Unwirksame Betriebsratswahl bei fehlerhafter Bemessung der Betriebsratsgröße

LAG München 6 TaBV 3/07 vom 24. Juli 2007

Leitsatz

Bei Ermittlung der in der Regel dem Betrieb angehörenden Arbeitnehmer hat der Wahlvorstand zwar einen Beurteilungsspielraum. Die zukünftige Entwicklung kann er aber nur berücksichtigen, wenn der Arbeitgeber bereits konkrete Veränderungsentscheidungen getroffen hat.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.

Die Antragstellerin (Arbeitgeberin/Beteiligte zu 1.) ist ein Luft- und Raumfahrtunternehmen mit Hauptsitz in O. Sie unterhält einen Betrieb "Forschung". Antragsgegner (Beteiligter zu 2.) ist der für diesen Betrieb am 20. März 2006 gewählte Betriebsrat.

Der Wahlvorstand für diese Betriebsratswahl war am 16. August 2005 bestellt worden.

Mit Schreiben vom 9. November 2005 (Blatt 49 der Akte) hatte sich der damalige Betriebsrat an die Arbeitgeberin gewandt mit der Bitte um Unterrichtung über die künftige technologische Ausrichtung und Positionierung der Forschungsbereiche des Betriebs. Mit Schreiben vom 15. November 2005 (Blatt 50 der Akte) erinnerte dieser Betriebsrat die Arbeitgeberin an ihre Verpflichtung zur rechtzeitigen Information über die strategische Neuausrichtung der Abteilungen und die Neuorganisation des L. G.

Mit Schreiben vom 13. Dezember 2005 (Blatt 51 der Akte) forderte der damalige Betriebsrat die Arbeitgeberin auf, ihn bis spätestens 31. Januar 2006 über die Personal- und Strategieplanungen für das Jahr 2006 zu unterrichten, da ihm keine Informationen darüber vorlägen, welche Auswirkungen die von der Arbeitgeberin geplante verstärkte Kooperation mit externen Partnern auf die Belegschaft in den Forschungsabteilungen und die Belegschaft insgesamt haben würde.

Am 24. Januar 2006 hatte der Wahlvorstand ein Gespräch mit dem Betriebsleiter Herrn Dr. B.

Im Wahlausschreiben vom 1. Februar 2006 (Blatt 9/10 der Akte) fand man die Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder auf 11 festgesetzt. Im Betrieb Forschung waren damals 398 Arbeitnehmer sowie fünf Leiharbeitnehmer beschäftigt gewesen. Die Leiharbeitnehmer hatte der Wahlvorstand bei Ermittlung der Zahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer nicht mitberücksichtigt.

Die Personalleitung des Betriebs Forschung erläuterte am 7. und 9. Februar 2006 dem Wahlvorstand die Personalzahlen des Jahres 2005 (Blatt 11 bis 21 der Akte) und die Personalplanung (Blatt 22 der Akte) im Einzelnen und bat um entsprechende Korrektur des Wahlausschreibens. Der Wahlvorstand war dazu aber nicht bereit gewesen und hatte das mit Schreiben vom 10. Februar 2006 (Blatt 23 der Akte) auch mitgeteilt. Daraufhin verdeutlichte die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 23. Februar 2006 (Blatt 24/25 Akte) dem Wahlvorstand nochmals die Personalzahlen des Jahres 2005 und die Personalplanung für 2006. Dazu gehörte die Mitteilung, dass man ab September 2005 Praktikanten statistisch in den Personalzahlen erfasst habe. Auch seien die erhöhten Personalzahlen von Oktober bis Dezember 2005 dadurch entstanden, dass der Bereich Forschung O. Mitarbeiter aus dem im Jahre 2005 stillgelegten D. Forschungsbetrieb F. übernommen habe.

Der Wahlvorstand hielt in seiner Antwort vom 27. Februar 2006 (Blatt 26 der Akte) am erlassenen Wahlausschreiben fest.

Die Betriebsratswahl fand am 20. März 2006 statt. Das Wahlergebnis war am Freitag, den 24. März 2006, vom Wahlvorstand bekannt gegeben worden (Blatt 8 der Akte). Die Antragsschrift mit der Wahlanfechtung ist am 6. April 2006 beim Arbeitsgericht München eingegangen. Die Arbeitgeberin hält dem Wahlvorstand vor, die Betriebsgröße verkannt zu haben. Aus ihrer Sicht hätten nur neun und nicht 11 Betriebsratsmitglieder gewählt werden dürfen. Der Betrieb Forschung habe zum Zeitpunkt des Wahlausschreibens am 2. Februar 2006 nur 398 Arbeitnehmer beschäftigt. Im Jahresdurchschnitt 2005 seien es lediglich 312 Arbeitnehmer, im Durchschnitt des zweiten Halbjahres 2005 dann 373 Arbeitnehmer gewesen.

