Mitbestimmung des Betriebsrats bei Anrechnung von Tariflohnerhöhungen auf übertarifliche Zulagen

BAG 1 AZR 18/88 vom 11. Aug. 1992

Nicht amtlicher Leitsatz

Die Anrechnung einer übertariflichen Zulage auf eine Tariflohnerhöhung scheidet nur dann aus, wenn mit der Zulage ein besonderer Zweck verfolgt wird, diese etwa als Leistungs- oder Erschwerniszulage gezahlt worden ist.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte zur Verrechnung einer übertariflichen Zulage mit einer tariflichen Lohnerhöhung berechtigt ist. Der Kläger ist bei der Beklagten, einem Betrieb des Baugewerbes, seit dem 1. April 1962 als Schlosser beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Tarifverträge für das Baugewerbe Anwendung. Seit Beginn seiner Beschäftigung erhielt der Kläger zum tariflichen Stundenlohn eine Zulage, die ursprünglich 0,90 DM betrug und nach wenigen Jahren auf 0,46 DM gekürzt wurde. Diese Zulage wird in den monatlichen Lohnabrechnungen der Beklagten als persönliche Zulage bezeichnet und neben gesondert ausgewiesenen Schmutz- und Hitzezulagen gezahlt. Eine entsprechende Zulage gewährte die Beklagte zum hier maßgeblichen Zeitpunkt noch drei anderen gewerblichen Arbeitnehmern.

Der tarifliche Stundenlohn des Klägers betrug zuletzt 15,79 DM. Er erhöhte sich aufgrund des Tariflohnabschlusses vom 17. April 1986 rückwirkend zum 1. April 1986 auf 16,26 DM. Mit Schreiben vom 13. Mai 1986 teilte die Beklagte dem Kläger mit:

"Nachdem sich die Tarifvertragsparteien auf eine Anhebung der Tariflöhne um 3 % geeinigt haben, erhöht sich der in Ihrem Effektivstundenlohn von 16,25 DM enthaltene Tarifstundenlohn von 15,79 DM um 0,47 DM auf 16,26 DM.

Aus Gründen der Gleichbehandlung sind wir gezwungen, auf die Tariflohnerhöhung die gewährte freiwillige Zulage von bisher 0,46 DM anzurechnen."

Anschließend behielt die Beklagte von der Abrechnung für den Monat Mai 1986 einen Nettobetrag in Höhe von 96,80 DM ein. Dieser entspricht der noch ausgezahlten übertariflichen Zulage für den Monat April 1986. Ab Mai 1986 zahlte die Beklagte keine übertarifliche Zulage mehr. Sie rechnete die Tariflohnerhöhung in vollem Umfang auch auf die übertariflichen Zulagen der drei anderen gewerblichen Arbeitnehmer an.

Den Anspruch auf Zahlung der übertariflichen Zulage für den Monat Mai 1986 errechnet der Kläger mit 87,86 DM brutto. Mit Schreiben vom 20. Juni 1986 machte der Kläger die Weiterzahlung der übertariflichen Zulage geltend. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 1. Juli 1986 ab. Daraufhin erhob der Kläger am 29. August 1986 die vorliegende Klage.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, seine Zulage könne nicht auf die Tariflohnerhöhung angerechnet werden, weil es sich um eine außertarifliche Zulage für eine bestimmte Tätigkeit handele. Ursprünglich sei die Zulage für Schweißerarbeiten und als Schmutzzulage gezahlt worden. Es sei zwar richtig, daß nach wenigen Jahren die Schweißerarbeiten nicht mehr angefallen seien. Dies habe aber nichts an der Funktion und dem Zweck der Zulage geändert. Auf keinen Fall könne die Zulage rückwirkend angerechnet werden.

