Unwirksame Betriebsratswahl bei verspäteter Prüfung kurzfristig eingereichter Wahlvorschläge

LAG Schleswig-Holstein 6 Ta BV 27/06 vom 14. Feb. 2007

Leitsatz

1. Nach § 7 Abs. 2 Satz 2 WO hat der Wahlvorstand die eingereichten Vorschlagslisten unverzüglich (möglichst binnen einer Frist von zwei Arbeitstagen nach ihrem Eingang) zu prüfen und bei Ungültigkeit oder Beanstandung einer Liste den Listenvertreter unverzüglich schriftlich unter Angabe der Gründe zu unterrichten; unverzüglich im Sinne der Bestimmung bedeutet ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB).

2. Ob der Wahlvorstand unverzüglich gehandelt hat, ist unter Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Berücksichtigung des Zwecks der Regelung zu beurteilen.

3. Der Wahlvorstand hat die ihm obliegende Prüfung grundsätzlich so rechtzeitig vorzunehmen, dass die Einreicher einer nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 und 3 WO ungültigen Vorschlagsliste nach Möglichkeit noch die Gelegenheit erhalten, vor Ablauf der Einreichungsfrist eine gültige Vorschlagsliste einzureichen.

4. Am letzten Tag der Einreichungsfrist hat der Wahlvorstand Vorkehrungen zu treffen, um kurzfristig zusammentreten und eingehende Wahlvorschläge prüfen zu können; dies gilt insbesondere dann, wenn bis zum letzten Tag vor Fristablauf noch keine Wahlvorschläge eingereicht wurden und der Wahlvorstand deshalb mit deren Eingang rechnen muss.

5. Legt der Wahlvorstand die Sitzung für die Prüfung der Wahlvorschläge auf einen Zeitpunkt nach Ablauf der Frist zur Einreichung der Wahlvorschläge, verhindert er selbst, dass eingehende Vorschlagslisten noch vor Ablauf der Einreichungsfrist geprüft und die Listenvertreter über etwaige Mängel informieren werden können.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.

Die zu 21. beteiligte Arbeitgeberin beschäftigt etwa 3.900 Arbeitnehmer. Die Mitarbeiter arbeiten in zahlreichen über das gesamte Bundesgebiet verteilten Filialen. Ein Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1 lit. a BetrVG sieht vor, dass im Unternehmen der Arbeitgeberin ein unternehmenseinheitlicher Betriebsrat zu bilden ist. Aufgrund der Beschäftigtenzahl besteht der Betriebsrat aus 25 Mitgliedern.

Im Unternehmen der Arbeitgeberin fand am 16.03.2006 eine Betriebsratswahl statt, aus der der zu 20. beteiligte Betriebsrat hervorging. Zur Vorbereitung der Wahl hatte der Wahlvorstand am 01.02.2006 ein Wahlausschreiben erlassen. Darin wurden die wahlberechtigten Arbeitnehmer aufgefordert, "vor Ablauf von zwei Wochen, spätestens bis zum 15.02.2006, 18.00 Uhr, Vorschlagslisten per Post beim Wahlvorstand E... W..., H...H...-Str...., 2... E..., einzureichen". Wegen der Einzelheiten des Wahlausschreibens wird auf Blatt 20 f. der Akte verwiesen.

Dem Wahlvorstand gehörten neben Herrn W... als Vorsitzenden die Beteiligten zu 1., 8. und 18. sowie der nunmehrige Betriebsratsvorsitzende Herr W... an. Alle Wahlvorstandsmitglieder waren Mitglieder des vorigen Betriebsrats. Mit seiner Mehrheit hatte der Wahlvorstand beschlossen, eingegangene Vorschlagslisten am 17.02.2006 zu prüfen.

Am 14.02.2006 um 12.30 Uhr übergab der Beteiligte zu 1. im Anschluss an eine Betriebsratssitzung Herrn W... eine mit dem Kennwort "Zeit für Taten" versehene Vorschlagsliste. Der Beteiligte zu 1. war Listenführer dieser Vorschlagsliste. Am Abend desselben Tages kamen Herr W... Zweifel, ob die Liste gültig ist. Am Morgen des folgenden Tages nahm er deshalb Kontakt zu dem Justitiar der Arbeitgeberin auf und besprach die Angelegenheit mit ihm.

