Unbegründete Anfechtung der Betriebsratswahl bei fehlender Wahlbeeinflussung durch Rundschreiben der Arbeitgeberin zum eingeleiteten Kündigungsverfahren von Wahlbewerbern

LAG München 4 TaBV 77/06 vom 26. Okt. 2006

Leitsatz

1. Zur Androhung von Nachteilen im Sinn des § 20 Abs. 2 BetrVG ist die Zufügung oder Androhung von Nachteilen mit dem (erkennbaren) Ziel der Wahlbeeinflussung erforderlich.

2. Ein Rundschreiben der Arbeitgeberin, das im Wesentlichen über eine aufgefundene E-Mail des Betriebsratsmitglieds und Wahlbewerbers K. mit deren (überzeichneter) Wertung als Verunglimpfung eines nicht namentlich genannten ehemaligen Betriebsratsmitglieds informiert, den dortigen Vorwurf des "Mauschelns" zurückweist, des Weiteren Bezug auf ein Schreiben der Herren K. und L. an den Wahlvorstand nimmt, deren Verhalten als strafbare Handlung im Sinn des § 119 BetrVG würdigt und auf deren deswegen erfolgte Freistellung und Einleitung eines gerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens mit dem Ziel deren Kündigung verweist, begründet in ausreichend greifbarer Form weder eine Wahlbehinderung der Wahlbewerber K. und L. hinsichtlich der Ausübung ihres aktiven und passiven Wahlrechts im Sinn des § 20 Abs. 1 BetrVG noch bereits eine unzulässige Wahlbeeinflussung im Sinn des § 20 Abs. 2 BetrVG.

Gründe

A.

Die antragstellende V. - Beteiligte zu 1. - ficht mit dem vorliegenden Antrag die Neuwahl des Betriebsrats und Beteiligten zu 2. vom 16.09.2005 im Betrieb der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 3. an.

Die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 3. betreibt einen Zeitschriftenverlag mit zum Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Betriebsratswahl im Jahr 2005 (ca.) 63 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Der im Jahr 2002 gewählte dreiköpfige Betriebsrat dieses Betriebes bestand aus den Mitgliedern K. - Betriebsratsvorsitzender -, L. (beide Mitglieder an antragstellenden Gewerkschaft ver.di) sowie Dr. K.; Ersatzmitglied war Dr. E.. Nachdem letzterer im Januar 2005 und das Betriebsratsmitglied Dr. K. am 04.05.2005 von ihrem Amt als (Ersatz)Betriebsratsmitglieder zurückgetreten waren, wurde durch den geschäftsführenden Betriebsrat ein Wahlvorstand für die erforderliche Neuwahl des Betriebsrats bestellt, dem die Betriebsratsmitglieder K. und L. nicht angehörten.

Mit Schreiben vom 01.08.2005 (Anl. K2, Bl. 15 d. A.) wandten sich die Betriebsratsmitglieder K. und L. an den "BR-Wahlausschuss" mit dem Hinweis, dass "laut Betriebsverfassungsgesetz... folgende zehn Beschäftigten sicher als Leitende Angestellte einzustufen (sind):

(es folgen zehn namentlich benannte Personen, darunter die beiden Organgeschäftsführer der Arbeitgeberin sowie Dr. K.)....

Vom Wahlausschuss zu prüfen ist, ob auch die KollegInnen (es folgen die Namen weiterer drei Personen) Leitende Angestellte laut BetrVG sind. Träfe dies zu, würde sich die Zahl der wahlberechtigten RBI-Beschäftigten auf 51 reduzieren.

Fristgerecht beantragen wir abschließend die Liste der Wahlberechtigten für die BR-Wahl RBI Gabrielenstraße entsprechend zu verifizieren."

Mit E-Mail vom 03.08.2005 bezeichnete der Wahlvorstand vier Personen, darunter die beiden Organgeschäftsführer der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 3., als leitende Angestellte und verneinte bei weiteren Arbeitnehmern diesen Status. Nach Darlegung der Beteiligten zu 1. äußerte der Betriebsrat mit E-Mail gleichfalls vom 03.08.2005 unverändert Zweifel und verwies auf die Entscheidungskompetenzen von fünf Arbeitnehmern, darunter Dr. K..

Der Geschäftsführung der Arbeitgeberin wurde der Ausdruck einer E-Mail-Korrespondenz zwischen dem Betriebsratsmitglied K. und dem zuständigen Gewerkschaftssekretär der Beteiligten zu 1. M. vom 05.07./15.07.2005 (Anl. K1, Bl. 14 d. A.) - die nach Behauptung der Beteiligten zu 3. ebenfalls am 03.08.2005 auf einer Toilette aufgefunden worden sei - bekannt, bei der der damalige Betriebsratsvorsitzende K. an Letzteren schrieb:

"...

Nennen wir Ross und Reiter: Ein Ex-BR, der schon zu Amtszeiten seine Hauptaufgabe darin sah, möglichst mit der GL zu mauscheln, hat nach seinem rumpelstilzchenähnlichen Rücktritt als BR Anfang Mai mit aller Macht und Ohnmacht darauf gedrängt, den Wahlausschuss "unverzüglich" zu bestellen... Aber werden wir positiv: L. ist Gott sei Dank wieder zugange, und als geschäftsführende BR sind wir uns einig, die Zahl der leit(d)enden Angestellten im Auswahlverfahren möglichst auch auf den Genannten und andere Mauschler auszudehnen. Da gibt es im BetrVG in Verbindung mit dem SGB V ein paar hübsche "Prominenz"-Paragrafen.

..."

