Erfahrungsschatz ja ein wenig weiter.
Dass der Wahlvorstand hier einen groben Schnitzer begangen hat, ist unstrittig, da ja jeder Unterstützer sehen muss wen er mit seiner Unterschrift stützen soll.
Nur mal interessehalber:
Wie ist der fehlerhafte Vorgang eigentlich nach außen gedrungen? Ist einem Unterstützer aufgefallen, dass ein Name ergänzt wurde, oder hat der Wahlvorstand den Fehler nach außen hin eingeräumt? Was hat die Vorschlagsliste NACHWEISLICH zu einer fehlerhaften Liste gemacht (also worin bestand der Nachweis)?
Auch interessant zu wissen:
Konnte der AG die betrieblichen Erfordernisse Deiner Kündigung (betriebsbedingt) ausreichend darlegen? Wie hat er die Erfordernisse konkret begründet? Das muss man ja auch erstmal nachweisen können - und wenn es dort bereits Mängel gab, würde Dir das sehr in die Karten spielen. Das würde die Bedeutung der Vorschlagsliste für eventuelle weitere Instanzen ggf. in den Hintergrund rücken.
Ansonsten bietet §15 KSchG ja den gesetzlichen Rahmen, sich vor einer solchen Kündigung zu schützen.
Und, so gern ich Dir auch in sachlicher Hinsicht Recht geben würde:
Kaum ein Gesetz schützt wohl vor wirklich groben Schnitzern. Und dieses Vorgehen war ein solcher. Geht ein Wahlvorstand vor der Einleitung der Wahl zu einem Lehrgang, sind solche Schnitzer auch ziemlich unwahrscheinlich. Insofern halte ich den o.g. Paragrafen durchaus für einen angemessenen Schutz der BewerberInnen.
Wo ich persönlich aber mitgehen kann ist, dass das Gericht nicht auf Deine nachweisliche Initiative abgestellt hat, sich zur Betriebsratswahl aufstellen zu lassen. Es lässt sich z.B. ja nachvollziehen, wann Du die Absicht gegenüber dem Wahlvorstand erklärt hast und dass die Kündigung im zeitlichen Ablauf erst danach erfolgt ist. Und den Schnitzer des Wahlvorstands hast Du ebenfalls nicht zu verantworten.
Aber dennoch: bei streng juristischer Betrachtung ist es aber leider so, dass Du ohne gültige Vorschlagsliste eben auch kein Kandidat bist. Und dass rechtliche Betrachtung subjektiv nicht immer fair ausfällt, ist leider so.
Oder, wie ein befreundeter Anwalt gerne zitiert:
"Es nützt nichts, Recht zu haben. Man muss auch das Recht auf seiner Seite haben."
...und Dein Fall ist wirklich so komplex, dass Du hier (mich eingeschlossen), nur subjektiv empfundene Meinungen erhalten wirst - aber nichts rechtlich verwertbares.
Erstellt am 21.04.2023 um 10:48 Uhr von celestro
"Konnte der AG die betrieblichen Erfordernisse Deiner Kündigung (betriebsbedingt) ausreichend darlegen?"
Natürlich nicht ... er hat den Prozess gewonnen, obwohl er keinen Schutz als Wahlbewerber hatte.
"Aber dennoch: bei streng juristischer Betrachtung ist es aber leider so, dass Du ohne gültige Vorschlagsliste eben auch kein Kandidat bist. Und dass rechtliche Betrachtung subjektiv nicht immer fair ausfällt, ist leider so."
Genau das ist aber doch das (beschriebene) Problem. Ich setze mich als Kandidat auf eine Liste ... alles gut, weil die Liste korrekt erstellt wurde. Jetzt geht irgendjemand hin und schreibt sich noch als Kandidat darunter. Die Liste wird somit ungültig und ICH verliere meinen Schutz als Wahlbewerber.
Da kann ich nur sagen: "Darf jawohl nicht wahr sein."
Erstellt am 21.04.2023 um 10:57 Uhr von GabrielBischoff
Das ist eine erstinstanzliche Einschätzung und wie sagt man so schön - vom Richter kriegst du kein Recht, sondern ein Urteil.
Ob das eine höhere Instanz oder ein anderes Arbeitsgericht ebenso sieht - habe ich meine Zweifel.
Erstellt am 21.04.2023 um 11:10 Uhr von Challenger
Ist dies die 1.te BR'wahl in Euerem Betrieb ?
Erstellt am 21.04.2023 um 11:22 Uhr von celestro
"Ob das eine höhere Instanz oder ein anderes Arbeitsgericht ebenso sieht - habe ich meine Zweifel."
Das "Problem" dabei ... wenn der AG jetzt weitergeht und der TE am Ende trotzdem schon immer gewinnt, weil die Kündigung schon so ungerechtfertigt ist, wird sich das Gericht vermutlich nicht weiter damit beschäftigen, ob hier auch ein Kandidatenschutz vorgelegen hätte.