Am 15.02.2006 ging gegen 10.00 Uhr beim Wahlvorstand eine Vorschlagsliste mit dem Kennwort "Mit Blick auf die Zukunft" ein. Am Nachmittag dieses Tages, nicht vor 16.00 Uhr, teilte Herr W... dem Beteiligten zu 1. telefonisch mit, dass die Anzahl der Stützunterschriften für die von ihm eingereichte Vorschlagsliste "Zeit für Taten" nicht ausreichen würde und die Liste deshalb wohl ungültig sei.

Der Wahlvorstand prüfte in seiner Sitzung am 17.02.2006 die Rechtmäßigkeit der beiden eingereichten Vorschlagslisten. Er beschloss, beide Listen für ungültig zu erklären.

Durch Beschluss des Arbeitsgerichts Flensburg vom 23.02.2006 (2 BV Ga 8/06) wurde der Wahlvorstand verpflichtet, die Liste "Mit Blick auf die Zukunft" zur Betriebsratswahl zuzulassen. Dieser Beschluss ist rechtskräftig geworden.

Die Betriebsratswahl wurde am 16.03.2006 nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl mit den auf der Vorschlagsliste "Mit Blick auf die Zukunft" aufgeführten 25 Bewerbern durchgeführt. Am 22.03.2006 gab der Wahlvorstand das Wahlergebnis bekannt (vgl. Bl. 23 d.A.).

Mit der am 30.03.2006 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift haben die Beteiligten zu 1. bis 19. (Antragsteller) die Betriebsratswahl angefochten.

Die Antragsteller haben die Auffassung vertreten, die Betriebsratswahl sei aus mehreren Gründen unwirksam. Die Liste "Mit Blick auf die Zukunft" sei nicht ordnungsgemäß zustande gekommen. Es sei davon auszugehen, dass vor Leistung der ersten Stützunterschrift noch keine Liste mit 25 Wahlbewerbern, sondern allenfalls eine mit 22 Wahlbewerbern, vorgelegen habe. Das sei die Kandidatenzahl am 14.02.2006 gewesen. Nach Leistung der ersten Stützunterschrift sei zudem die Reihenfolge der Kandidaten auf der Liste geändert worden.

Ein weiterer Mangel liege darin, dass nicht in allen Filialen das Wahlausschreiben in der gebotenen Weise veröffentlicht worden sei. Zum Beispiel in der G... Filiale sei dies verspätet geschehen.

Die Unwirksamkeit der Betriebsratswahl folge schließlich daraus, dass der Wahlvorstand unter Verstoß gegen § 7 Abs. 2 Satz 2 Wahlordnung (WO) die Vorschlagsliste "Zeit für Taten" nicht unverzüglich geprüft habe. Bei sofortiger Unterrichtung, jedenfalls bis zum 15.02.2006 Mittags, hätte innerhalb der Einreichungsfrist ein gültiger Wahlvorschlag eingereicht werden können. Der Wahlvorstand hätte Vorkehrungen treffen müssen, um kurzfristig zusammenzutreten und Wahlvorschläge zu prüfen, zumal mit dem Eingang zweier Listen zu rechnen gewesen sei. Jedenfalls nachdem Herr W... am Abend des 14.02.2006 Mängel festgestellt habe, hätte er tätig werden müssen.

Die Antragsteller haben beantragt,

die Betriebsratswahl vom 16.03.2006 wird für unwirksam erklärt.

Der Betriebsrat hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin hat keinen eigenen Antrag gestellt.

Der Betriebsrat hat die Ansicht vertreten, die Liste "Mit Blick auf die Zukunft" sei ordnungsgemäß zustande gekommen. Erst nachdem sämtliche Kandidaten auf der Liste vermerkt und ihre Reihenfolge sowie die Listenführerschaft festgestanden habe, sei mit der Sammlung der Stützunterschriften begonnen worden.

