Nichtigkeit einer Betriebsratswahl - Grenzüberschreitende Arbeitnehmerüberlassung

BAG 7 ABR 34/98 vom 22. März 2000

Leitsatz

1. Eine Betriebsratswahl ist nur dann nichtig, wenn gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maße verstoßen worden ist, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr vorliegt.

2. Wird ein Arbeitnehmer von seinem Vertragsarbeitgeber einem anderen Betriebsinhaber zur Arbeitsleistung überlassen und in dessen Betrieb eingegliedert, bleibt er gemäß § 14 Abs. 1 AÜG betriebsverfassungsrechtlich dem Betrieb des Vertragsarbeitgebers zugeordnet. Dies gilt auch für die gesetzlich nicht geregelten Erscheinungsformen der nichtgewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung.

3. § 14 Abs. 1 AÜG ist auch anwendbar, wenn ein in Deutschland ansässiger Vertragsarbeitgeber Arbeitnehmer an den Inhaber eines im Ausland liegenden Betriebs verleiht.

Gründe

A. Die Beteiligten streiten über die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl und darüber, ob dem Betrieb der Arbeitgeberin eine Gruppe von im Ausland zum Einsatz kommenden Lkw-Fahrern betriebsverfassungsrechtlich zuzuordnen ist.

Die Arbeitgeberin, ein Speditionsunternehmen, beschäftigt am Unternehmenssitz in Brühl elf Arbeitnehmer. In den Filialen K., H. und M. sind insgesamt zwölf weitere Arbeitnehmer tätig. Die Arbeitgeberin ist ein Tochterunternehmen der in B. (Italien) ansässigen F.s.r.I. Diese betreibt sowohl eine Spedition als auch ein Fuhrunternehmen. Sie unterhält einen Fuhrpark mit Lastkraftwagen und Sattelzügen und beschäftigt insgesamt 220 Fahrer. Die Arbeitgeberin verfügt über keine eigenen Fahrzeuge. Sie disponiert den Transport von Wechselbrücken zwischen Italien und Deutschland und lässt diesen durch selbständige Subunternehmer durchführen.

Die Arbeitgeberin schloss in ihrer M. Filiale Arbeitsverträge mit 49 in Deutschland wohnhaften Lkw-Fahrern. Diese Arbeitsverträge werden buchhalterisch, lohnsteuerrechtlich und sozialversicherungsrechtlich in M. abgewickelt. Der tatsächliche Einsatz der Lkw-Fahrer wird von der F. Italien gesteuert. Diese setzt die Fahrer auf ihren Fahrzeugen im internationalen Güterfernverkehr ein. Ihr Disponent H. teilt in B. die Touren ein, achtet allerdings nach Möglichkeit darauf, dass die Lkw-Fahrer das Fahrzeug am Wochenende in der Nähe ihres Wohnorts abstellen und die Tour dort montags fortsetzen können. Die F. Italien trifft die Personalentscheidungen und nimmt im Wesentlichen die Urlaubsplanung vor. Die Arbeitgeberin bezahlt entsprechend den ihr von der F. Italien übermittelten Daten die Löhne an die Lkw-Fahrer, erhält die Beträge jedoch in vollem Umfang von der F. Italien erstattet.

Am 7. Juli 1997 fand bei der Arbeitgeberin eine Betriebsratswahl statt. An dieser nahmen auch die Lkw-Fahrer teil. Zu Betriebsratsmitgliedern wurden die Fahrer R., S., B., E. und D. gewählt. Bereits vor der Einleitung der Wahl hatte die Arbeitgeberin das vorliegende Beschlussverfahren eingeleitet, das zunächst gegen die Gewerkschaft ÖTV und auf die Feststellung gerichtet war, "der Betrieb der Antragstellerin" sei "nicht betriebsratsfähig, jedenfalls aber nicht im Hinblick auf die bei der Antragstellerin beschäftigten Lkw-Fahrer". Nach Bildung des Wahlvorstands hatte die Arbeitgeberin ihre Anträge gegen den Wahlvorstand, nach Durchführung der Betriebsratswahl dann während des Beschwerdeverfahrens mit Schriftsatz vom 27. November 1997 gegen den Betriebsrat und die in diesen gewählten Fahrer gerichtet.

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, die Lkw-Fahrer seien betriebsverfassungsrechtlich keine Arbeitnehmer im Betrieb der Arbeitgeberin. Die unter ihrer Beteiligung durchgeführte Betriebsratswahl sei nichtig.