Im übrigen hat der Kläger die Auffassung vertreten, die Anrechnung der Leistungszulage sei schon deswegen rechtswidrig und damit unwirksam gewesen, weil der bei der Beklagten bestehende Betriebsrat bei der Anrechnung nicht beteiligt worden sei; die Beklagte habe also das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG verletzt.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 87,86 DM brutto und 96,80 DM netto nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger weiterhin die persönliche Zulage von 0,46 DM stündlich zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung hat sie vorgetragen, sie habe in rechtmäßiger Weise die bis zum 31. März 1986 an den Kläger freiwillig gezahlte übertarifliche Zulage auf die Tariflohnerhöhung angerechnet. Bei dieser Zulage habe es sich um eine nicht zweckgebundene Zulage gehandelt, die auch dann auf die Tariflohnerhöhung angerechnet werden könne, wenn sie jahrelang ohne Anrechnung gewährt worden sei. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liege nicht vor, weil sie, die Beklagte, auch bei den drei weiteren betroffenen Mitarbeitern von der Anrechnungsmöglichkeit in größtmöglichem Umfang Gebrauch gemacht habe. Nachdem die Schweißerarbeiten weggefallen seien, habe sie die Zulage als persönliche freiwillige Zulage weitergezahlt. Hierbei hätten die Parteien konkludent vereinbart, daß die Zulage bis auf weiteres als freiwillige übertarifliche Zulage weitergewährt werden solle. Gegen die Kürzung der Zulage von 0,90 DM auf 0,46 DM habe der Kläger keine Einwendungen erhoben und damit der Anrechnungsklausel mindestens konkludent zugestimmt.

Bei der Anrechnung von übertariflichen Zulagen auf eine Tariflohnerhöhung stehe dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nicht zu. Sie habe von der Anrechnungsmöglichkeit Gebrauch machen müssen, weil sich ihre wirtschaftliche Lage in den letzten Jahren sehr negativ entwickelt habe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine bisherigen Anträge weiter, während die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet.

I. Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte aufgrund der zwischen den Parteien bestehenden vertraglichen Vereinbarungen zutreffend für berechtigt angesehen, die Tariflohnerhöhung auf die übertarifliche Lohnzulage anzurechnen.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Arbeitgeber übertarifliche Zulagen im Falle einer Tariflohnerhöhung grundsätzlich auf den Tariflohn anrechnen, es sei denn, daß dem Arbeitnehmer aufgrund einer vertraglichen Abrede die Zulage als selbständiger Lohnbestandteil neben dem jeweiligen Tariflohn zustehen soll. Falls nicht festgestellt werden kann, ob dem Arbeitnehmer aufgrund einer vertraglichen Abrede die Zulage jeweils als selbständiger Lohnbestandteil neben dem jeweiligen Tariflohn zustehen soll, kann sich dies auch aus einer betrieblichen Übung, den besonderen Umständen bei den Vertragsverhandlungen oder dem Zweck der Zulage ergeben. Handelt es sich um eine Leistungs- oder Erschwerniszulage, ist im Zweifel gewollt, daß die Zulage in bisheriger Höhe auch neben einem erhöhten Tariflohn weitergezahlt wird.

2. Vorliegend haben die Parteien nicht ausdrücklich vereinbart, daß die "persönliche Zulage" als selbständiger Lohnbestandteil neben dem jeweiligen Tariflohn dem Kläger zustehen solle.

Deswegen scheidet eine Anrechnung der übertariflichen Zulage auf die Tariflohnerhöhung nur aus, wenn mit der Zulage ein besonderer Zweck verfolgt wird, diese etwa als Leistungs- oder Erschwerniszulage gezahlt worden ist.

Entgegen der Auffassung der Revision hat das Landesarbeitsgericht jedoch in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, daß mindestens seit 1983 mit der Zulage keine besonderen Leistungen des Klägers mehr haben abgegolten werden sollen.

a) Die Revision hat die den rechtlichen Wertungen des Landesarbeitsgerichts zugrunde liegenden Feststellungen nicht mit ordnungsgemäßen Verfahrensrügen angegriffen. Soweit der Kläger jetzt Zeugen benennt, ist das in der Revisionsinstanz unzulässig. Die vorsorgliche Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 139 ZPO ist schon nicht ordnungsgemäß erhoben, weil die Revision nicht darlegt, welche Fragen das Gericht zu stellen unterlassen hat und was im einzelnen von ihm daraufhin vorgetragen worden wäre.