Der Betriebsrat hat gemeint, der Vortrag der Antragsteller zu den angenommenen Gesetzesverstößen bei Veröffentlichung des Wahlausschreibens sei unsubstantiiert. Im Übrigen sei nicht erkennbar, dass ein verspäteter Aushang einen Verstoß gegen wesentliche Vorschriften des Wahlverfahrens begründe.

Der Betriebsrat hat schließlich die Auffassung vertreten, der Wahlvorstand habe die Vorschlagslisten unverzüglich geprüft, denn der Termin am 17.02.2006 sei durch die Mitglieder des Wahlvorstandes mehrheitlich beschlossen worden. Eine kurzfristige Einberufung dieses Gremiums sei nach Beendigung der Betriebsratssitzung am 14.02.2006 nicht mehr möglich gewesen.

Das Arbeitsgericht ist dem Antrag der Antragsteller gefolgt und hat die Betriebsratswahl vom 16.03.2006 für unwirksam erklärt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass der Wahlvorstand die ihm obliegende Prüfungs- und Unterrichtungspflicht nicht unverzüglich im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 2 WO erfüllt habe. Der Vorsitzende des Wahlvorstandes sei verpflichtet gewesen, Wahlvorstandsmitglieder am Morgen des 15.02.2006 zusammenzurufen. Eine Sitzung des Wahlvorstandes hätte sodann zwischen 9.00 Uhr bzw. 9.30 Uhr und 12.00 Uhr stattfinden können. Wenn den Beteiligten zu 1. als Listenvertreter die Rüge, dass die von ihm eingereichte Liste ungültig sei, bis 12.00 Uhr erreicht hätte, wäre es noch möglich gewesen, die erforderlichen Stützunterschriften vor Ablauf der Einreichungsfrist zu sammeln. Das sei nach der tatsächlich erst um 16.00 Uhr erfolgten Mitteilung nicht mehr möglich gewesen. Der Verfahrensfehler berechtige die Antragsteller zur Wahlanfechtung, weil sich nicht feststellen lasse, dass auch bei einer rechtzeitigen Entscheidung des Wahlvorstandes und Information des Listenführers der Liste "Zeit für Taten" das nunmehr eingetretene Wahlergebnis erzielt worden wäre.

Gegen diesen ihm am 27.06.2006 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts Flensburg hat der Betriebsrat am 05.07.2006 Beschwerde eingelegt und diese am 25.08.2006 begründet.

Der Betriebsrat behauptet, Herr W... hätte am 15.02.2006 erst um 11.00 Uhr, nach Ende der Personalausschusssitzung, den Wahlvorstand einberufen können. Demnach hätte dieser nicht vor 14.15 Uhr zusammenkommen können mit der Folge, dass eine Ungültigkeitsfeststellung nicht vor 15.15 Uhr möglich gewesen wäre. Hintergrund sei, dass die Wahlvorstandsmitglieder aus verschiedenen über das Bundesgebiet verteilten Filialen hätten zusammenkommen müssen. Im Übrigen hätte auch nach der am 15.02.2006 um 16.00 Uhr erfolgten Information eine vorbereitete Gewerkschaftsliste noch eingereicht werden können.

Im Übrigen meint der Betriebsrat, das Verhalten des Beteiligten zu 1. sei widersprüchlich. Er selbst habe an der Festlegung des Prüfungstermins "17.02.2006" mitgewirkt; dagegen stelle er sich nunmehr auf den Standpunkt, einen Anspruch auf sofortige Prüfung der Vorschlagsliste gehabt zu haben. Hierin liege zudem eine unzulässige Rechtsausübung. Denn der Wahlvorstand habe den Prüfungstermin einstimmig beschlossen. Drei der Wahlvorstandsmitglieder seien Mitglieder der für unzulässig erklärten Vorschlagsliste "Zeit für Taten" und nunmehr Antragsteller in diesem Verfahren. Schließlich beruft sich der Betriebsrat darauf, die Liste "Zeit für Taten" habe ihren Anspruch auf Anfechtung der Betriebsratswahl verwirkt. Denn sie habe nicht versucht, im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens eine Zulassung zur Wahl zu erreichen.