Erstellt am 21.04.2023 um 11:29 Uhr von Catweazle
Der Kündigungsschutz sollte mit Eintrag und Unterschrift auf einer Liste beginnen und nicht erst wenn sie vollständig incl. Stützunterschriften ist. Besonders wenn man bedenkt, dass die Wahl und Liste gültig sind wenn sie nicht angefochten werden.
Erstellt am 21.04.2023 um 11:48 Uhr von Bayek
Vielen dank für Eure Einschätzungen :
@Muschelschubser: Wie ist der fehlerhafte Vorgang eigentlich nach außen gedrungen?
Antwort: Der AG - Anwalt hat die Stützunterschriftenliste eingefordert.
Anmerkung: Ja dieses Vorgehen war von mir wie vom Wahlvorstand ein grober Schnitzer aus Mangel aus Erfahrung und Wissen. Dies Szene spielte sich wie folgt ab: Hallo XY, kann man sich noch als Wahlbewerber aufstellen lassen ? Ja, Bayek...schön das du dich auch aufstellen lassen möchtest. Die Liste ist zwar schon "ins Reine" geschrieben, aber du kannst dich gerne Handschriftlich unten an letzte Stelle nachtragen. Wenn ich Zeit habe schreibe ich sie nochmal neu. ( Hat Sie natürlich dann nicht gemacht, weil es Ihr zu aufwendig war nochmal alle Unterschriften zu holen. ) Ja ....Thema verfehlt ! Aber eben das erste mal Wahlvorstand
Erstellt am 21.04.2023 um 11:52 Uhr von Bayek
@ Catweazle schrieb: Der Kündigungsschutz sollte mit Eintrag und Unterschrift auf einer Liste beginnen und nicht erst wenn sie vollständig incl. Stützunterschriften ist. Besonders wenn man bedenkt, dass die Wahl und Liste gültig sind wenn sie nicht angefochten werden.
Antwort: Das wäre nämlich auch mein "Rechtsverständnis" : Wenn die Stützunterschriftenliste, Wahlliste und Wahlergebnis NICHT ANGEFOCHTEN WIRD, ist sie somit gültig, und kann nicht Monate später im Kündigungsschutzprozess angefochten werden.
Erstellt am 21.04.2023 um 12:31 Uhr von Muschelschubser
Also aus meiner Sicht wackelt allein die betriebsbedingte Kündigung als solche schon so dermaßen, dass man sich über die Gültigkeit der Vorschlagsliste eigentlich keine Gedanken machen müsste.
Kann es sein, dass der AG-Anwalt bei der Argumentation auf das falsche Pferd gesetzt hat? Oder stürzt er sich darauf, in der Gewissheit dass das Durchboxen der betriebsbedingten Kündigung eh aussichtslos ist?
Erstellt am 21.04.2023 um 13:46 Uhr von ganther
wie es häufig so ist: der AG versucht einen Bewerber raus zu bekommen oder den kompletten BR los zu kriegen. Das zeigt hier ja auch der Zeitablauf und der Aufhebungsvertrag. Das sieht sicher auch das Gericht. Was die betriebsbedingte Kündigung anbelangt, das kann man von hier nicht beurteilen.
Das mit dem Beginn des Kündigungsschutzes ist ja immer so eine Sache. Aus Sicht von jedem hier sollte er so früh wie möglich beginnen. Aber man kann ja schlecht jedem Kündigungsschutz geben, der mal drüber nachdenkt oder lose im Pausenraum mit einem Kollegen spricht. Jetzt könnte man die Eintragung nehmen, aber die Ernsthaftigkeit BRM werden zu wollen, zeigt man ja auch durch das Sammeln von Stützungsunterschriften. Da sind die Gerichte gefordert, aber nach meinem Verständnis könnte es in deinem Fall halt keinen Kündigungsschutz geben. Es ist die Aufgabe eines jeden Wahlbewerbers sich selbst schlau zu machen.
Erstellt am 21.04.2023 um 13:49 Uhr von celestro
"Antwort: Das wäre nämlich auch mein "Rechtsverständnis" : Wenn die Stützunterschriftenliste, Wahlliste und Wahlergebnis NICHT ANGEFOCHTEN WIRD, ist sie somit gültig, und kann nicht Monate später im Kündigungsschutzprozess angefochten werden."
Dann müssten die Listen aber veröffentlich werden und man z.B. als Wähler oder AG eine 14 tägige Frist bekommen, in der man sie anfechten kann. Sonst liegt es nur am WV, ob die unanfechtbar werden oder nicht und das kann es ja nicht sein.
Erstellt am 21.04.2023 um 16:52 Uhr von Catweazle
ganther, bei wem sollen sich die Wahlbewerber schlau machen? Selbst erfahrene BRM, wie hier im Forum, sind unterschiedlicher Meinung. Das mit dem Kündigungsschutz ist allgemein bekannt. Das darauf aber der Wahlvorstand Einfluss haben soll glaubst du doch wohl selbst nicht.
Erstellt am 22.04.2023 um 20:44 Uhr von ganther
Also ich bin ja noch der einzige der es so sieht. Der Richter war wohl auch der Meinung