b) Unstreitig ist zwar, daß ursprünglich die Zulage als Leistungs- und Erschwerniszulage gedacht gewesen ist. Der Kläger hatte in den ersten Jahren seiner Tätigkeit erhebliche Schweißarbeiten durchzuführen und sollte hierfür die Zulage von 0,90 DM erhalten. Diese Schweißerarbeiten fielen dann aber fort, so daß für die Zahlung einer Schweißerzulage keine Veranlassung mehr bestand.

c) Dafür, daß die Zulage seitdem eine freiwillige übertarifliche Zulage gewesen ist, spricht, daß die Zulage in den Lohnabrechnungen als "persönliche Zulage" bezeichnet wird und daneben andere Zulagen, die eine besondere Zweckbindung aufweisen, gesondert ausgewiesen sind: So erhält der Kläger neben der "persönlichen Zulage" eine Hitze- und eine Schmutzzulage. Hierfür spricht auch, daß die Zulage bereits vor Jahren von 0,90 DM auf 0,46 DM gekürzt wurde, ohne daß sich der Kläger dagegen gewährt hätte.

d) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auch darauf hingewiesen, daß der Anrechnung der übertariflichen Zulage auf die Tariflohnerhöhung keine betriebliche Übung entgegensteht. Das Bundesarbeitsgericht hat zwar in ständiger Rechtsprechung entschieden, auch aus einer betrieblichen Übung könne sich ergeben, daß die Zulage stets neben dem Tariflohn zu zahlen sei. Dazu reicht aber nicht aus, daß die übertarifliche Zulage über einen längeren Zeitraum gezahlt worden ist. Aus einem solchen tatsächlichen Verhalten kann nicht der Wille des Arbeitgebers entnommen werden, auch künftig zum jeweiligen Tariflohn zusätzlich eine Zulage in der gleichen Höhe zu zahlen. Eine betriebliche Übung erlangt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur dann rechtliche Bedeutung für das Arbeitsverhältnis, wenn sie Inhalt des Arbeitsvertrages wird. Der Arbeitgeber muß deshalb zumindest ein Verhalten an den Tag legen, das ein Einverständnis mit der Entstehung entsprechenden Rechts erkennen oder nach dem Grundsatz von Treu und Glauben wenigstens darauf schließen läßt. Diese Voraussetzungen sind hier schon deshalb nicht gegeben, weil die Beklagte bereits einmal die Zulage gekürzt hat, so daß der Kläger nicht darauf vertrauen konnte, in Zukunft werde eine Anrechnung auf Tariflohnerhöhungen nicht erfolgen.

e) Hat die Beklagte dem Kläger also eine freiwillige übertarifliche Zulage gewährt und haben die Parteien nicht vereinbart, daß diese übertarifliche Zulage nicht auf Tariflohnerhöhungen angerechnet werden soll, war die Beklagte zur Anrechnung der Tariflohnerhöhung von 0,47 DM auf die übertarifliche Zulage von 0,46 DM berechtigt mit dem Ergebnis, daß diese ganz weggefallen ist.

3. Die Beklagte war auch berechtigt, die im April 1986 zunächst ausgezahlte übertarifliche Zulage in Höhe von 96,80 DM netto mit der Maiabrechnung wieder in Abzug zu bringen.

a) Der Tarifvertrag wurde erst am 17. April 1986 geschlossen, und zwar rückwirkend für die Zeit ab 1. April 1986. Offensichtlich war der Beklagten zum Zeitpunkt der Lohnabrechnung aber der neue Tariflohn bekannt, da es sonst nicht zu einer Überzahlung hätte kommen können. Dies zeigt die schriftliche Lohnabrechnung für April 1986, die als Tariflohn 16,26 DM ausweist und zusätzlich eine persönliche Zulage von 0,46 DM. Die Lohnabrechnung für Mai 1986 hingegen weist nur noch den (neuen) Tariflohn in Höhe von 16,26 DM aus. Es liegt also nicht der Fall vor, daß bei Zahlung des Lohns der neue Tariflohn noch gar nicht bekannt ist und erst durch die Rückwirkung der Tariflohnerhöhung es zu Verschiebungen zwischen Tariflohn und übertariflicher Zulage kommt.