Der Betriebsrat beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Flensburg vom 08.06.2006 abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.

Die Antragsteller beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin hat ihre zunächst eingelegte Beschwerde und Anschlussbeschwerde zurückgenommen.

Die Antragsteller verteidigen die Gründe des arbeitsgerichtlichen Beschlusses. Sie meinen, der Wahlvorstandsvorsitzende hätte für den 15.02.2006 unverzüglich eine außerordentliche Sitzung des Wahlvorstandes, ggf. unter Heranziehung der Ersatzmitglieder, anberaumen müssen. Bei Durchführung dieser Sitzung bis zum Mittag hätten z.B. in der Verwaltung in F... die erforderlichen Stützunterschriften noch gesammelt werden können. Eine vorbereitete Gewerkschaftsliste habe es nicht gegeben.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten im Beschwerderechtszug wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie die Anlagen Bezug genommen. Ergänzend wird auf den Akteninhalt verwiesen. Die Akte zu dem beim Arbeitsgericht Flensburg geführten Verfahren 2 BV Ga 8/06 ist beigezogen worden.

II.

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Flensburg vom 08.06.2006 ist zulässig. Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Betriebsratswahl vom 16.03.2006 zu Recht für unwirksam erklärt.

1. Der Antrag ist zulässig. Die Antragsteller sind nach § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG anfechtungsberechtigt, auch wenn mittlerweile nur noch 17 Wahlberechtigte das Anfechtungsbegehren verfolgen.

Die zweiwöchige Anfechtungsfrist ist gewahrt. Der Wahlvorstand hat das Wahlergebnis am 22.03.2006 bekannt gemacht. Die Antragsschrift ist bereits 8 Tage später beim Arbeitsgericht eingegangen.

2. Der Antrag ist auch begründet. Die Wahl war für unwirksam zu erklären, weil gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren verstoßen wurde und das Wahlergebnis hierauf beruht.

Der Wahlvorstand hat gegen § 7 Abs. 2 Satz 2 WO verstoßen, weil er die Vorschlagsliste "Zeit für Taten" nicht unverzüglich geprüft und beanstandet hat. Dieser Verstoß gegen eine wesentliche Wahlvorschrift im Sinne des § 19 Abs. 1 BetrVG berechtigt - wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat - zur Anfechtung der Wahl. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Wahlergebnis bei ordnungsgemäßer Prüfung und Unterrichtung des Listenführers, des Beteiligten zu 1. nach Maßgabe des § 7 Abs. 2 Satz 2 WO anders ausgefallen wäre. Der Betriebsrat beruft sich ohne Erfolg auf Verwirkung und unzulässige Rechtsausübung. Im Einzelnen:

a) Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass die Vorschlagsliste "Zeit für Taten" vom Wahlvorstand zu Recht nicht zur Betriebsratswahl zugelassen worden ist. Die Liste war nach § 8 Abs. 1 Ziff. 3 WO ungültig, weil sie mangels der erforderlichen Stützunterschriften den Anforderungen des § 14 Abs. 4 Satz 1 BetrVG nicht genügte.

b) Die Wahl ist anfechtbar, weil der Wahlvorstand die Liste "Zeit für Taten" nicht unverzüglich geprüft und den Beteiligten zu 1. als Listenführer nicht unverzüglich über die vorhandenen Mängel schriftlich unterrichtet hat. Dadurch hat der Wahlvorstand die ihm obliegenden Pflichten aus § 7 Abs. 2 Satz 2 WO verletzt. Dies berechtigt zur Anfechtung der Wahl, weil nicht auszuschließen ist, dass das Wahlergebnis bei ordnungsgemäßer Prüfung und Beanstandung anders ausgefallen wäre.