Die Arbeitgeberin hat - nach mehrfacher Antragsänderung - beim Landesarbeitsgericht zuletzt beantragt,

1. festzustellen, dass die Betriebsratswahl nichtig war,

2. hilfsweise festzustellen, dass den 49 bei der Antragstellerin beschäftigten Fahrern das passive und aktive Wahlrecht fehlt,

3. hilfsweise festzustellen, dass den fünf namentlich im Schriftsatz vom 27. November 1997 aufgeführten Arbeitnehmern das aktive und passive Wahlrecht fehlt.

Der Betriebsrat und die Beteiligten 3) bis 7) haben um Zurückweisung der Anträge gebeten. Sie haben die Auffassung vertreten, die von der Arbeitgeberin angestellten Lkw-Fahrer seien deren Betrieb gemäß § 14 Abs. 1 AÜG zuzuordnen.

Das Arbeitsgericht hat den ursprünglichen Antrag der Arbeitgeberin abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Nichtigkeit der Betriebsratswahl festgestellt. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt der Betriebsrat die Abweisung der Anträge der Arbeitgeberin. Die Arbeitgeberin beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Betriebsratswahl zu Unrecht für nichtig erachtet. Auch der erste Hilfsantrag der Arbeitgeberin ist unbegründet. Der zweite Hilfsantrag fiel nicht zur Entscheidung an.

I. Der Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit der Betriebsratswahl ist unbegründet.

1. Der im Rahmen der Beschwerde von der Arbeitgeberin vor dem Landesarbeitsgericht erstmals gestellte Antrag ist zulässig. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über die Sachdienlichkeit der Antragserweiterung ist gemäß § 81 Abs. 3 Satz 3, § 87 Abs. 2 Satz 3 2. Halbsatz ArbGG bindend. Der Antrag ist entgegen der Auffassung des Betriebsrats hinreichend bestimmt. Es ist unschädlich, dass die Arbeitgeberin das Datum der Betriebsratswahl nicht in den Antrag aufgenommen hat. Aus dem Vorbringen der Arbeitgeberin ergibt sich ohne weiteres, dass es um die Betriebsratswahl vom 7. Juli 1997 geht. Die Arbeitgeberin hat ein berechtigtes Interesse an der alsbaldigen Feststellung der Nichtigkeit der Betriebsratswahl. Eine gesetzliche Frist ist für den Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit einer Betriebsratswahl anders als nach § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG für die Anfechtung nicht vorgesehen. Die Nichtigkeit kann vielmehr ohne zeitliche Begrenzung geltend gemacht werden.

2. Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag zu Unrecht für begründet erachtet. Die Betriebsratswahl war nicht nichtig.

a) Die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und einhelliger Auffassung im Schrifttum nur in besonderen Ausnahmefällen anzunehmen, in denen gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maße verstoßen worden ist, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr vorliegt (vgl. etwa BAG 13. November 1991 - 7 ABR 18/91 - BAGE 69, 49, 56 f. = AP BetrVG 1972 § 27 Nr. 3, zu B II 2 a aa der Gründe mit zahlreichen Nachweisen). Es muss demnach sowohl ein offensichtlicher als auch ein besonders grober Verstoß gegen Wahlvorschriften vorliegen.

b) Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Beteiligung der Lkw-Fahrer an der Betriebsratswahl stellte weder einen offensichtlichen noch einen besonders groben Verstoß gegen Wahlvorschriften dar. Den Lkw-Fahrern fehlte nicht offensichtlich das aktive bzw. passive Wahlrecht (§§ 7,8 BetrVG). Immerhin hatten sie alle Arbeitsverträge mit der Arbeitgeberin abgeschlossen. Zwar waren sie nicht in deren betriebliche Organisation eingegliedert, sondern wurden von der italienischen Muttergesellschaft eingesetzt. Bereits angesichts der Regelung des § 14 Abs. 1 AÜG (vgl. dazu noch im einzelnen B. II. 2. der Gründe) folgt hieraus jedoch keineswegs offensichtlich, die Lkw-Fahrer seien betriebsverfassungsrechtlich nicht dem Betrieb der Arbeitgeberin zuzuordnen. Ebenso wenig rechtfertigt die Tatsache, dass sämtliche bei der Betriebsratswahl gewählten Arbeitnehmer zur Gruppe der Lkw-Fahrer gehörten, den vom Landesarbeitsgericht gezogenen Schluss, die Wahl sei deshalb nichtig.

