Neues zur Kündigung schwerbehinderter Arbeitnehmer in der Probezeit

EuGH Az. C-485/20 vom 10. Feb. 2022

Der Fall: 

Der Arbeitgeber des Falls hatte einen neuen Facharbeiter eingestellt. Kurz nachdem dieser seine neue Stelle angetreten hatte, wurden bei ihm so schwere Herzprobleme festgestellt, dass eine Beschäftigung auf dem ursprünglich für ihn vorgesehenen Arbeitsplatz unmöglich war. Der Arbeitgeber versetzte ihn deshalb noch in der Probezeit auf einen anderen Arbeitsplatz. Allerdings erschien dem Arbeitgeber die Beschäftigung auf dem Ersatzarbeitsplatz offensichtlich auch zu unsicher. Er sprach deshalb rechtzeitig eine Probezeitkündigung aus. Diese begründete er damit, dass eine Weiterbeschäftigung auf dem geschuldeten Arbeitsplatz aufgrund der Behinderung unmöglich erscheine. Der Mitarbeiter wehrte sich gegen die Kündigung und klagte.

Die Entscheidung des Gerichts: 

Der EuGH entschied, dass Arbeitgeber geeignete und im konkreten Fall erforderliche Maßnahmen ergreifen müssen, um Menschen mit Behinderung den Zugang zur Beschäftigung, die Ausübung eines Berufs, den beruflichen Aufstieg und die Teilnahme an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen zu ermöglichen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt nur in Betracht, wenn die Maßnahmen einen Arbeitgeber unverhältnismäßig belasten würden. Der Arbeitgeber muss deshalb einen Arbeitsplatz so einrichten, dass der schwerbehinderte Arbeitnehmer seine Arbeit ausführen kann. Die Richter wiesen zudem darauf hin, dass ein Arbeitgeber verpflichtet sein kann, einen Arbeitnehmer, der aufgrund des Entstehens einer Schwerbehinderung seine ursprüngliche Tätigkeit langfristig nicht mehr ausüben könne, an einem anderen Arbeitsplatz einzusetzen.

Das bedeutet die Entscheidung für Sie: 

Eine Kündigung behinderter und schwerbehinderter Arbeitnehmer wird also künftig für den Arbeitgeber schwerer werden. Er muss prüfen, ob er einen (schwer-)behinderten Mitarbeiter nicht auf einen behindertengerechten Arbeitsplatz umsetzen kann beziehungsweise einen Arbeitsplatz behindertengerecht umgestalten kann. Darauf sollte der Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung bei der Anhörung unbedingt achten. Denn die Pflicht zur Anhörung vor einer Kündigung besteht auch während der Probezeit.