aa) Nach § 7 Abs. 2 Satz 2 WO hat der Wahlvorstand die eingereichten Vorschlagslisten unverzüglich, möglichst binnen einer Frist von zwei Arbeitstagen nach ihrem Eingang, zu prüfen und bei Ungültigkeit oder Beanstandung einer Liste den Listenvertreter unverzüglich schriftlich unter Angabe der Gründe zu unterrichten. "Unverzüglich" im Sinne der Bestimmung bedeutet ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB). § 7 Abs. 2 Satz 2 WO bestimmt zwar, dass die Wahlvorschläge möglichst binnen einer Frist von zwei Arbeitstagen zu prüfen sind. Der 7. Senat des Bundesarbeitsgerichts hat aber entschieden, dass auch die noch innerhalb der zweitägigen Frist erfolgte Prüfung des Wahlvorschlags und Unterrichtung des Listenvertreters unter bestimmten Umständen nicht als "unverzüglich" i.S. der Vorschrift anzusehen sei (7 ABR 39/04 - NZA 2006, 116). Ob der Wahlvorstand unverzüglich gehandelt hat, ist danach unter Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Berücksichtigung des Zwecks der Regelung zu beurteilen. Die Pflicht zur unverzüglichen Prüfung der Vorschlagslisten und zur unverzüglichen Unterrichtung des Listenvertreters über die Ungültigkeit der Liste dient dazu, es den Einreichern der Liste zu ermöglichen, innerhalb der Einreichungsfrist eine gültige Vorschlagsliste nachzureichen (vgl. Fitting BetrVG 23. Aufl. § 7 WO 2001 Rn. 6; GK-BetrVG/Kreutz/Oetker 8. Aufl. § 7 WO Rn. 10; DKK/Schneider BetrVG 10. Aufl. § 7 WO 2001 Rn. 7). Diese Möglichkeit darf ihnen nicht durch eine verzögerte Behandlung durch den Wahlvorstand genommen werden. Der Wahlvorstand hat daher die ihm obliegende Prüfung grundsätzlich so rechtzeitig vorzunehmen, dass die Einreicher einer nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 und 3 WO ungültigen Vorschlagsliste nach Möglichkeit noch die Gelegenheit erhalten, vor Ablauf der Einreichungsfrist eine gültige Vorschlagsliste einzureichen. Entsprechend dem Zweck des § 7 Abs. 2 Satz 2 WO besteht eine Pflicht zur möglichst raschen Prüfung und Unterrichtung besonders dann, wenn der Ablauf der Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen unmittelbar bevorsteht. Am letzten Tag der Einreichungsfrist hat der Wahlvorstand Vorkehrungen zu treffen, um kurzfristig zusammentreten und eingehende Wahlvorschläge prüfen zu können (vgl. etwa Fitting a.a.O. § 7 WO Rn. 7; GK-BetrVG a.a.O. § 7 WO Rn. 8). Dies gilt namentlich dann, wenn bis zum letzten Tag vor Fristablauf noch keine Wahlvorschläge eingereicht wurden und der Wahlvorstand deshalb mit deren Eingang rechnen muss. Wird eine Vorschlagsliste erst kurz vor Ablauf der Frist beim Wahlvorstand eingereicht, tragen die Einreicher zwar grundsätzlich das Risiko, dass ein möglicherweise zur Ungültigkeit führender Mangel des Wahlvorschlags nicht mehr innerhalb der Frist behoben werden kann. Das entbindet den Wahlvorstand jedoch nicht von der Pflicht, die Prüfung von Vorschlagslisten möglichst rasch durchzuführen, damit ggf. vorhandene Mängel noch rechtzeitig behoben werden können.

bb) Von diesen Grundsätzen geht auch die erkennende Kammer aus. Danach hat der Wahlvorstand die ihm obliegende Prüfungs- und Unterrichtungspflicht nicht unverzüglich i.S. des § 7 Abs. 2 Satz 2 WO erfüllt.