II. Da entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts der Hauptantrag unbegründet ist, musste der Senat über den ersten Hilfsantrag entscheiden. Obwohl im zweiten Rechtszug über diesen Antrag nicht entschieden wurde, fiel er nach zutreffender Auffassung auch ohne Anschlussrechtsbeschwerde der Arbeitgeberin dem Senat zur Entscheidung an (vgl. BAG 19. Juni 1984 - 1 ABR 65/82 - BAGE 46, 107 = AP ZA Nato-Truppenstatut Art. 72 Nr. 1, zu B I 3 der Gründe; BAG 29. September 1993 - 4 AZR 693/92 - BAGE 74, 268 ff.; BGH LM Nr. 1 zu § 525 ZPO; BGH 24. Januar 1990 - VIII ZR 296/88 - DB 1990, 877).

1. Der Antrag ist zulässig. Seine auch im Interesse einer Sachentscheidung gebotene Auslegung ergibt, dass der Antrag nicht auf die Feststellung des derzeit bestehenden aktiven oder passiven Wahlrechts bestimmter einzelner Arbeitnehmer gerichtet ist, sondern es der Arbeitgeberin darum geht, zu klären, ob die Gruppe der Lkw-Fahrer unabhängig von der jeweiligen genauen Anzahl und Zusammensetzung betriebsverfassungsrechtlich ihrem Betrieb zuzuordnen ist (vgl. zu einem solchen Antrag etwa BAG 18. Januar 1989 - 7 ABR 62/87 - BAGE 60, 368, 373 f. = AP AÜG § 14 Nr. 2, zu B I 2 und II der Gründe).

Der so verstandene Antrag ist hinreichend bestimmt im Sinne des auch im Beschlussverfahren entsprechend anwendbaren § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Er betrifft eine abgrenzbare Gruppe von Arbeitnehmern (vgl. BAG 18. Januar 1989 - 7 ABR 62/87 - BAGE 60, 368, 374 = AP AÜG § 14 Nr. 2, zu B II der Gründe).

Die Arbeitgeberin hat an der begehrten Feststellung, welche die zwischen ihr und dem Betriebsrat umstrittene Frage jedenfalls einer generellen Klärung zuführt, ein schützenswertes rechtliches Interesse, wenngleich durch die Entscheidung subjektive Rechtskraft gegenüber den einzelnen derzeitigen oder künftigen Lkw-Fahrern nicht erzeugt wird. Die Streitfrage kann auch als Rechtsverhältnis i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO erachtet werden. Dieser Begriff ist im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren im Interesse der Klärung zwischen den Betriebspartnern streitiger betriebsverfassungsrechtlicher Fragen weit auszulegen.

Die Lkw-Fahrer mussten nicht am Verfahren beteiligt werden. Geht es um die Frage, ob ein in seiner Zusammensetzung sich ändernder Personenkreis der Belegschaft zuzuordnen ist, bedarf es einer Beteiligung der hiervon betroffenen einzelnen Personen nicht (vgl. BAG 10. Februar 1981 - 6 ABR 86/78 - BAGE 35, 59 ff.; Germelmann/Matthes/Prütting ArbGG 3. Aufl. § 83 Rn. 46).

2. Der Antrag ist unbegründet. Die Gruppe der von der Arbeitgeberin angestellten, aber von der F. Italien im wesentlichen tatsächlich eingesetzten Lkw-Fahrer gehört betriebsverfassungsrechtlich zur Belegschaft der Arbeitgeberin. Dies folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 14 Abs. 1 AÜG.

a) aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind betriebszugehörig im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, die in einem Arbeitsverhältnis zum Inhaber des Betriebes stehen und innerhalb der Betriebsorganisation des Arbeitgebers abhängige Arbeitsleistungen erbringen (BAG 18. Januar 1989 - 7 ABR 21/88 - BAGE 61, 7 ff. = AP BetrVG 1972 § 9 Nr. 1, zu B II 1 b der Gründe; BAG 29. Januar 1992 - 7 ABR 27/91 - BAGE 69, 286 = AP BetrVG 1972 § 7 Nr. 1, zu B III 1 a der Gründe; BAG 25. November 1992 - 7 ABR 7/92 - BAGE 72, 12 ff. = AP GesamthafenbetriebsG § 1 Nr. 8, zu B I der Gründe). Zu den konstitutiven Merkmalen der Betriebszugehörigkeit gehören somit grundsätzlich einerseits ein Arbeitsverhältnis zu dem Betriebsinhaber, das in der Regel durch einen Arbeitsvertrag, ausnahmsweise aber auch durch Gesetz wie z.B. nach § 10 Abs. 1 AÜG zustande kommen kann, andererseits eine tatsächliche Eingliederung des Arbeitnehmers in die Betriebsorganisation (BAG 18. Januar 1989 - 7 ABR 21/88 - BAGE 61, 7 ff. = AP BetrVG 1972 § 9 Nr. 1, zu B II 1 b der Gründe). Die Eingliederung setzt nicht voraus, dass der Arbeitnehmer seine Arbeiten auf dem Betriebsgelände verrichtet. Der Betriebsbegriff ist nicht in dem Sinne räumlich zu verstehen, dass mit der Grenze des Betriebsgrundstücks oder der Betriebsräume der Betriebsbereich ende. Vielmehr sind betriebszugehörig auch die einem Betrieb zugeordneten Arbeitnehmer, die ihre Tätigkeit außerhalb der Betriebsräume verrichten (BAG 29. Januar 1992 - 7 ABR 27/91 - BAGE 69, 286 = AP BetrVG 1972 § 7 Nr. 1, zu B III 1 a bb der Gründe). Entscheidend ist, ob der Arbeitgeber mit Hilfe der Arbeitnehmer den arbeitstechnischen Zweck seines Betriebs verfolgt. Daher gehören auch die sog. Außendienstmitarbeiter, wie etwa Bauarbeiter, Kraftfahrer, Monteure, Reiseleiter, Zeitungsausträger zum Betrieb.

bb) Ist der Vertragsarbeitgeber Inhaber mehrerer Betriebe, kommt es für die betriebsverfassungsrechtliche Zuordnung entscheidend darauf an, in welchem Betrieb der Arbeitnehmer tatsächlich eingegliedert ist.

cc) Wird ein Arbeitnehmer von seinem Vertragsarbeitgeber einem anderen Betriebsinhaber zur Arbeitsleistung überlassen und von diesem in dessen Betriebsorganisation tatsächlich eingegliedert, so begründet dies grundsätzlich keine betriebsverfassungsrechtliche Zugehörigkeit zum Betrieb des fremden Betriebsinhabers. Dies zeigt § 14 Abs. 1 AÜG. Danach bleiben Leiharbeitnehmer auch während der Zeit ihrer Arbeitsleistung bei einem Entleiher Angehörige des entsendenden Betriebs des Verleihers. Der Gesetzgeber misst damit im Falle der bei einem Leiharbeitsverhältnis zwischen dem Verleiher (= Vertragsarbeitgeber) und dem Entleiher (= tatsächlicher Arbeitgeber) eintretenden Aufspaltung der Arbeitgeberfunktion unter betriebsverfassungsrechtlichen Gesichtspunkten der auf vertraglichen Grundlagen beruhenden Rechtsbeziehung zum Verleiher ein größeres Gewicht bei als der tatsächlichen Eingliederung in den Betrieb des Entleihers (BAG 18. Januar 1989 - 7 ABR 21/88 - BAGE 61, 7 ff. = AP BetrVG § 9 Nr. 1, zu B II 1 b der Gründe). Der tatsächlichen Eingliederung trägt der Gesetzgeber insofern Rechnung, als durch § 14 Abs. 2 Satz 2 und 3 AÜG dem Leiharbeitnehmer einzelne betriebsverfassungsrechtliche Rechte im Entleiherbetrieb zugebilligt werden. Eine vollständige Betriebszugehörigkeit des Leiharbeitnehmers zum Entleiherbetrieb wird dadurch jedoch nicht begründet (BAG 18. Januar 1989 - 7 ABR 21/88 - BAGE 61, 7 ff. = AP BetrVG 1972 § 9 Nr. 1, zu B II 1 b der Gründe m.w.N.; BAG 25. November 1992 - 7 ABR 7/92 - BAGE 72, 12 ff. = AP GesamthafenbetriebsG § 1 Nr. 8, zu B I der Gründe).