Soweit der Wahlvorstand in der Bekanntgabe des Wahlergebnisses 407 Wahlberechtigte angegeben hatte, müsse berücksichtigt werden, dass am Tag der Wahl, dem 20. März 2006, tatsächlich 400 Arbeitnehmer und 7 Leiharbeitnehmer beschäftigt und wahlberechtigt gewesen seien. Die Leiharbeitnehmer dürften zwar wählen, sie seien bei Berechnung der Schwellenwerte jedoch nicht zu berücksichtigen.

Hinsichtlich der Personalplanung habe man dem Wahlvorstand erläutert, dass lediglich im März (401 Arbeitnehmer) und im April (405 Arbeitnehmer) kurzfristig die Zahl 400 überschritten werde. In der Personalplanung des Jahres 2006 sei eine Beschäftigung von jahresdurchschnittlich circa 388 Arbeitnehmern (im Durchschnitt des zweiten Halbjahres 2006 von circa 380 Arbeitnehmern) vorgesehen. Die kurzfristige, planerische Überschreitung der Zahl 400 bei den beschäftigten Arbeitnehmern in den Monaten März und April 2006 sei auf die Abschlussbearbeitung von Aufträgen aus dem Jahr 2005 im Jahr 2006 zurückzuführen. Kleinere Projekte habe man in das erste Quartal 2006 verschoben. Tatsächlich seien am Wahltag (20. März 2006) 400 Arbeitnehmer und am Stichtag (4. April 2006) 390 Arbeitnehmer im Betrieb beschäftigt gewesen.

Dem Wahlvorstand wird angelastet, die Zahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer bei Bestimmung der Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder verkannt zu haben mit entsprechenden Folgen für das Wahlergebnis. Die Betriebsratswahl vom 20. März 2006 wird als fehlerhaft und damit unwirksam angesehen.

Diese Wahlanfechtung hatte vor dem angerufenen Arbeitsgericht München auch Erfolg. Auf die Gründe seines Beschlusses vom 8. Dezember 2006 wird Bezug genommen.

Mit der am 10. Januar 2007 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenen Beschwerde gegen diese seinen Prozessbevollmächtigten am 15. Dezember 2006 zugestellte Entscheidung verfolgt der Betriebsrat seinen Abweisungsantrag weiter. Die Beschwerdebegründung ist am 31. Januar 2007 eingegangen. Darin wird zunächst der zugrunde liegende Sachverhalt noch einmal dargestellt. Der Betriebsrat in seiner damaligen Zusammensetzung habe sich mit Schreiben vom 9. November, 15. November und 13. Dezember 2005 an die Arbeitgeberin gewandt mit der Bitte, von ihr gemäß § 2 Abs. 2 WO Aussagen über die Stärke der zukünftigen Belegschaft zu erlangen. Alle diese Schreiben seien aber unbeantwortet geblieben.

Auf Wunsch des Wahlvorstandes habe dann am 24. Januar 2006 ein Gespräch mit dem Betriebsleiter Herrn Dr. B. stattgefunden. Von diesem sei die Auftragslage gegenüber dem Wahlvorstand als gut bis sehr gut bezeichnet worden mit dem Zusatz, dass Aufträge aus dem Jahr 2005 im Jahr 2006 noch abgearbeitet werden müssten. Auf Nachfrage, ob sich die zukünftige Personalentwicklung gegenüber den vergangenen Jahren ändern würde, habe Herr Dr. B. geantwortet, er gehe von keiner Veränderung aus. Die weitere Frage, ob es konkrete Anhaltspunkte für ein künftiges Absinken der Beschäftigungszahlen gebe, habe Herr Dr. B. verneint.

Mit Schreiben vom 25. Januar 2006 sei dem damaligen Betriebsrat von Herrn Dr. B. mitgeteilt worden, dass die Auslastungs- und Personalplanung 2006 aller Erwartung nach eine hohe Auslastung verspreche.