Trotzdem durfte die Beklagte die für April ausgezahlte Zulage zurückfordern. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob man von einer automatischen Aufsaugung der übertariflichen Zusage ausgeht oder auf eine konstitutive Gestaltungserklärung der Beklagten abstellt.

b) Nach ständiger Rechtsprechung des Vierten und Fünften Senats des Bundesarbeitsgerichts erfolgt die "Anrechnung" einer Tariflohnerhöhung in der Regel nicht durch eine konstitutive Gestaltungserklärung, sondern "automatisch". Der übertarifliche Lohnbestandteil verringert sich ohne weiteres um die Tariflohnerhöhung bzw. entfällt ganz, wenn der Tariflohn den bisherigen Effektivlohn erreicht oder übersteigt. Eine ausdrücklich erklärte "Anrechnung" beinhaltet danach nur die Feststellung, daß durch die Tariflohnerhöhung der Gesamtlohn unverändert bleibt.

Geht man hiervon aus, ist durch die mit Tarifvertrag vom 17. April 1986 vereinbarte rückwirkende Tariflohnerhöhung ab 1. April 1986 die übertarifliche Zulage für April 1986 entfallen, weil sie automatisch aufgesogen wurde. Der Kläger hatte dementsprechend für diesen Monat keinen Anspruch mehr auf Zahlung einer übertariflichen Zulage von 0,46 DM, sondern nur auf Zahlung des den bisherigen Effektivlohn um 0,01 DM übersteigenden neuen Tariflohns. Damit hat die Beklagte die Zulage für April 1986 ohne rechtlichen Grund geleistet. Ihr stand gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB ein Bereicherungsanspruch in Höhe der gezahlten Zulage zu, mit dem sie gem. § 387 BGB gegen den Lohnanspruch des Klägers für den Monat Mai 1986 aufrechnen konnte.

Ein rechtlicher Grund für die tatsächlich erfolgte Zahlung der vollen übertariflichen Zulage - neben dem neuen Tariflohn - für den Monat April 1986 ist auch nicht dadurch geschaffen worden, daß die Beklagte mit der Lohnabrechnung und der Zahlung konkludent erklärt hätte, eine übertarifliche Zulage in der bisherigen Höhe auch zum neuen Tariflohn erbringen zu wollen (sei es nur für den Monat April, sei es bis zur nächsten Tariflohnerhöhung).

Eine ausdrückliche Erklärung dieses Inhalts hat die Beklagte ist nicht abgegeben. Die Lohnabrechnung enthält in der Regel keine rechtsgeschäftliche Erklärung über die Rechnungslegung hinaus, wie der Kläger selbst in anderem Zusammenhang für sich in Anspruch nimmt. Dies steht zwar der Annahme einer konkludenten Willenserklärung beispielsweise bei entsprechenden Lohnabrechnungen und Zahlungen über mehrere Lohnzahlungsperioden hinaus nicht entgegen. Der vorliegende zeitliche Ablauf reicht aber nicht aus für die Annahme, allein aus der Berücksichtigung der übertariflichen Zulage in der April-Abrechnung in Verbindung mit der einmaligen Auszahlung liege ein schlüssiges Angebot, auch weiterhin eine Zulage im bisherigen Umfang zu erbringen.