dd) Die betriebsverfassungsrechtliche Vorschrift des § 14 Abs. 1 AÜG ist unmittelbar nur auf die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung anwendbar. Wegen der Vergleichbarkeit der Interessenlage findet sie aber auch auf die gesetzlich nicht geregelten Erscheinungsformen der nichtgewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung entsprechende Anwendung (BAG 18. Januar 1989 - 7 ABR 62/87 - BAGE 60, 368 = AP AÜG § 14 Nr. 2, zu B III 2 b bb der Gründe). Ob ein Verleiher gewerbsmäßig oder nicht gewerbsmäßig handelt, ist für die betriebsverfassungsrechtliche Stellung eines Leiharbeitnehmers rechtlich unbeachtlich. Auch bei einer nichtgewerbsmäßigen Überlassung wird der Leiharbeitnehmer unter Fortbestand seiner arbeitsvertraglichen Beziehungen zum Verleiher in die Betriebsorganisation des Entleihers eingegliedert. Dabei spielt es für die Interessenlage auch keine Rolle, ob der Vertragsarbeitgeber mit der Überlassung einen eigenen arbeitstechnischen Zweck verfolgt.

ee) Diese für das Inland geltenden Grundsätze sind auch in Fällen des Auslandseinsatzes von Arbeitnehmern von Bedeutung. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts richtet sich der räumliche Anwendungsbereich des BetrVG nach dem Territorialitätsprinzip (BAG 25. April 1978 - 6 ABR 2/77 - BAGE 30, 266 = AP Internationales Privatrecht-Arbeitsrecht Nr. 16, zu II 2 a und b der Gründe; BAG 27. Mai 1982 - 6 ABR 28/80 - BAGE 39, 108 = AP BetrVG 1972 § 42 Nr. 3, zu B 2 der Gründe; BAG 10. September 1985 - 1 ABR 28/83 - AP BetrVG 1972 § 117 Nr. 3 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 41, zu B IV 1 a der Gründe; BAG 7. Dezember 1989 - 2 AZR 228/89 - AP Internationales Privatrecht-Arbeitsrecht Nr. 27 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 74, zu I 1 der Gründe). Danach gilt unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Arbeitgebers und der Arbeitnehmer sowie unabhängig von der für die einzelnen Arbeitsverhältnisse maßgeblichen Rechtsordnung für sämtliche inländischen Betriebe - auch ausländischer Unternehmer - das deutsche BetrVG. Dagegen ist es nicht anzuwenden auf die im Ausland gelegenen Betriebe deutscher Unternehmen. Dies bedeutet allerdings nicht, dass deutsches Betriebsverfassungsrecht auf im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer stets unanwendbar wäre. Vielmehr findet es auf diese dann Anwendung, wenn sich die Auslandstätigkeit als "Ausstrahlung" des Inlandsbetriebes darstellt (BAG 25. April 1978 - 6 ABR 2/77 - BAGE 30, 266 = AP Internationales Privatrecht-Arbeitsrecht Nr. 16, zu II 2 c der Gründe; BAG 21. Oktober 1980 - 6 AZR 640/79 - AP Internationales Privatrecht-Arbeitsrecht Nr. 17 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 43, zu II 3 b der Gründe; BAG 7. Dezember 1989 - 2 AZR 228/89 - AP Internationales Privatrecht-Arbeitsrecht Nr. 27= EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 74, zu I 2 der Gründe m.w.N.; Boemke, "Ausstrahlungen" des Betriebsverfassungsgesetzes ins Ausland NZA 1992, 112, 113 ff.; Gaul Betriebsverfassungsrechtliche Aspekte einer Entsendung von Arbeitnehmern ins Ausland, BB 1990, 697 ff.). Dabei geht es nicht um eine Frage des räumlichen, sondern des persönlichen Geltungsbereichs des BetrVG (BAG 7. Dezember 1989 - 2 AZR 228/89 - AP Internationales Privatrecht-Arbeitsrecht Nr. 27 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 74, zu I 2 der Gründe). Es wird nicht der räumliche Geltungsbereich des BetrVG auf das Ausland erstreckt. Vielmehr werden im Ausland tätige Arbeitnehmer vom persönlichen Anwendungsbereich des BetrVG erfasst, weil sie trotz ihrer Auslandstätigkeit einem inländischen und damit im räumlichen Anwendungsbereich des BetrVG liegenden Betrieb zugehören (Boemke a.a.O.). Die Frage, ob ein Arbeitnehmer trotz seiner Auslandstätigkeit dem Inlandsbetrieb zugehört, ist dabei grundsätzlich nach den allgemeinen Kriterien der Betriebszugehörigkeit zu entscheiden (Boemke a.a.O.; Gaul a.a.O.).