Dadurch, dass der Wahlvorstand die Sitzung für die Prüfung der Wahlvorschläge auf den 17.02.2006 festgelegt hatte, also auf einen Zeitpunkt nach Ablauf der Frist zur Einreichung der Wahlvorschläge (15.02.2006, 18.00 Uhr), hat er selbst verhindert, dass er eingehende Vorschlagslisten noch vor Ablauf der Einreichungsfrist prüfen und die Listenvertreter über etwaige Mängel informieren konnte. Nach der Entwicklung des Wahlverfahrens hätte er den festgesetzten Termin überdenken und einen neuen, früheren Termin zur Prüfung eingehender Wahlvorschläge bestimmen müssen.

Bis zum Mittag des 14.02.2006, also des Tages vor Ablauf der Einreichungsfrist, lagen noch keine Wahlvorschläge vor. Der Wahlvorstand musste daher damit rechnen, dass an diesem, spätestens aber am nächsten Tag, Wahlvorschläge eingehen würden, zumal die Wahlvorstandsmitglieder um die beiden in Vorbereitung befindlichen konkurrierenden Vorschlagslisten wussten. Der Wahlvorstand durfte auch nicht ohne weiteres davon ausgehen, die Vorschlagslisten würden ordnungsgemäß und damit gültig sein. Vielmehr musste er damit rechnen, dass möglicherweise eine oder gar zwei ungültige Listen eingereicht werden. Für diesen Fall hätte der Wahlvorstand Vorkehrungen treffen müssen.

Unabhängig davon hätte nach Eingang der Vorschlagsliste "Zeit für Taten" am 14.02.2006 um 12.30 Uhr sofort eine Sitzung des Wahlvorstands anberaumt werden müssen, um die Liste zu prüfen. Die Anberaumung einer Wahlvorstandssitzung am 14.02.2006 für denselben oder für den nächsten Tag war möglich. Selbst wenn nach der am 14.02.2006 durchgeführten Betriebsratssitzung nicht mehr alle Wahlvorstandsmitglieder vor Ort waren, als die Vorschlagsliste Herrn W... um 12.30 Uhr übergeben wurde, hätte dieser doch sogleich telefonisch eine Sitzung des Wahlvorstandes anberaumen können. Wie die Beteiligten im Anhörungstermin übereinstimmend erklärt haben, verfügten alle Wahlvorstandsmitglieder über dienstliche Mobiltelefone. Damit waren sie für Herrn W... erreichbar. Sie konnten sich noch nicht weit vom Ort der Betriebsratssitzung (H...) entfernt haben und hätten somit ohne weiteres umkehren und eine Wahlvorstandssitzung durchführen können. Selbst wenn dies - aus welchen Gründen auch immer - nicht möglich gewesen wäre, hätte doch am 15.02.2006 eine Sitzung des Wahlvorstands durchgeführt werden können. Dazu hätte Herr W... noch am 14.02.2006 einladen können und müssen. Diese Einladung hätte er unabhängig von einer "Vorprüfung" aussprechen müssen. Herr W... durfte deshalb nicht erst nach Durchsicht der Liste - am Abend des 14.02.2006 - oder gar erst nach Rücksprache mit dem Justitiar der Arbeitgeberin über eine weitere Prüfung entscheiden.

Der Durchführung einer Wahlvorstandssitzung mit dem Tagesordnungspunkt "Prüfung der Vorschlagsliste" stand die für den 15.02.2006 vorgesehene Personalausschutzsitzung nicht entgegen. Diese Sitzung endete bereits um 11.00 Uhr. Vor ihrem Beginn oder nach ihrem Ende hätte der Wahlvorstand ohne weiteres tagen können. Die Anreise zu einer um 11.00 Uhr stattfindenden Sitzung hätte allen Wahlvorstandsmitgliedern, auch den aus weiter entfernt liegenden Filialen, zugemutet werden können.