Daraufhin forderte die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 3. das Betriebsratsmitglied L. mit Schreiben vom 08.08.2005 (Anl. K3, Bl. 16/17 d. A.) zur Stellungnahme auf unter Hinweis, dass dieser zusammen mit Herrn K. versuche, missliebige Mitarbeiter daran zu hindern, den Betriebsrat zu wählen und gewählt zu werden, indem diese zu leitenden Angestellten erklärt werden sollten, was sich - unabhängig von der Wortwahl in der E-Mail - daraus ergebe, dass ein konkret benannter Mitarbeiter den leitenden Angestellten zugeordnet werden solle, obwohl dieser bei der letzten Betriebsratswahl ohne Beanstandung des Adressaten gewählt habe und gewählt worden sei und sich an seiner Position im Laufe der Wahlperiode nichts geändert habe. Hierzu nahmen sowohl das Betriebsratsmitglied L. mit Schreiben der ihn vertretenden Gewerkschaft ver.di vom 09.08.2005 (Anl. K5, Bl. 20/21 d. A.) als auch das zu diesem Zeitpunkt im Urlaub befindliche Betriebsratsmitglied K. mit E-Mail vom 08.08.2005 (Anl. K4, Bl. 18/19 d. A.) Stellung und wiesen hierbei insbesondere darauf hin, dass es sich um eine vertrauliche E-Mail-Korrespondenz zwischen Herrn K. und dem Gewerkschaftssekretär M. gehandelt habe, für die das Briefgeheimnis gelte, da sie ohne Wissen des Herrn K. ausgedruckt und vervielfältigt worden sei und deren Inhalt deshalb nicht verwertet und verwendet werden könne, wobei allein der Wahlausschuss über die Zusammensetzung der Wählerliste entscheide. Jeweils mit Schreiben vom 10.08.2005 (Anl. K6 - Bl. 22 bis 27 d. A. und Anl. K6b - Bl. 28 bis 32 d. A.) beantragte die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 3. die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung der Betriebsratsmitglieder K. und L., die hinsichtlich des Betriebsratsmitglieds L. mit vorgelegtem Schreiben des Betriebsrats vom 12.08.2005 (Anl. K7a, Bl. 33 d. A.) verweigert wurde.

Nachdem die Betriebsratsmitglieder K. und L. mit E-Mail-Rundschreiben an die Kolleginnen und Kollegen des Betriebes vom 05.08.2005 (Anl. BG1, Bl. 209/210 d. A.) zur Ansicht des Wahlvorstandes hinsichtlich des Beschäftigtenstatus verschiedener Personen als (nicht-)leitender Angestellter und der gesamten Angelegenheit Stellung genommen hatten, informierte die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 3. ihrerseits die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Rundschreiben vom 17.08.2005 (Anl. K8, Bl. 34/35 d. A.) aus ihrer Sicht über den Vorgang, welches Schreiben auszugsweise folgenden Wortlaut hat:

"...

Am 03.08.2005 wurde auf der Herrentoilette ein vom PC des Herrn K. gefertigter Ausdruck einer E-Mail des Herrn K. an eine betriebsfremde Person gefunden. In der E-Mail wird ein ehemaliges Betriebsratsmitglied verunglimpft und angekündigt, dass Herr K. und Herr L. versuchen wollen, Mitarbeiter an der Ausübung des Wahlrechts zu hindern, die aus ihrer Sicht missliebig sind.

Über den ehemaligen Betriebsrat wird in der E-Mail behauptet, er habe seine "Hauptaufgabe" darin gesehen "möglichst mit der Geschäftsleitung zu mauscheln". Wir halten fest, dass die Geschäftsleitung zu keinem Zeitpunkt mit einem Betriebsrat "gemauschelt" hat, also zu keinem Zeitpunkt heimliche Absprachen oder heimliche Vereinbarungen getroffen hat.

...

Des Weiteren heißt es in der E-Mail, Herr K. sei sich mit Herrn L. "als geschäftsführende Betriebsräte" einig, "die Zahl der leitenden Angestellten im Auswahlverfahren möglichst auch auf den Genannten und andere "Mauschler" auszudehnen". Mit andren Worten: Die Herren K. und L. versuchen, aus ihrer Sicht missliebige Mitarbeiter daran zu hindern, den Betriebsrat zu wählen und gewählt zu werden. Dies soll dadurch geschehen, dass diese Mitarbeiter zu leitenden Angestellten erklärt werden, die nach dem BetrVG weder wahlberechtigt noch wählbar sind.

Mit Schreiben an den Wahlvorstand vom 01.08.2005 haben die Herren K. und L. dann ihr Vorhaben in die Tat umgesetzt. Sie haben dort sämtlich erklärt, dass die Mitarbeiter, die von Herrn K. als "Mauschler" diffamiert wurden "sicher" als leitende Angestellte einzustufen seien. Den Herren K. und L. war dabei bewusst, dass es sich bei dem als "Mauschler" diffamierten Mitarbeiter nicht um einen leitenden Angestellten im Sinne des BetrVG handelt. Dies ergibt sich zwingend schon daraus, dass die Herren K. und L. bei der letzten Betriebsratswahl und auch während der Wahlperiode keinerlei Einwände dagegen geltend gemacht haben, dass der als "Mauschler" diffamierte Mitarbeiter an der Betriebsratswahl teilgenommen hat, zum Betriebsrat gewählt worden ist und sein Amt ausgeübt hat. Wenn es sich "sicher" um einen leitenden Angestellten handeln würde, so hätten die Herren K. und L. dies nicht hinnehmen dürfen.

Verstöße gegen das Verbot der Wahlbehinderung und Wahlbeeinflussung stellen eine strafbare Handlung dar, die nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mit Geld- oder Freiheitsstrafe bedroht ist. Unabhängig von der strafrechtlichen Bewertung ist eine weitere Zusammenarbeit mit den Herren K. und L. nicht möglich. Denn sie haben versucht, durch ihre Schreiben an den Wahlausschuss zu erreichen, dass aus ihrer Sicht missliebige Mitarbeiter an der Ausübung des Wahlrechts gehindert werden. Da sich das Verbot der Wahlbeeinflussung gegen sämtliche Arbeitnehmer richtet, ist es irrelevant, dass die beiden Herren nicht Mitglied des Wahlausschusses sind.