Hierzu gehört auch § 14 Abs. 1 AÜG. Die Bestimmung betrifft den persönlichen Anwendungsbereich des BetrVG und stellt für die Fälle, in denen Vertragsarbeitgeber und tatsächlicher Arbeitgeber auseinanderfallen, klar, dass die betriebsverfassungsrechtliche Betriebszugehörigkeit bei dem Arbeitgeber liegt, mit dem der Arbeitnehmer den Arbeitsvertrag abgeschlossen hat. Diese Klarstellung ist auch dann sinnvoll, wenn ein inländischer Vertragsarbeitgeber seine Arbeitnehmer einem ausländischen Arbeitgeber überlässt. Auch in diesen Fällen besteht ein berechtigtes Interesse daran, dass den Arbeitnehmern durch die grenzüberschreitende Verleihung der mit dem Betriebsverfassungsgesetz verbundene kollektivrechtliche Schutz nicht genommen wird. Zwar stehen ihnen in einem solchen Fall die Rechte nach § 14 Abs. 2 Satz 2 und 3 AÜG gegenüber dem ausländischen Arbeitgeber nicht zu. Der deutsche Gesetzgeber kann diesen nämlich nicht verpflichten. Dagegen ist er befugt, die betriebsverfassungsrechtliche Betriebszugehörigkeit zum deutschen Vertragsarbeitgeber zu regeln. Auch § 1 Abs. 3 Nr. 3 AÜG spricht für die grundsätzliche Anwendbarkeit des § 14 Abs. 1 AÜG auf die Fälle, in denen ein inländisches Unternehmen Arbeitnehmer ins Ausland verleiht. Nach dieser Regelung ist das AÜG mit Ausnahme der in § 1 Abs. 3 AÜG genannten Bestimmungen nicht anzuwenden auf die Arbeitnehmerüberlassung in das Ausland, wenn der Leiharbeitnehmer in ein auf der Grundlage zwischenstaatlicher Vereinbarungen begründetes deutsch-ausländisches Gemeinschaftsunternehmen verliehen wird, an dem der Verleiher beteiligt ist. Dies rechtfertigt im Umkehrschluss die Anwendbarkeit des AÜG auf die Fälle, in denen der Entleiher kein solches auf der Grundlage zwischenstaatlicher Vereinbarungen begründetes deutsch-ausländisches Gemeinschaftsunternehmen (joint venture) ist. Auch das Schrifttum hält daher in diesen Fällen das AÜG für den inländischen Teil der grenzüberschreitenden Arbeitnehmerüberlassung für anwendbar (vgl. etwa Schüren AÜG 1994 Einl. Rn. 585, 588; ErfK/Wank AÜG § 1 Rn. 8; Düwell/Kasseler Handbuch zum Arbeitsrecht 2. Aufl. 4.5 Rn. 183).

b) Hiernach sind die von der Arbeitgeberin eingestellten, von der F. Italien eingesetzten Lkw-Fahrer betriebsverfassungsrechtlich der Arbeitgeberin zuzuordnen.

aa) Individualrechtlich waren und blieben die Lkw-Fahrer Arbeitnehmer ihrer Vertragsarbeitgeberin. Die mit diesen geschlossenen Verträgen waren nicht etwa nach § 9 Nr. 1 AÜG unwirksam. Die Überlassung der Lkw-Fahrer an die F. Italien erfolgte nicht gewerbsmäßig i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG. Es fehlt an der hierzu erforderlichen Gewinnerzielungsabsicht der Arbeitgeberin (vgl. BAG 21. März 1990 - 7 AZR 198/89 - BAGE 65, 43 = AP AÜG § 1 Nr. 15, zu I 2 a bb der Gründe m.w.N.). Diese erhält von der F. Italien lediglich die an die Lkw-Fahrer ausbezahlten Beträge und die hierdurch veranlassten öffentlich rechtlichen Abgaben erstattet.