Dabei sei zu berücksichtigen gewesen, dass der Betrieb in der Vergangenheit von 319 wahlberechtigten Arbeitnehmern bzw. 320 in der Regel Beschäftigten bei der Betriebsratswahl 2002 auf nunmehr 398 Arbeitnehmer (Zeitpunkt des Erlasses des Wahlausschreibens vom 2. Februar 2006) angewachsen war. Daraus habe sich rechnerisch ein durchschnittlicher Anstieg der Arbeitnehmerzahl im Betrieb seit 2005 um 20 pro Monat bis auf 398 Arbeitnehmer am 2. Februar 2006 ergeben. Vom Wahlvorstand sei daraus geschlossen worden, dass der Schwellenwert von 401 Arbeitnehmern spätestens im März 2006 dauerhaft überschritten werde. Er habe 410 in der Regel im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer prognostiziert und darauf gestützt sein Wahlausschreiben verfasst. Die dieser Prognose nicht folgende Entscheidung des Erstgerichts wird mit Nachdruck beanstandet. Für die Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder sei die Zahl der regelmäßig im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer maßgebend. Dabei müsse man grundsätzlich auf die Beschäftigungslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Wahlausschreibens abstellen, die im Allgemeinen für den Betrieb kennzeichnend sei. "In der Regel" bedeute dabei nicht die durchschnittliche Zahl der Arbeitnehmer, es gehe vielmehr um die Arbeitnehmer, die unter normalen betrieblichen Verhältnissen üblicherweise beschäftigt werden. Zur Feststellung der Zahl dieser regelmäßig Beschäftigten bedürfe es eines Rückblicks und der Einschätzung der zukünftigen Entwicklung. Der Wahlvorstand habe somit auch die zukünftig zu erwartende Entwicklung des Beschäftigungsstandes im Betrieb zu berücksichtigen. In Grenzfällen müsse er nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden; es reiche dabei aus, dass die für die Zahl der Betriebsratsmitglieder festgestellte Zahl der Arbeitnehmer "vertretbar" sei.

Für den Streitfall wird daraus abgeleitet, dass die bei Erlass des Wahlausschreibens am 2. Februar 2006 im Betrieb beschäftigten 398 Arbeitnehmer "extrem nahe" am Schwellenwert von 400/401 Arbeitnehmern des § 9 BetrVG lagen. In der Vergangenheit seien in der Regel durchschnittlich unter 400 Arbeitnehmer im Betrieb beschäftigt gewesen. Die Durchschnittszahl könne für die Prognose aber nicht maßgeblich sein, abzustellen sei vielmehr auf die normalen Verhältnisse. Die normalen betrieblichen Verhältnisse hätten zum einen den Anstieg der beschäftigten wahlberechtigten Arbeitnehmer von 319/ 320 im Jahre 2002 auf 398 am Stichtag 2. Februar 2006 gezeigt, zum anderen einen rechnerischen Zuwachs an Arbeitskräften im Betrieb von 20 Mitarbeitern pro Monat ergeben. Diesen Zuwachs habe der Wahlvorstand seiner Prognose dann zugrunde gelegt. Hinzugekommen sei seine Einschätzung der zukünftigen Entwicklung und so lauten die Beschwerdeanträge:

1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 8. Dezember 2006 - Gz. 21 BV 117/06 - wird aufgehoben.

2. Der Antrag der Beteiligten zu 1. wird zurückgewiesen.

Die Beteiligte zu 1. lässt beantragen:

Zurückweisung der Beschwerde.

Den Überlegungen des Erstgerichts in der angefochtenen Entscheidung pflichtet sie bei, den Ausführungen in der Beschwerdebegründung tritt sie entgegen. Aus ihrer Sicht war der Wahlvorstand bei Erlass des Wahlausschreibens von einer unrichtigen Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder ausgegangen. Seine Entscheidung halte sich auch nicht im Rahmen des Prognose-Ermessens.

Im Jahr 2005 seien im Betrieb Forschung nie mehr als 392 Arbeitnehmer beschäftigt gewesen, im Jahresdurchschnitt 2005 sogar weniger, nämlich rund 340. Herr Dr. B. habe bei seinem Gespräch mit dem Wahlvorstand diesem gegenüber auch erwähnt, dass sich die Personalzahlen 2006 nach einer ersten Personalplanung insgesamt nicht erhöhen, sondern bei 380 Arbeitnehmern einpendeln würden. Auf Nachfrage und zum Hinweis, dass stetig Personal aufgebaut worden sei, habe Herr Dr. B. verdeutlicht, dass dies im Jahr 2005 auf den Einmaleffekt der Übernahme von (15) ehemaligen D. Mitarbeitern aus F. und eine verstärkte Beschäftigung von Doktoranden zurückzuführen gewesen sei. Dabei habe Herr Dr. B. den Wahlvorstand auch an die Betriebsversammlung im November 2005 erinnert, in der er angekündigt hatte, dass aus unternehmenspolitischen Gründen verstärkt Kooperationen mit externen Partnern eingegangen würden, um das hohe Niveau der Forschung zu halten und weiter auszubauen. Deshalb wolle man auch die Zahl der beschäftigten Praktikanten und Werkstudenten im Jahr 2006 verringern.