Hinzu kommt, dass Herr K. mindestens einen anderen Mitarbeiter gegenüber betriebsfremden Dritten auf übelste Weise diffamiert hat. Der Vollständigkeit halber dürfen wir betonen, dass uns keine nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die E-Mail des Herrn K. unter Verletzung des "Postgeheimnisses" auf die Herrentoilette gelangt ist. Im Übrigen hat Herr K. den Inhalt der E-Mail bestätigt und betont, dass er zu dem Inhalt stehe.

Da die Herren K. und L. als Betriebsräte Sonderkündigungsschutz genießen, mussten wir beim Arbeitsgericht beantragen, dass die Zustimmung des Betriebsrats zu dem Ausspruch von Kündigungen ersetzt wird bzw. dass die beiden Herren aus dem Betriebsrat ausgeschlossen werden. Wir haben die beiden Herren bis auf Weiteres freigestellt".

Zeitgleich mit diesem Rundschreiben an die Belegschaft stellte die Arbeitgeberin die Betriebsratsmitglieder K. und L. von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei und erteilte ihnen Hausverbot (Schreiben ebenfalls vom 17.08.2005, Anl. K9, Bl. 37 d. A.), welches nicht deren Status als Wahlbewerber und Wähler im Rahmen der anstehenden Betriebsratswahl betraf und auch insoweit nicht galt, als "die Erledigung etwaiger Betriebsratstätigkeiten die Anwesenheit in unseren Räumlichkeiten zwingend erfordert". Ebenfalls am selben Tag reichte die Arbeitgeberin beim Arbeitsgericht München einen Antrag auf gerichtliche Ersetzung der verweigerten Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung der Betriebsratsmitglieder K. und L. ein (diese Verfahren sind zwischenzeitlich eingestellt, nachdem den Kündigungsschutzklagen beider Betriebsratsmitglieder jeweils durch, offensichtlich rechtskräftige, Entscheidung des Arbeitsgerichts München stattgegeben wurde).

Mit weiterem Rundschreiben vom 29.08.2005 (Anl. AG1, Bl. 59 d. A.) wandte sich der "Betriebsrat der RBI GmbH" erneut an die Kolleginnen und Kollegen im Betrieb.

Die früheren Mitglieder des Betriebsrats K. und L. wurden als Wahlbewerber der Betriebsratswahl vom 16.09.2005 nicht wiedergewählt; Vorsitzender des neugewählten Betriebsrats ist nunmehr Dr. K..

