Wahlanfechtung/Stimmenauszählung mittels EDV

LAG Berlin 12 TaBV 6/87 vom 16. Nov. 1987

1. Die Auszählung der Stimmen einer Betriebsratswahl mittels EDV ist grundsätzlich zulässig. Allerdings muss die Verantwortlichkeit des Wahlvorstands für den Auszählungsvorgang gewahrt sein.

2. Die Verantwortlichkeit des Wahlvorstands für die Auszählung ist nicht gewährleistet, wenn sich während der im Rechenzentrum stattfindenden Datenerfassung der Stimmzettel nicht ständig Mitglieder des Wahlvorstands im Rechenzentrum aufhalten und den Verbleib der Stimmzettel beobachten.

3. Eine Stimmenauszählung, die teilweise außerhalb des bekannt gemachten Auszählungsraumes in einem anderen Raum (Rechenzentrum) stattfindet, ist nicht öffentlich, wenn interessierte Beobachter in das Rechenzentrum nur auf Klingelzeichen Einlass finden.

4. Bei einem Verstoß gegen § 18 Abs. 3 Satz 1 BetrVG (öffentliche Stimmauszählung) ist die Wahlanfechtung bereits dann begründet, wenn die – theoretische – Möglichkeit einer Auszählungsmanipulation nicht ausgeschlossen werden kann. Es muss nicht nur die Wahrscheinlichkeit einer solchen Manipulation ausgeschlossen werden.

Auch wenn der Wahlvorstand zur Stimmauszählung Wahlhelfer heranziehen und sich auch technischer Hilfsmittel bedienen darf, muss doch gewährleistet sein, dass der Wahlvorstand selbst weiterhin die Verantwortung für den konkreten Ablauf der Stimmauszählung trägt.

Die Auszählung der Stimmen mit Hilfe einer EDV-Anlage ist vielmehr dann unbedenklich, wenn durch die Einhaltung bestimmter Rahmenbedingungen die Verantwortung des Wahlvorstands für den Auszählungsvorgang erhalten bleibt. Zu diesen Rahmenbedingungen gehören einmal die stichprobenartige Kontrolle der elektronisch erstellten Auswertungslisten mit den erfassten Stimmzetteln und zum anderen die durchgängige Überwachung der gesamten Datenerfassung durch mindestens ein Mitglied des Wahlvorstands.

Die Öffentlichkeit der Stimmauszählung ist vorgeschrieben, damit von vornherein kein Verdacht einer Wahlmanipulation (u.a. durch Austausch von Stimmzetteln) aufkommen kann. Denn es gehört zu den unabdingbaren Voraussetzungen für eine demokratische Wahl, dass Manipulationsmöglichkeiten soweit wie möglich ausgeschlossen werden. In diesem Sinne erfordert es die demokratische Legitimation der gewählten Organe geradezu, dass nicht einmal der Verdacht einer Wahlmanipulation aufkommen kann. Wenn nun die Interessierte Öffentlichkeit zur Auszählung nicht ungehindert Zutritt hat, sondern erst auf ein Klingelzeichen zugelassen wird, dann gibt dies vermeidbaren Anlass zu Misstrauen bzw. Missdeutungen. Dementsprechend muss der ungehinderte Zugang der Betriebsöffentlichkeit zum Ort der Auszählung als wesentliches Merkmal für das Vorliegen einer öffentlichen Stimmauszählung angesehen werden.