Dass sich 2005 rechnerisch ein durchschnittlicher Anstieg der Arbeitnehmerzahl um 20 Arbeitnehmer pro Monat ergeben habe, wird bestritten. Rechnerisch habe im zweiten Halbjahr 2005 allenfalls ein Zuwachs von 8 Arbeitnehmern stattgefunden, und dies deshalb, weil ab September 2005 Praktikanten erstmals statistisch in den Personalzahlen erfasst worden seien. Der Forschungsbetrieb beschäftige im Durchschnitt zwischen 20 und 40 Praktikanten. Auch habe es im letzten Quartal 2005 den Einmaleffekt der Übernahme von 15 Arbeitnehmern aus dem D.- Forschungsbetrieb F. gegeben. Dem Wahlvorstand wird angelastet, diese Fakten und absehbare Veränderungen, die auf konkreten personalpolitischen Entscheidungen der Arbeitgeberseite beruhten, unberücksichtigt gelassen zu haben. Eine Korrektur des Wahlausschreibens wäre ohne Weiteres möglich gewesen. Sie hätte keinen größeren zeitlichen oder vermehrten Prüfungsaufwand erfordert, mitzuberücksichtigen bei der Prognose-Entscheidung wären lediglich die Informationen der Arbeitgeberseite gewesen.

Der Betriebsrat hält demgegenüber an seinen Ausführungen fest. Eine Berichtigung des Wahlausschreibens hätte eine betriebsratslose Zeit herbeigeführt. Die Amtszeit des bisherigen Betriebsrats habe am 27. März 2006 geendet. Die Neuwahl sei deshalb auf den 20. März 2006 gelegt worden. Die erste Information habe der Wahlvorstand von Herrn Dr. B. am 7. Februar 2006 bekommen, danach sei eine weitere Unterrichtung am 9. Februar 2006 erfolgt. Hätte der Wahlvorstand ohne weitere Überprüfung und mit sofortiger Ladung seiner Mitglieder noch am 7. Februar 2006 das Wahlausschreiben berichtigt, wäre wegen der Sechswochenfrist des § 3 Abs. 1 WO die Wahl frühestens am 21. März 2006 möglich gewesen. Die konstituierende Sitzung des neu gewählten Betriebsrats hätte dann frühestens am 27. März 2006 und damit nach Ende der Amtszeit des alten Betriebsrats durchgeführt werden können.

Die Arbeitgeberin hält demgegenüber daran fest, dass der Wahlvorstand bei Erlass des Wahlausschreibens am 2. Februar 2006 eine fehlerhafte Prognose-Entscheidung getroffen habe. Im Januar 2006 hätten keine Tatsachen darauf hingedeutet, dass es zu einer Erhöhung der Personalzahlen im Jahr 2006 kommen würde.

Zur Ergänzung des Beteiligtenvorbringens im Beschwerdeverfahren wird Bezug genommen auf die Beschwerdebegründung vom 31. Januar 2007 (Blatt 106 bis 114 der Akte), auf die Beschwerdebeantwortung vom 7. März 2007 (Blatt 121 bis 124 der Akte), auf den Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats vom 25. April 2007 (Blatt 128 bis 130 der Akte), auf den Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin vom 2. Juli 2007 (Blatt 152/153 der Akte) sowie auf die Anhörungsniederschrift vom 24. Juli 2007 (Blatt 159 bis 161 der Akte).

II.

Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 87 Abs. 2, 89 ArbGG, § 66 ArbGG) muss erfolglos bleiben. Die angefochtene Entscheidung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Das Erstgericht hat die angefochtene Betriebsratswahl zu Recht daran scheitern lassen, dass das Wahlausschreiben fälschlicherweise von 11 statt richtigerweise von 9 zu wählenden Betriebsratsmitgliedern ausgegangen sei und sich dieser Umstand auf die Betriebsratswahl auch ausgewirkt habe. Der dazu gegebenen Begründung schließt sich die Beschwerdekammer zunächst einmal an (§ 69 Abs. 2 ArbGG, entsprechende Anwendung).

1. Die Betriebsratswahl vom 20. März 2006 ist nach § 19 Abs. 1 BetrVG unwirksam. Nach dieser Bestimmung kann eine Betriebsratswahl angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Bei der Betriebsratswahl vom 20. März 2006 war gegen § 9 Abs. 1 BetrVG verstoßen worden.

Der Verstoß hat das Wahlergebnis auch beeinflusst.