Wegen des unstreitigen Sachverhalts im Übrigen und des Vorbringens sowie der Anträge der Beteiligten im Ersten Rechtszug wird auf die ausführliche Sachverhaltsdarstellung unter Ziff. I. der Gründe des angefochtenen Beschlusses des Arbeitsgerichts München vom 13.04.2006, der den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin am 24.05.2006 zugestellt wurde, Bezug genommen, mit dem dieses den Wahlanfechtungsantrag der Gewerkschaft ver.di mit der Begründung abgewiesen hat, dass durch die Beteiligte zu 3. kein Verstoß gegen § 20 BetrVG in Form einer Wahlbehinderung der Mitarbeiter L. und K. oder einer unberechtigten Wahlbeeinflussung stattgefunden habe. § 20 Abs. 1 BetrVG schütze den äußeren Ablauf der Wahl, weshalb Arbeitnehmer nicht in der Ausübung des aktiven oder passiven Wahlrechts beschränkt werden dürften, was beides nicht vorgelegen habe - die Durchführung des Kündigungsschutzverfahrens, die Einleitung des Zustimmungsersetzungsverfahrens und auch die Freistellung und das Hausverbot hätten die Wahlmöglichkeiten der Mitarbeiter K. und L. nicht beeinträchtigt, da diese aufgrund des bestehen gebliebenen Betretungsrechts des Betriebs sowohl ihr aktives als auch ihr passives Wahlrecht ausüben und durch Mitteilungen gegenüber den Mitarbeitern von ihrem Wahlwerberecht Gebrauch machen hätten können. Diese Maßnahmen hätten sich nicht gegen die sonstige Belegschaft gerichtet, sondern lediglich gegen die Mitarbeiter L. und K., wobei auch keine hinreichenden Indizien dafür vorlägen, dass eine mittelbare Beeinflussung der Wahl stattgefunden habe - was jedenfalls nicht als maßgebliche Zielrichtung dieser Maßnahmen anzusehen gewesen sei. Die Beteiligte zu 3. habe aus den vorgelegten Unterlagen den Schluss gezogen, dass hierin ein Verhalten der Mitarbeiter L. und K. gelegen habe, das eine außerordentliche Kündigung dieser Personen gerechtfertigt habe, ohne dass das Vorgehen der Beteiligten zu 3. völlig an den Haaren herbeigezogen gewesen wäre und diese lediglich den Versuch unternommen hätte, ihrerseits missliebige Wahlbewerber auszuschalten, weshalb sie durch die Darstellung in ihrem Schreiben vom 17.08.2005 insoweit dem Eindruck der Belegschaft vorbeugen habe können, die Mitarbeiter L. und K. hätten sich hinsichtlich eines strafbaren Verhaltens zu Lasten der Arbeitgeberin etwas zuschulden kommen lassen. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Beteiligte zu 3. sich die E-Mail vom 05.07.2005 nachweislich in unrechtmäßiger Weise verschafft habe, wobei im Rundschreiben der Beteiligten zu 3. aus dieser E-Mail-Korrespondenz lediglich - nicht in verfälschender Art und Weise - zitiert worden sei, wobei auch die Schlussfolgerungen hieraus seitens der Beteiligten zu 3. keine wahrheitswidrige Darstellung enthalten hätten. Der Inhalt der E-Mail vom 05.07.2005 in Verbindung mit dem Schreiben an den Wahlvorstand habe für die Beteiligte zu 3. tatsächlich den Verdacht nahe gelegt, dass es hier nicht darum gegangen sei, die Rechte hinsichtlich der Überprüfung von Wahlbewerbern als leitender Angestellter zu wahren, sondern versucht hätte werden sollen, missliebige Konkurrenten auszuschalten.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1. mit Schriftsatz vom 21.06.2006, am selben Tag zunächst per Telefax beim Landesarbeitsgericht München eingegangen, zu deren Begründung sie mit Schriftsatz vom 24.07.2006, am 25.07.2006 beim Landesarbeitsgericht München eingegangen, - somit verspätet -ausgeführt hat, dass das Arbeitsgericht insbesondere die Darstellung der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 3. in ihrem Rundschreiben vom 17.08.2005 unrichtig gewertet habe, da die dort in Bezug genommenen Ausführungen im Schreiben vom 05.07.2005 gegenüber dem Gewerkschaftssekretär M. in keinster Weise den Inhalt enthielten, den die Arbeitgeberin im Schreiben vom 17.08.2005 an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter daraus gemacht habe. Im Schreiben vom 05.07.2005 könne weder eine Verunglimpfung gesehen werden noch sei diesem zu entnehmen, dass Mitarbeiter an der Ausübung des Wahlrechts gehindert hätten werden sollen, die aus Sicht der Betriebsratsmitglieder K. und L. missliebig gewesen wären, weshalb der Vorwurf, letztere hätten ihrerseits den Versuch unternommen gehabt, die Wahl zu beeinflussen bzw. Wahlbewerber an der Teilnahme an der Wahl zu behindern, fehlgehe. Von der Rechtsprechung sei anerkannt, dass im Rahmen der Wahlwerbung sogar Propaganda gegen andere Kandidaten gemacht werden könne, ohne dass dies bereits eine unzulässige Wahlbeeinflussung darstelle. Dem Schreiben vom 05.07.2005 sei auch keine diffamierende und grob wahrheitswidrige Äußerung gegenüber einer bestimmten Person zu entnehmen - dieses stelle lediglich einen Gedankenaustausch zwischen dem Verfasser des Schreiben und dem betreuenden Gewerkschaftssekretär der Gewerkschaft ver.di als Empfänger dar und habe quasi "terminsvorbereitenden" Charakter gehabt. Die Arbeitgeberin habe den Inhalt dieser E-Mail vom 05.07.2005 deshalb drastisch verändert und aus dem Zusammenhang gegriffen. Auch sei es das legitime Recht eines jeden Arbeitnehmers, Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste einzulegen, was mit dem Schreiben des Betriebsrats vom 01.08.2005 an den Wahlvorstand geschehen sei. Ob diesem Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste stattgegeben werde oder nicht, entscheide ausschließlich der Wahlvorstand. Dies habe die Arbeitgeberin in ihrem Rundschreiben vom 17.08.2005 völlig verschwiegen und sogar behauptet, dass die legitime Antragstellung an den Wahlvorstand als Wahlbehinderung anzusehen sei. Die Information in dieser verkürzten und von der Wortwahl eindeutig zu Lasten der Betriebsratsmitglieder K. und L. gehenden Aussage sei deshalb sehr wohl geeignet gewesen, bei den Adressaten den Eindruck zu erwecken, es bestehe überhaupt kein Zweifel mehr daran, dass das Verhalten der Herren K. und L. geeignet sei, eine strafbare Handlung darzustellen, weshalb sofortige arbeitsrechtliche Konsequenzen gezogen und deren Kündigungen vorbereitet werden müssten. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Arbeitgeberin seien als Leser dieses Rundschreibens vom 17.08.2005, in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu den stattfindenden Betriebsratswahl, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von der Stimmabgabe zugunsten der Herren K. und L. abgehalten worden, da vor der Wahl praktisch kein Raum mehr geblieben sei, sich über die tatsächlichen Vorgänge ein Bild zu machen, weshalb die Wähler sich vermutlich dahingehend beeinflussen hätten lassen, die Herren K. und L. nicht zu wählen. Darüber hinaus seien die Mitarbeiter K. und L. durch die Einleitung des Kündigungsverfahrens, insbesondere durch das Zustimmungsersetzungsverfahren sowie das Hausverbot und die Freistellung, in ihren Rechten behindert und bei den übrigen Beschäftigten hierdurch der Eindruck erweckt worden, der Arbeitgeber habe Gründe, die ihn zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung berechtigen würden.

Zur Begründung ihres Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist trägt die Antragstellerin und Beteiligte zu 1. vor, dass die langjährige Mitarbeiterin ihrer Rechtsstelle die Beschwerdeeinlegungsfrist im Kalender korrekt auf den 26.06.2006 und gleichzeitig die Beschwerdebegründungsfrist mit dem 26.07.2006 notiert gehabt habe, da diese davon ausgegangen sei, dass letztere, ausgehend von der alten Fristberechnung, mit diesem Datum enden würde, obwohl sie als langjährig bewährte Verwaltungskraft in Rechtsstellen des D. bzw. vormals der Ö.-Bezirksverwaltung über die korrekte Fristberechnung belehrt worden sei und diese gekannt habe. Mit Diktat vom 18.07.2006 habe die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin als Sachbearbeiterin dieses Verfahrens den Begründungsschriftsatz zum Schreiben gegeben, den die Verwaltungskraft am 19.07.2006 beginnend gefertigt und am 24.07.2006 fertiggestellt habe. Bei erneuter Fristenkontrolle am 25.07.2006 sei seitens der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1. festgestellt worden, dass die Beschwerdebegründungsfrist falsch mit dem 26.07.2006 notiert gewesen sei, weshalb diese schuldlos versäumt worden sei, da die Verfahrensbevollmächtigte ihrerseits alles Erforderliche getan gehabt habe, um fristgerecht die Beschwerdebegründung zu fertigen.

Die Antragstellerin und Beteiligte zu 1. beantragt:

1. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist.

2. Der Beschluss des ArbG München vom 13.4.06, zugestellt am 25.4.06, Az.: 3 BV 338/05, wird aufgehoben.

3. Die Betriebsratswahl vom 16.9.2005 wird für unwirksam erklärt.

Der Betriebsrat und Beteiligte zu 2. trägt zur Begründung seines Antrages auf Zurückweisung der Beschwerde vor, dass der Wiedereinsetzungsantrag unbegründet sei, da nach dem Vortrag der Antragstellerin und Beschwerdeführerin auch die Fristberechnung nach altem Recht falsch gewesen wäre und dieser auch inhaltlich argumentativ nicht zu überzeugen vermöge.