Der Tarifvertrag war erst am 17. April 1986 abgeschlossen worden. Wann die Lohnabrechnung und Zahlung erfolgte, ist nicht geklärt. Erfolgte sie erst, nachdem der Kläger das Schreiben vom 13. Mai 1986 schon erhalten hatte oder gleichzeitig mit dessen Zugang, konnte der Kläger ihm einen Erklärungswert im Sinne der Zusage der Weiterzahlung der Zulage ohnehin nicht entnehmen. Erfolgte sie Anfang Mai 1986, ist zu berücksichtigen, daß den Mitgliedern der Tarifvertragsparteien ein gewisser Zeitraum zugestanden werden muß zur Überprüfung und eventuellen Neuberechnung der Löhne bzw. Entscheidung, ob und in welchem Umfang eine Anrechnung erfolgen soll. Bei dem hier gegebenen zeitlichen Ablauf - Tarifabschluß am 17. April 1986, Anrechnungserklärung am 13. Mai 1986, Lohnabrechnung (möglicherweise) in der Zeit zwischen 1. Mai und 13. Mai 1986 - kann daher allein der einmaligen Weiterzahlung der übertariflichen Zulage noch kein hinreichend eindeutiger Erklärungswille beigemessen werden. Denkbar ist, daß die EDV-Lohnabrechnung hier für die Abrechnung April zwar schon generell die neuen Tariflohnerhöhungen berücksichtigen konnte, daß aber kein hinreichender Zeitraum verblieb für die Entscheidung, wie bei den einzelnen Arbeitnehmern unter Berücksichtigung des Umfangs der Tariflohnerhöhung künftig mit der übertariflichen Zulage verfahren werden sollte und für die entsprechende Umstellung der EDV.

Damit bleibt es dabei, daß die übertarifliche Zulage für April 1986 ohne Rechtsgrund gezahlt wurde. § 814 BGB steht dem Bereicherungsanspruch der Beklagten nicht entgegen. Voraussetzung für einen Ausschluß des Anspruchs wäre, daß die Beklagte in positiver Kenntnis einer fehlenden Verpflichtung gezahlt hätte. Hierfür hat der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Kläger nichts vorgetragen.

c) Nichts anderes gilt, wenn man davon ausgeht, daß es sich bei der Anrechnung in der Regel um die konstitutive Ausübung eines Gestaltungsrechts handelt.

Gestaltungserklärungen wirken zwar grundsätzlich ex nunc. Eine Rückwirkung kommt aber dann in Betracht, wenn sie ausdrücklich vereinbart wurde oder sich im Einzelfall aus der Interessenlage der Parteien konkludent ableiten läßt und ein hinreichender Vertrauensschutz des Erklärungsgegners nicht besteht.

Eine ausdrückliche Vereinbarung scheidet hier aus. Die Annahme einer konkludent vereinbarten Rückwirkung der Gestaltungserklärung ist aber für den Fall gerechtfertigt, daß die Tariflohnerhöhung selbst rückwirkend erfolgt. Dies ist hier geschehen. Ein Vertrauensschutz besteht nicht, da nach Auslaufen des bisherigen Tarifvertrags mit einer zeitlich daran anschließenden rückwirkenden Neufestsetzung der Tariflöhne zu rechnen war. Einer Rückwirkung der Erklärung vom 13. Mai auf den 1. April 1986 steht also grundsätzlich nichts entgegen. Etwas anderes ergibt sich wiederum nicht aus dem Umstand, daß jedenfalls einmal die übertarifliche Zulage zum neuen Tariflohn in die Lohnabrechnung aufgenommen und gezahlt wurde. Auch hier läßt sich aus der zeitlich engen Abfolge von Tarifabschluß, Lohnzahlung und Anrechnungserklärung unter Berücksichtigung einer angemessenen Frist zur Neuberechnung und Entscheidung über die Anrechnung folgern, daß der Kläger aus der einmaligen Weiterzahlung noch nicht schließen konnte, die Beklagte wolle auf ihr - zeitlich gleichlaufend zur Rückwirkung der Tariflohnerhöhung - rückwirkendes Gestaltungsrecht verzichten.

Danach ist auch bei Annahme einer konstitutiven Gestaltungserklärung der Anspruch auf Zahlung einer übertariflichen Zulage für April 1986 rückwirkend entfallen.

II. Die Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf die übertarifliche Zulage des Klägers war auch nicht mitbestimmungspflichtig. Die unterbliebene Beteiligung des Betriebsrats hat demnach nicht zur Unwirksamkeit der Anrechnung geführt.