Nach § 9 Abs. 1 BetrVG besteht der Betriebsrat in Betrieben mit in der Regel 201 bis 400 wahlberechtigten Arbeitnehmern aus neun Mitgliedern, in Betrieben mit in der Regel 401 bis 700 wahlberechtigten Arbeitnehmern aus elf Mitgliedern. Im Betrieb Forschung waren am 2. Februar 2006 zum Zeitpunkt des Wahlausschreibens 398 Arbeitnehmer beschäftigt gewesen. Die Leiharbeitnehmer hatte der Wahlvorstand bei Ermittlung der Zahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer zu Recht nicht mitberücksichtigt (BAG 10. März 2004 - 7 ABR 49/03 - AP Nr. 8 zu § 7 BetrVG 1972). Während des gesamten Jahres 2005 waren in diesem Betrieb Forschung nie mehr als 392 Arbeitnehmer beschäftigt gewesen. Für die Zukunft konnte nicht davon ausgegangen werden, dass die Beschäftigtenzahl in der Regel über 400 liegen werde. Damit hätte ein nur aus neun Mitgliedern bestehender Betriebsrat gewählt werden müssen.

2. Für die Bemessung der Betriebsratsgröße verlangt das Gesetz, dass die in der Staffel genannte Zahl der Arbeitnehmer in der Regel dem Betrieb angehört, das heißt, es muss von dem im "regelmäßigen Gang befindlichen Betrieb" ausgegangen werden (Richardi/Thüsing BetrVG, 10. Auflage, § 9 RNr. 10). Dabei hat der Wahlvorstand dann einen Beurteilungsspielraum. Die zukünftige Entwicklung ist von ihm nur zu berücksichtigen, wenn der Arbeitgeber konkrete Veränderungsentscheidungen getroffen hat. Ist das nicht der Fall, und sei es auch nur, um das Erreichen von Schwellenwerten zu vermeiden, so muss das für den Wahlvorstand maßgeblich sein (Richardi/Thüsing, aaO). Bloße Erwartungen oder auch Hoffnungen und günstige Aussichten berechtigen ihn noch nicht dazu, die Zahl der regelmäßigen Beschäftigten abweichend anzusetzen. Ausgangspunkt ist grundsätzlich die aktuelle Zahl der Arbeitnehmer zum maßgeblichen Zeitpunkt. Da der Betriebsrat für die Zukunft gewählt wird, kommt der vergangenen Entwicklung nur nachgeordnete Bedeutung zu.

Von diesen Grundsätzen ausgehend konnte der Wahlvorstand nach seinem Gespräch mit dem Betriebsleiter Herrn Dr. B. am 24. Januar 2006 nicht davon ausgehen, dass im Betrieb Forschung die Beschäftigungszahl künftig in der Regel bei 401 und mehr Beschäftigten liegen würde. Hatte Herr Dr. B. dem Wahlvorstand doch unbestritten mitgeteilt, dass sich die Personalzahlen 2006 nach einer ersten Personalplanung insgesamt nicht erhöhen, sondern bei 380 Arbeitnehmern einpendeln würden. Auf die stetige Personalaufstockung in den zurückliegenden Monaten angesprochen war vom Betriebsleiter verdeutlicht worden, dass dies im Jahre 2005 auf die Übernahme von 15 ehemaligen D.-Mitarbeitern aus F. und eine verstärkte Beschäftigung von Doktoranden zurückzuführen gewesen sei. Im Jahre 2006 wolle man die Zahl der beschäftigten Praktikanten und Werkstudenten aber wieder verringern.

Nach solchen Mitteilungen konnte der Wahlvorstand bei Formulierung seines Wahlausschreibens von einem Erreichen bzw. Überschreiten des nächsten Schwellenwerts in der Regel nicht mehr ausgehen. Eine Beschäftigtenzahl von 400/401 Beschäftigten im Betrieb Forschung hatte es bislang schon nicht gegeben und dafür, dass dies in der Regel künftig der Fall sein würde, gab es in den Erklärungen des Betriebsleiters Herrn Dr. B. keinerlei Anhalt. Soweit das Erstgericht in diesem Zusammenhang davon gesprochen hat, dass die Prognose-Entscheidung des Wahlvorstands auf fehlerhaften Überlegungen beruhte, stimmt die Beschwerdekammer dieser Beurteilung zu und so verbleibt es bei der tenorierten Unwirksamkeit der Betriebsratswahl vom 20. März 2006.

3. Kosten werden nicht erhoben (§ 2 Abs. 2 GKG).

Ein weiteres Rechtsmittel ist nicht eröffnet (§ 92 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit § 72 Abs. 2 ArbGG).