Zum Vorbringen in der Beschwerde trägt der Betriebsrat vor, dass die dortige Begründung den allzu durchschaubaren Versuch darstelle, durch eine hanebüchene Verdrehung von Tatsachen den nicht bestreitbaren Wahlmanipulationsversuch zweier ehemaliger Betriebsräte in das Gegenteil zu verkehren, da diese ihrerseits versucht hätten, die Wahl zu beeinflussen oder missliebige Wahlbewerber von der Wahl auszuschließen - nicht seitens der Beteiligten zu 3. eine Wahlbehinderung oder Wahlbeeinflussung im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes gegeben gewesen sei. Ein klarerer Verstoß gegen § 20 Abs. 1 BetrVG als das Verhalten der Betriebsräte L. und K., missliebige Mitarbeiter bzw. Wahlbewerber durch Zuordnung zum Kreis der leitenden Angestellten an der Wahl des Betriebsrats zu hindern bzw. gewählt zu werden, sei schwer vorstellbar. Diesen sei es zur Erhöhung ihrer eigenen Wahlchancen und zur Schaffung eines ihnen genehmen Betriebsrats darum gegangen, die Zahl der aktiv und passiv Wahlberechtigten zu reduzieren. Das Schreiben der Mitarbeiter K. und L. vom 01.08.2005 an den Wahlvorstand sei mitnichten die legitime Ausübung eines Einspruches gegen die Wählerliste gemäß § 4 WO gewesen, schon deshalb nicht, weil der Einspruch kraft Gesetzes ausgeschlossen gewesen sei, soweit er darauf gestützt werde, dass die Zuordnung zu den leitenden Angestellten im Sinne des § 18a BetrVG fehlerhaft erfolgt sei. Die Reaktion der Beteiligten zu 3. hierauf - die sich zu diesem Zeitpunkt bereits zur außerordentlichen Kündigung der Mitarbeiter K. und L. entschlossen gehabt habe - habe nicht die erkennbare Zielrichtung gehabt, ihrerseits eine Diffamierung der Betroffenen herbeizuführen, sondern sei allein Ausdruck ihrer rechtlichen Einschätzung des Verhaltens beider Mitarbeiter gewesen, wobei die Beschwerdeführerin unterschlage, dass die beiden Mitarbeiter K. und L. unverändert Einflussmöglichkeiten auf die Belegschaft gehabt hätten und E-Mails über den Firmenverteiler frei versenden sowie Betriebsratssprechstunden durchführen hätten können. Die Mitarbeiter K. und L. hätten sich bis heute nicht vom Inhalt der streitgegenständlichen E-Mails distanziert und damit ihre Urheberschaft eingeräumt, wobei diese E-Mails von der Beteiligten zu 3. nicht der Belegschaft zugänglich gemacht seien, sondern lediglich unverfälscht aus diesen zitiert worden sei, ohne dass ein unrichtiger Eindruck über deren Inhalt vermittelt worden wäre. Zur Einleitung des Kündigungsverfahrens bzw. des Zustimmungsersetzungsverfahrens nebst Hausverbot sei die Beteiligte zu 3. schon aufgrund der einzuhaltenden gesetzlichen Fristen gehalten gewesen.

Die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 3. trägt zur Begründung ihres Antrages auf Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages sowie der Beschwerde vor, dass ersterer unbegründet sei, da bereits keine konkreten Tatsachen dafür vorgetragen seien, dass es sich bei der Büroangestellten um eine "langjährig bewährte Verwaltungskraft" handle, und die Prozessbevollmächtigte der Beschwerdeführerin es überdies versäumt habe, bereits am 18.07.2006 eine Fristenkontrolle durchzuführen, wozu sie selbst bei Übertragung der Fristberechnung auf sorgfältig ausgewähltes und bewährtes Büropersonal verpflichtet gewesen wäre.

Die Beschwerde sei unbegründet, da das Schreiben der Arbeitgeberin vom 17.08.2005 an die Belegschaft keine wahrheitswidrige Darstellung beinhaltet habe und auch in den getroffenen Schlussfolgerungen zumindest nachvollziehbar sei, wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt habe. Die Ausführungen in der Beschwerdebegründung erschöpften sich zumal hinsichtlich der Behauptungen zu einer erfolgten Wahlbeeinflussung in reinen Spekulationen. Die Beschwerdeführerin werde selbst nicht behaupten wollen, die Herren K. und L. wären ohne das Schreiben vom 17.08.2005 von allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gewählt worden, zumal das beanstandete Schreiben der Arbeitgeberin vom 17.08.2005 stamme, während die Betriebsratswahl erst einen Monat später, am 16.09.2005, stattgefunden habe. Die Arbeitgeberin habe die E-Mail vom 05.07.2005 auch nicht in unrechtmäßiger Weise erlangt, nachdem diese unstreitig von mehreren Mitarbeitern der Arbeitgeberin auf einer Toilette aufgefunden und der Geschäftsführung übergeben worden sei. Auch sei nach § 20 Abs. 2 BetrVG nicht jede Beeinflussung der Wahl des Betriebsrats untersagt, sondern nur eine solche durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen - welches die Beschwerdeführerin nicht einmal darlegen könne. Mit ihrem Schreiben vom 17.08.2005 habe die Arbeitgeberin auch auf die E-Mail der Herren K. und L. vom 05.08.2005 an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter reagiert, weshalb bereits diese die E-Mail vom 05.07.2005 zum Gegenstand der Diskussion in der Betriebsöffentlichkeit gemacht gehabt hätten.

Wegen des Sachvortrags der Beteiligten im Beschwerdeverfahren im Übrigen wird Bezug genommen auf die Schriftsätze vom 24.07.2006, vom 16.10.2006 und vom 25.10.2006, nebst der vorgelegten Anlagen, sowie auf die Sitzungsniederschrift der mündlichen Anhörung vom 26.10.2006.