Die Arbeitsverhältnisse zwischen der Arbeitgeberin und den Lkw-Fahrern wurden auch nicht etwa durch die gesetzliche Begründung von Arbeitsverhältnissen zwischen den Lkw-Fahrern und F. Italien beendet. Dies gilt auch, wenn man gemäß § 1 Abs. 2 AÜG vermutet, die Arbeitgeberin habe Arbeitsvermittlung betrieben. Zum einen ist das deutsche AÜG wegen des Territorialitätsprinzips ohnehin nicht geeignet, Arbeitsverhältnisse zwischen den Lkw-Fahrern und F. Italien zu begründen. Zum andern würde eine allein aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes erfolgende erweiternde Auslegung des § 13 AÜG (in der bis 1. April 1997 geltenden Fassung) oder eine analoge Anwendung des § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG es auch nicht rechtfertigen, den Lkw-Fahrern vertraglich begründete Rechte gegenüber ihrer Vertragsarbeitgeberin zu nehmen (vgl. BAG 15. April 1999 - 7 AZR 437/97 - z.Vv., zu II 2 a der Gründe).

bb) Die individualrechtlich bei der Arbeitgeberin verbliebenen Lkw-Fahrer sind deren Betrieb in entsprechender Anwendung des § 14 Abs. 1 AÜG auch betriebsverfassungsrechtlich zuzuordnen. Die Interessenlage ist derjenigen bei der gewerbsmäßigen innerstaatlichen Arbeitnehmerüberlassung vergleichbar. Daher kann dahinstehen, in welchem Umfang die Lkw-Fahrer in den Betrieb der F. Italien in B. tatsächlich eingegliedert sind. Auch kommt es nicht darauf an, ob die Arbeitgeberin mit der Überlassung der Fahrer an die F. Italien einen eigenen arbeitstechnischen Zweck verfolgt. Ebenso ist unerheblich, dass die F. Italien ihren Sitz und Betrieb in Italien hat. Es ist nämlich nicht ersichtlich, dass es sich bei der F. Italien um ein auf der Grundlage zwischenstaatlicher Vereinbarungen begründetes deutsch-ausländisches Gemeinschaftsunternehmen i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 3 AÜG handeln würde. Ferner kommt es auch nicht darauf an, ob die Arbeitgeberin und die F. Italien Konzernunternehmen i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG, § 18 AktG sind. Die Ausnahmeregelung des § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG, die das AÜG auf die Fälle konzerninterner vorübergehender Arbeitnehmerüberlassung weitgehend für unanwendbar erklärt, ist vorliegend schon deshalb nicht einschlägig, weil die Überlassung der Lkw-Fahrer an die F. Italien nicht vorübergehend im Sinne dieser Bestimmung ist. Nicht gefolgt werden kann schließlich auch der Argumentation des Landesarbeitsgerichts, es lägen nicht einmal die Grundvoraussetzungen der Arbeitnehmerüberlassung vor, denn die Arbeitgeberin habe keinen Einfluss auf die Auswahl der Arbeitnehmer ausüben können und an eine Rückkehr der Arbeitnehmer in den Betrieb der Arbeitgeberin sei zu keinem Zeitpunkt gedacht gewesen. Selbst wenn - wozu allerdings konkrete tatsächliche Feststellungen fehlen - die Arbeitgeberin bereits bei der Einstellung der Lkw-Fahrer Vorgaben der F. Italien zu beachten gehabt haben sollte, so wurden doch die Arbeitsverträge von und mit ihr geschlossen. Sie handelte hierbei nicht in fremdem, sondern im eigenen Namen. Auch behauptet keiner der Beteiligten, es habe sich bei den zwischen der Arbeitgeberin und den Lkw-Fahrern geschlossenen Arbeitsverträgen um nichtige Scheingeschäfte i.S.v. § 117 BGB gehandelt. Der Umstand, dass an eine Rückkehr der Lkw-Fahrer an den Ort ihrer Einstellung nicht gedacht, sondern die dauerhafte Überlassung an die F. Italien vorgesehen war, mag die Vermutung der Arbeitsvermittlung nach § 1 Abs. 2 AÜG begründen. Er ändert aber nichts daran, dass die Interessenlage vorliegend derjenigen bei gewerbsmäßiger Arbeitnehmerüberlassung vergleichbar und daher hinsichtlich der betriebsverfassungsrechtlichen Zuordnung die entsprechende Anwendung des § 14 Abs. 1 AÜG geboten ist.

III. Der zweite Hilfsantrag fiel dem Senat nicht zur Entscheidung an. Er ist dahin zu verstehen, dass über ihn nur dann entschieden werden soll, wenn das Gericht über den ersten Hilfsantrag nicht in der Sache entscheidet.