cc) Die Antragsteller können sich auf diese Pflichtverletzung des Wahlvorstandes berufen und die Wahlanfechtung darauf stützen. Dabei wird nicht übersehen, dass drei der Antragsteller Mitglieder des Wahlvorstands und damit für die Festlegung des Prüfungstermins auf den 17.02.2006 (mit-) verantwortlich waren. Es geht im vorliegenden Fall aber nicht um das Fehlverhalten einzelner Wahlvorstandsmitglieder, sondern um die unsachgemäße Behandlung der Angelegenheit durch das Gremium Wahlvorstand. Im übrigen wird der Anfechtungsantrag auch in der Beschwerdeinstanz noch von 12 weiteren Antragstellern verfolgt, die dem Wahlvorstand nicht angehörten. Aus diesem Grund geht auch der vom Betriebsrat erhobene Einwand der unzulässigen Rechtsausübung, der allenfalls die Beteiligten zu 1., 8. und 18. treffen könnte, ins Leere.

dd) Die Verletzung der nach § 7 Abs. 2 Satz 2 WO bestehenden Prüfungs- und Unterrichtungspflicht durch den Wahlvorstand war geeignet, das Wahlergebnis zu beeinflussen.

(1) Nach § 19 Abs. 1 letzter Halbsatz BetrVG berechtigt ein Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften nur dann nicht zur Anfechtung der Wahl, wenn er das Wahlergebnis objektiv weder ändern noch beeinflussen konnte. Dafür ist entscheidend, ob bei einer hypothetischen Betrachtungsweise eine Wahl ohne den Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zwingend zu demselben Wahlergebnis geführt hätte (BAG 19. Oktober 2004 - 7 ABR 5/04 - EzA BetrVG 2001 § 19 Nr. 4; 31. Mai 2000 - 7 ABR 78/98 - AP BetrVG 1972 § 1 Gemeinsamer Betrieb Nr. 12). Eine verfahrensfehlerhafte Betriebsratswahl muss nur dann nicht wiederholt werden, wenn sich konkret feststellen lässt, dass auch bei der Einhaltung der Wahlvorschriften kein anderes Wahlergebnis erzielt worden wäre. Kann diese Feststellung nicht getroffen werden, bleibt es bei der Unwirksamkeit der Wahl (BAG 31. Mai 2000 - 7 ABR 78/98 a.a.O.).

(2) Im vorliegenden Fall kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Wahlergebnis ohne den Verstoß gegen § 7 Abs. 2 Satz 2 WO anders ausgefallen wäre. Es ist durchaus denkbar, ja sogar wahrscheinlich, dass vor Ablauf der Einreichungsfrist für Wahlvorschläge am 15.02.2006 um 18.00 Uhr eine gültige Vorschlagsliste der Liste "Zeit für Taten" nachgereicht worden wäre, wenn der Wahlvorstand den Beteiligten zu 1. als Listenvertreter unverzüglich, spätestens am Mittag des 15.02.2006, über den vorhandenen Mangel der Liste unterrichtet hätte. Auch der Betriebsrat hat in diesem Verfahren vorgetragen, dass es im Raum F... ohne weiteres möglich gewesen wäre, 100 oder mehr Stützunterschriften an einem Tag zu sammeln.

c) Ohne Erfolg macht der Betriebsrat geltend, der Anspruch auf Wahlanfechtung sei verwirkt, weil es die Liste "Zeit für Taten" unterlassen habe, im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ihre Zulassung zur Betriebsratswahl geltend zu machen. Zunächst übersieht der Betriebsrat, dass die Liste "Zeit für Taten" gar nicht in diesem Verfahren beteiligt ist. Antragsteller sind (zuletzt) 17 wahlberechtigte Arbeitnehmer. Zudem hatte die Liste "Zeit für Taten" die Wahl, ob sie ihre Teilnahme an der Wahl zu erstreiten sucht oder danach den Weg der Anfechtung wählt. Schließlich gehen die Beteiligten übereinstimmend davon aus, dass die Liste "Zeit für Taten" vom Wahlvorstand zu Recht als ungültig angesehen worden ist. Vor diesem Hintergrund musste sie nicht versuchen, die Teilnahme an der Wahl im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zu erstreiten.