B.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

I.

1. Die Beschwerde der Antragstellerin und Beteiligten zu 1. ist statthaft (§§ 87 Abs. 1 ArbGG) und form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 67 Abs. 2 i. V. m. 66 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ArbGG, 519 ZPO).

2. Der Beschwerdeführerin ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist zu gewähren (§ 233 ZPO).

Das Vorbringen im form- und fristgerecht gestellten Wiedereinsetzungsantrag (§§ 234 Abs. 1 und Abs. 2, 236 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO, 87 Abs. 2 i. V. m. 66 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ArbGG, 520 ZPO) ist geeignet, fehlendes - der Antragstellerin und Beschwerdeführerin allein zurechenbares - Verschulden ihrer Verfahrensbevollmächtigten hinsichtlich der Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist (§ 233 ZPO) zu begründen, da sie vorgetragen und ausreichend glaubhaft gemacht hat, dass allein eine langjährig tätige und bewährte - belehrte und kontrollierte - Verwaltungskraft den Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist versehentlich falsch notiert hatte - welches Verschulden somit der Beschwerdeführerin nicht mehr zuzurechnen ist (§ 85 Abs. 2 ZPO; vgl. zuletzt etwa BGH, B. v. 23.05.2006, NJW 2006, S. 2638 f; B. v. 06.02.2006, NJW 2006, S. 1520 f; B. v. 20.12.2005, VersR 2006, S. 812; siehe auch Born, NJW 2005, S. 2042 f/2045 f).

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin und Beteiligten zu 1. ist unbegründet. Das Arbeitsgericht, auf dessen Ausführungen zunächst Bezug genommen wird (§§ 87 Abs. 2, 69 Abs. 2 ArbGG), hat den Antrag auf Anfechtung der Betriebsratswahl vom 16.09.2005 zutreffend zurückgewiesen.

Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen wird im Wesentlichen ergänzend und zusammenfassend auf Folgendes hingewiesen.

1. Dass die Betriebsratswahl vom 16.09.2005 bereits nichtig gewesen sein sollte, scheidet aus. Eine Nichtigkeit wird weder von der Antragstellerin/Beschwerdeführerin geltend gemacht noch gäbe es hierfür Anhaltspunkte, zumal aus nachstehenden Gründen die Wahl nicht einmal mit Erfolg angefochten werden kann.

2. Auch die - fristgerecht erfolgte (§ 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG) - Wahlanfechtung der anfechtungsberechtigten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di (§ 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG) bleibt ohne Erfolg.

a) Eine Betriebsratswahl kann beim Arbeitsgericht angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden, eine Berichtung nicht erfolgt ist und eine Änderung oder Beeinflussung des Wahlergebnisses durch den Verstoß nicht ausgeschlossen werden kann (§ 19 Abs. 1 BetrVG).

Hier kommt allein ein Verstoß gegen die Vorschriften über das Wahlverfahren nach den Grundsätzen des § 20 BetrVG in Frage, wonach ein Verfahrensverstoß, mit Anfechtungsfolge gemäß § 19 BetrVG, dann gegeben ist, wenn, hier, die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 3. durch ihr Verhalten im Vorfeld der Betriebsratswahl vom 16.09.2005 und insbesondere ihr Rundschreiben an die Belegschaft vom 17.08.2005

- entweder die Wahl des Betriebsrats behindert hat (§ 20 Abs. 1 Satz 1 BetrVG),

- oder ein Arbeitnehmer in der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts beschränkt wurde (§ 20 Abs. 1 Satz 2 BetrVG),

- oder - insbesondere - die Betriebsratswahl durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen beeinflusst wurde (§ 20 Abs. 2 BetrVG).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

Eine Behinderung eines Arbeitnehmers - insbesondere der früheren Betriebsratsmitglieder und Wahlbewerber K. und L. - in der Ausübung deren aktiven und passiven Wahlrechts gemäß § 20 Abs. 1 BetrVG lag nicht vor - trotz des zeitgleich mit dem Schreiben an die Belegschaft vom 17.08.2005 erteilten Hausverbotes konnten diese unstreitig weiter ihrer Betriebsratstätigkeit im kollektivrechtlichem Sinne nachgehen und vor allem auch uneingeschränkt als Wahlbewerber und Wähler tätig werden (wie sich auch an deren dokumentierten Rundschreiben an die Belegschaft vom 05.08.2005 und vom 29.08.2005 zeigt). Dass diese ungeachtet dessen insbesondere in ihrer letzteren Funktion konkret behindert worden wären, ist weder vorgetragen noch sonst erkennbar.

Auch das - wenngleich allerdings erstaunliche und erkennbar überreagierende - Verhalten der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 3. begründete auch nach Auffassung der Beschwerdekammer noch keine ausreichend konkret verifizier-/greifbare Androhung von Nachteilen im Sinne des § 20 Abs. 2 BetrVG.

aa) Zwar war das Vorgehen der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 3. gegenüber den ehemaligen Betriebsratsmitgliedern und Wahlbewerbern bei der erforderlichen Neuwahl des Betriebsrats am 16.09.2005 K. und L. - beide Mitglieder der antragstellenden Gewerkschaft - nach Auffassung der Beschwerdekammer in offensichtlicher Weise überzogen:

Die E-Mail-Korrespondenz zwischen dem ehemaligen Betriebsratsmitglied K. und dem Gewerkschaftssekretär M. vom 05./15.07.2005 war ohne weiteres erkennbar rein intern, in erkennbar vertraulichem persönlichen - flapsigen und lockeren -Ton gehalten und auf der Hand liegend nicht für Dritte bestimmt. Wenn eine solche Korrespondenz in ausgedruckter Form - und unter allerdings auf den ersten Blick dubiosen Umständen (Fund in einer Toilette...!?) - an die Betriebsöffentlichkeit bzw. zur Kenntnis der Geschäftsführung gelangte, mögen sich die Arbeitgeberin - und der mit dieser bzw. weniger mit den damaligen Betriebsratsmitgliedern K. und L. sympathisierende Teil der Belegschaft - zunächst an dessen Inhalt/Tendenz gestoßen haben - bereits hieraus einen Vorwurf eines (versuchten) "Wahlmanipulationsversuchs" seitens dieser ableiten zu wollen, ist erkennbar verfehlt.