1. Nach der Entscheidung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 3. Dezember 1991 - GS 2/90 - ist die Anrechnung einer Tariflohnerhöhung mitbestimmungsfrei u.a. dann, wenn die Erhöhung vollständig und gleichmäßig auf alle übertariflichen Zulagen angerechnet wird. Wie der Große Senat ausgeführt hat, findet das Mitbestimmungsrecht seine Grenze auch dort, wo der an sich mitbestimmungspflichtigen Änderung der Verteilungsgrundsätze rechtliche Hindernisse entgegenstehen. Dies ist der Fall bei der vollen und gleichmäßigen Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf die Zulagen aller Arbeitnehmer.

Die notwendige Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten dient dem Schutz der Arbeitnehmer durch gleichberechtigte Teilhabe an den sie betreffenden Entscheidungen, insbesondere dort, wo sonst der Arbeitgeber ein einseitiges Bestimmungsrecht hätte. Bei einer vollständigen Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf alle Zulagen fehlt dem Arbeitgeber - soweit das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG reicht - jede weitere Gestaltungsmöglichkeit. Mehr als die Tariflohnerhöhung kann er nicht anrechnen. Dies aber wäre erforderlich, wenn zugunsten eines Teils der Zulagenempfänger zu Lasten der übrigen eine Umverteilung stattfinden sollte. Der Arbeitgeber müßte einen Teil der übertariflichen Zulagen über die volle Anrechnung hinaus kürzen, um die Verteilung zu ändern. Dazu ist er aber nicht berechtigt, gleichgültig, ob die Kürzung des Zulagenvolumens aufgrund einer Automatik oder eines Anrechnungsvorbehalts erfolgt. Der einzelne Arbeitnehmer hat aufgrund der zugrunde liegenden Vereinbarung (Einzelarbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung) einen Anspruch darauf, daß ihm nach einer Tariflohnerhöhung zumindest die um die Tariflohnerhöhung gekürzte Zulage gezahlt wird. Diesen Anspruch kann der Arbeitgeber nur durch eine von den Gerichten für Arbeitssachen überprüfbare ordentliche Änderungskündigung beseitigen. Für deren Wirksamkeit reicht in der Regel der Wille zur Umverteilung der Zulagen nicht aus.

Besteht damit bei der vollständigen Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf alle Zulagen keine rechtliche Möglichkeit einer anderen Verteilung, unterliegt aus diesem Grunde bei vollständiger und gleichmäßiger Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf über/außertarifliche Zulagen - auch wenn die Verteilungsgrundsätze sich ändern - die Neuverteilung des um die Tariflohnerhöhung gekürzten Zulagenvolumens nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats. Dies gilt unabhängig davon, ob die Anrechnung durch gestaltende Erklärung erfolgt oder sich automatisch vollzieht.

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen war die Anrechnung der Tariflohnerhöhung mitbestimmungsfrei. Die Beklagte hat die Erhöhung in vollem Umfang angerechnet, und zwar auf die übertariflichen Zulagen aller in Betracht kommenden Arbeitnehmer. Wenn sie vorgetragen hat, sie habe auch bei den drei anderen Mitarbeitern in "größtmöglichem Umfang" von der Anrechnungsmöglichkeit Gebrauch gemacht, ist dem nicht zu entnehmen, sie habe nur einen Teil der Tariflohnerhöhung angerechnet. Dies kann vielmehr nur dahin verstanden werden, daß entweder die Zulage höher als die Tariflohnerhöhung war - also trotz voller Anrechnung anders als beim Kläger noch eine verkürzte Zulage verbleibt - oder die Tariflohnerhöhung höher als die Zulage war, so daß eine weitere Anrechnung gar nicht möglich war. In jedem Fall aber ist der Tatbestand der mitbestimmungsfreien "vollen Anrechnung" erfüllt.

Die Anrechnung der Tariflohnerhöhung konnte also mitbestimmungsfrei erfolgen. Die unterbliebene Beteiligung des Betriebsrats hat nicht zu ihrer Unwirksamkeit geführt.