Manifestiert hatte sich die hiernach offensichtliche Intention/Strategie der ehemaligen Betriebsratsmitglieder K. und L., möglichst einige oder mehrere (wohl als arbeitgebernäher angesehene) "leitendere" Angestellte - darunter wohl vor allem das frühere Betriebsratsmitglied Dr. K. - als leitende Angestellte im rechtlichen Sinne aus der Wählerliste herausnehmen zu lassen zu versuchen (und diese(n) damit als auch nicht passiv wählbar zu statuieren), nach Außen allein im Schreiben beider Betriebsratsmitglieder vom 01.08.2005 an den Wahlvorstand mit der Nennung von zehn (13) Personen (darunter die beiden Organgeschäftsführer der Arbeitgeberin !) als behaupteter leitender Angestellter. Dieses Schreiben stellte erkennbar einen Einspruch gegen die Wählerliste gemäß § 4 Abs. 1 WO dar (wieso der Möglichkeit eines Einspruches § 4 Abs. 2 Satz 2 WO entgegengestanden haben sollte, wie der Betriebsrat in der Beschwerdebeantwortung vom 16.10.2006 mutmaßen will, verschließt sich der Beschwerdekammer - nachdem offensichtlich, mangels Bestehens eines Wahlvorstands für eine Sprecherausschusswahl, ein Zuordnungsverfahren gemäß § 18a BetrVG nicht stattgefunden hatte/stattfinden konnte...). Auch ein solcher Einspruch ging naturgemäß nur den Wahlvorstand - nicht die Arbeitgeberin oder die Betriebsöffentlichkeit unmittelbar - etwas an. Über den Einspruch gegen die Wählerliste hatte allein, autonom, der Wahlvorstand zu entscheiden (§ 4 Abs. 2 Satz 1 WO).

Im Übrigen überzeichnen/dramatisieren die Arbeitgeberin und der nunmehrige Betriebsrat als Beteiligte zu 2. und 3. die Diktion des Schreibens vom 01.08.2005 an den Wahlvorstand argumentationsstrategisch ersichtlich, wenn sie aus der dortigen Ausdrucksweise, im Zusammenhang mit der ihnen danach zur Kenntnis gelangten E-Mail-Korrespondenz vom 05./15.07.2005, - dass "laut BetrVG... folgende zehn Beschäftigte sicher (Hervorhebung durch das Gericht) als Leitende Angestellte einzustufen" seien - ihrerseits bereits einen Verstoß der einspruchseinlegenden damaligen Betriebsratsmitglieder und Wahlbewerber K. und L. gegen § 20 BetrVG wegen "Versuches einer Wahlmanipulation" ableiten wollen. Unabhängig von subtileren Überlegungen zur Semantik dieser Ausdrucksweise - ob der Begriff "sicher" als "mit Sicherheit" im verstärkenden und suggestiven Sinn oder, lediglich die Rechtsmeinung der Verfasser betonend, etwa als "sicherlich" o. ä. für den Wahlvorstand als Empfänger anzusehen sein musste - artikuliert dieser Einspruch schlicht die, nach den Umständen wohl auch taktisch motivierte, Meinung, die dort aufgelisteten Personen seien nach Ansicht der Verfasser dieses Schreiben als leitende Angestellte im eigentlichen Sinn anzusehen, mit der Bitte um entsprechende "Verifizierung" der Liste der Wahlberechtigten. Die Entscheidung hierüber war aber auf der Hand liegend eben allein vom Wahlvorstand zu treffen (dem die Wahlbewerber und Betriebsratsmitglieder K. und L. nicht angehörten) - was sowohl den Betriebsratsmitgliedern als auch der Arbeitgeberin bekannt sein musste - und wurde offensichtlich auch getroffen. Auch die Beteiligte zu 1. ficht die Betriebsratswahl nicht etwa wegen Verstoßes gegen die Vorschriften über das Wahlrecht oder die Wählbarkeit (§ 19 Abs. 1 BetrVG) wegen der Zulassung leitender Angestellter als aktiv oder passiv wahlberechtigter Arbeitnehmer an.

Die Reaktion der Arbeitgeberin hierauf, deswegen die außerordentlichen Kündigungen der damaligen Betriebsratsmitglieder K. und L. zu betreiben und zunächst jeweils das Zustimmungsverfahren und sodann das gerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren gemäß § 103 Abs. 1 und Abs. 2 BetrVG einzuleiten, war hiernach in offensichtlicher Weise überzogen - nach der maßgeblichen hypothetischen Sicht eines "verständigen Arbeitgebers" war ein derartiges Vorgehen überzeichnet (und wohl nur mit grundsätzlichen Überlegungen erklärbar - wenn der sich aus dem dokumentierten Akteninhalt aufscheinende Riss zwischen den gewerkschaftsnahen Betriebsratsmitgliedern K. und L. und offensichtlich (einem Teil) der übrigen Belegschaft der Arbeitgeberin berücksichtigt wird...).

bb) Andererseits kann auch die Beschwerdekammer, wie das Arbeitsgericht, diesen Geschehnissen - insbesondere dem, jedoch nicht kollektivrechtlichen (ihre Tätigkeit als Betriebsratsmitglieder und vor allem Wahlbewerber betreffenden), Hausverbot, der Einleitung eines Kündigungsverfahrens der damaligen Betriebsratsmitglieder und Wahlbewerber K. und L. und dem Informationsschreiben der Arbeitgeberin an die Belegschaft vom 17.08.2005 - noch nicht bereits eine anfechtungsrelevante Behinderung der Betriebsratswahl in Form einer Beschränkung des aktiven oder passiven Wahlrechts oder insbesondere der Beeinflussung der Wahl durch Androhung von Nachteilen im Sinn des § 20 Abs. 2 BetrVG entnehmen.

Erforderlich ist nach letzterer Regelung die Zufügung oder Androhung von Nachteilen mit dem (erkennbaren) Ziel der Beeinflussung der Wahl. Dass Arbeitnehmer der Beteiligten zu 3. deren angekündigtes Reagieren gegenüber den Wahlbewerbern K. und L. vor dem dargestellten Hintergrund auch nur latent oder subkutan als Drohung mit der Intention der Wahlbeeinflussung gesehen/eingeschätzt haben sollten, vermag die Beschwerdekammer nicht hinreichend greifbar zu erkennen. Solches könnte nur dann angenommen werden, wenn aus der dokumentierten Reaktion der Arbeitgeberin - insbesondere ihrem Rundschreiben an die Betriebsöffentlichkeit vom 17.08.2005 - für den Adressatenkreis dieses Rundschreibens jedenfalls latent fassbar hervorgehen oder nahe liegend zu entnehmen hätte sein müssen (§ 133 BGB), dass etwa eine Wahl der Wahlbewerber K. und L. keinen Sinn habe, weil diese über kurz oder lang durch das eingeleitete Kündigungsverfahren (zunächst arbeitsgerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren) endgültig den Betrieb verlassen würden müssen, oder damit konkretisierbar demonstriert hätte werden sollen, wie die Arbeitgeberin mit ihr nicht genehmen - insbesondere gewerkschaftsnahen -Betriebsratsmitgliedern bzw. Wahlbewerbern umzuspringen beabsichtige u. ä.

Das Rundschreiben der Arbeitgeberin vom 17.08.2005 informiert jedoch im Wesentlichen über die aufgefundene E-Mail des Betriebsratsmitglieds und Wahlbewerbers K. (vom 05./15.07.2005) mit deren (wenngleich überzeichneter) Wertung als Verunglimpfung eines nicht namentlich genannten ehemaligen Betriebsratsmitglieds - für die Betriebsöffentlichkeit offensichtlich unschwer als Dr. K. identifizierbar -, weist den zitierten dortigen Vorwurf des "Mauschelns" zurück, nimmt des Weiteren Bezug auf das Schreiben der Herren K. und L. vom 01.08.2005 an den Wahlvorstand, würdigt deren Verhalten als strafbare Handlung im Sinn des § 119 BetrVG und verweist auf deren deswegen erfolgte Freistellung und Einleitung eines gerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens, mit dem Ziel deren Kündigung.

Weder ergibt sich hieraus in ausreichend greifbarer Form eine Wahlbehinderung der Wahlbewerber K. und L. hinsichtlich der Ausübung ihres aktiven und passiven Wahlrechts im Sinn des § 20 Abs. 1 BetrVG noch - im Vordergrund - bereits eine unzulässige Wahlbeeinflussung im Sinn des § 20 Abs. 2 BetrVG. Weder wurde hierdurch auch der Wahlvorstand auch nur mittelbar unter Druck gesetzt, etwa hinsichtlich des Inhalts einer Entscheidung über den Einspruch der Herren K. und L. vom 01.08.2005 - die Einspruchsfrist des § 4 Abs. 1 WO war ersichtlich längst abgelaufen - noch wurde hierdurch greifbar zumindest latent suggeriert, dass durch das eingeleitete Kündigungs- (zunächst Zustimmungsersetzungs-)Verfahren hinsichtlich der Wahlbewerber K. und L. deren längerfristiger Verbleib im Betrieb ungewiss/unwahrscheinlich und damit deren Wahl kaum sinnvoll sein würden - mit der Folge einer zumindest objektiven Beeinflussung des Wahlverhaltens. Das Schreiben der Arbeitgeberin vom 07.08.2005 an die Betriebsöffentlichkeit akzentuiert erkennbar die Auffassung, dass aus deren Sicht die Arbeitnehmer K. und L. durch den Versuch der Einordnung von Arbeitnehmern als leitender Angestellter ihrerseits eine unzulässige Wahlbehinderung/Wahlbeeinflussung unternommen hätten, und die Arbeitgeberin, ihrem Verständnis entsprechend, hierauf entsprechend reagiert habe. Diese dargestellte Sicht der Arbeitgeberin wurde immerhin konterkariert durch die ihrerseits an die Betriebsöffentlichkeit gerichteten Rundschreiben - wohl jeweils per E-Mail - der Wahlbewerber K. und L. vom 05.08.2005 und sodann vom 29.08.2005 (nachdem zwischen dem Rundschreiben der Arbeitgeberin vom 17.08.2005 und der Wahl am 16.09.2005 ein über vierwöchiger zeitlicher Abstand gegeben war, weshalb auch ausreichend Zeit zur Reaktion und zur Relativierung von Vorwürfen bestand).

Eine in ausreichender Weise erkennbare Intention der Arbeitgeberin hinsichtlich einer Wahlbeeinflussung insbesondere durch Androhung von Nachteilen oder auch eine objektive Wertung des Rundschreibens vom 17.08.2005 als ein solcher objektiver Tatbestand als Voraussetzung für eine Anfechtung gemäß §§ 19 Abs. 1 Satz 2, 20 Abs. 2 BetrVG ist deshalb, mit dem Arbeitsgericht, für die Beschwerdekammer noch nicht ausreichend greifbar - weshalb die Beschwerde zurückzuweisen ist.

III.

Da dem Verfahren über die Klärung der konkreten Problemstellung hinaus keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, bestand für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß §§ 92 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

Gegen diesen Beschluss ist deshalb die Rechtsbeschwerde nur gegeben, wenn sie das Bundesarbeitsgericht auf Grund einer Nichtzulassungsbeschwerde, auf deren Möglichkeit und Voraussetzungen gem. § 92 a ArbGG die Antragstellerin und Beteiligte zu 1. hingewiesen wird, zulassen sollte.