Betriebsratswahl - Nichtigkeit infolge fehlerhafter Zuordnung von Betriebsteilen

LAG Düsseldorf 5 (4) TaBV 2/99 vom 29. Apr. 1999

Leitsatz

1. Es bleibt unentschieden, ob in einem Gewerkschaftsunternehmen abweichende Regelungen durch die Zuordnung von Betriebsteilen und Nebenbetrieben gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG durch Betriebsvereinbarung getroffen werden können.

2. Fehlt für eine derartige Betriebsvereinbarung die nach § 3 Abs. 2 BetrVG erforderliche Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, so ist eine auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung durchgeführte Betriebsratswahl jedenfalls dann nichtig, wenn die Betriebsvereinbarung gleichzeitig Regelungen enthält, mit denen grob gegen wesentliche Wahlvorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes verstoßen wird.

Gründe

A.

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die bei der Beteiligten zu 3) am 03.03.1998 durchgeführte Betriebsratswahl nichtig ist.

Der Beteiligte zu 1) und Antragsteller ist seit dem 01.01.1989 bei der Beteiligten zu 3), einer Gewerkschaft, als Gewerkschaftssekretär tätig. Der Beteiligte zu 2) ist der bei der Wahl am 03.03.1998 gewählte Betriebsrat der Beteiligten zu 3).

Bei der Beteiligten zu 3) existiert eine Satzung (Blatt 49 d. A.), nach deren § 24 die Gewerkschaft demokratisch aufgebaut ist. Ihre Mitglieder sind organisatorisch in Orts- und Bezirksverwaltungen zusammengefasst, die sich ihrerseits in Landesverbänden organisieren.

Zum Zeitpunkt der hier streitbefangenen Betriebsratswahl hatte die Beteiligte zu 3) 688 wahlberechtigte Mitarbeiter, die sich auf die Hauptverwaltung und 14 Landesbezirke verteilten. Wegen der Einzelheiten der Zuordnung wird auf Blatt 19 bis 20 der Akten verwiesen.

Unter dem 19.01.1998 verfasste der bei der Beteiligten zu 3) installierte Wahlvorstand ein Wahlausschreiben (Blatt 33 bis 36 d. A.), in dem zur Durchführung der Wahl unter anderem auf eine Betriebsvereinbarung vom 16.11.1993 verwiesen wurde. Diese Betriebsvereinbarung hat, soweit vorliegend von Interesse, folgenden Wortlaut:

1. Es wird ein einheitlicher H.-Betriebsrat gewählt, der die Interessen aller H.-Beschäftigten vertritt.

2. Der Betriebsrat besteht aus 19 Mitgliedern, er setzt sich wie folgt zusammen:

Landesbezirk Baden-Württemberg 1 Mitglied

Landesbezirk Bayern 1 Mitglied

Landesbezirk Berlin 1 Mitglied

Landesbezirk Brandenburg 1 Mitglied

Hauptverwaltung 2 Mitglieder

Landesbezirk Hessen 1 Mitglied

Landesbezirk Mecklenburg-Vorpommern 1 Mitglied

Landesbezirk Niedersachsen 1 Mitglied

Landesbezirk Nord 1 Mitglied

Landesbezirk Nordrhein-Westfalen 3 Mitglieder

Landesbezirk Rheinland-Pfalz 1 Mitglied

Landesbezirk Saar 1 Mitglied

Landesbezirk Sachsen 2 Mitglieder

Landesbezirk Sachsen-Anhalt 1 Mitglied

Landesbezirk Thüringen 1 Mitglied

3. Die Kandidatinnen werden auf Teilbetriebsversammlungen in der Region aufgestellt. Über alle Kandidatinnen wird in einem geheimen Nominierungsverfahren abgestimmt. Es sollen mindestens doppelt so viele Kandidatinnen aufgestellt werden, wie Betriebsratsmitglieder zu wählen sind.

4. Die Kandidatinnen werden von allen H.-Beschäftigten gewählt. Jede/r Wahlberechtigte hat für jede Region soviel Stimmen, wie Betriebsratsmitglieder für die Region zu wählen sind.

5. Entsprechend der festgelegten Anzahl der Betriebsratsmitglieder ist für die jeweilige Region gewählt, wer die meisten Stimmen aller Wahlberechtigten erhält.

6. Die Betriebsvereinbarung gilt ab dem 16.11.1993 und behält ihre Gültigkeit bis zum Abschluss einer neuen Betriebsvereinbarung.

Nach Einleitung der Betriebsratswahl strengte der Antragsteller unter dem 23.02.1998 ein Beschlussverfahren beim Arbeitsgericht Düsseldorf an, mit dem er das Ziel verfolgte, die bevorstehende Wahl wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit durch Erlass einer einstweiligen Verfügung zu stoppen. Mit Beschluss vom 02.03.1998 wies das Arbeitsgericht Düsseldorf - 7 BV Ga 7/98 - den Antrag zurück.

Die alsdann am 03.03.1998 durchgeführte Wahl führte zur Installation des Beteiligten zu 2) in der aus dem Rubrum ersichtlichen Zusammensetzung.

Mit seinem am 16.03.1998 beim Arbeitsgericht Düsseldorf anhängig gemachten Antrag hat der Antragsteller die Feststellung der Nichtigkeit der Betriebsratswahl geltend gemacht. Hierzu hat er im Wesentlichen wie folgt vorgetragen:

Bereits die Betriebsvereinbarung vom 16.11.1993, auf deren Grundlage die Wahl vom 03.03.1998 erfolgt sei, sei nichtig, weil sie nicht den Vorgaben des § 3 BetrVG genüge. Zum einen eröffne § 3 Abs. 1 Ziffer 3 BetrVG eine von § 4 BetrVG abweichende Regelung über die Zuordnung von Betriebsteilen und Nebenbetrieben nur dann, wenn dies durch Tarifvertrag geschehe. Selbst wenn man demgegenüber den Abschluss einer Betriebsvereinbarung für zulässig halte, fehle es vorliegend an der nach § 3 Abs. 2 BetrVG erforderlichen Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Schon wegen dieses offenkundigen Mangels sei mithin von einer Nichtigkeit der auf der Basis der Betriebsvereinbarung vom 16.11.1993 durchgeführten Betriebsratswahl auszugehen.

Der Antragsteller hat darüber hinaus gemeint, dass unabhängig von den oben dargestellten formellen Mängeln die Betriebsvereinbarung vom 16.11.1993 wie auch die am 03.03.1998 durchgeführte Betriebsratswahl deshalb als nichtig bezeichnet werden müssten, weil die Beteiligten zu 2) und 3) den Betriebsbegriff offensichtlich verkannt und willkürlich geändert hätten. Nach der in der Satzung der Beteiligten zu 3) festgelegten Organisation erfüllten sowohl die 14 Landesbezirke wie auch die 51 Orts- und Bezirksvertretungen die Voraussetzungen der §§ 1 und 8 BetrVG. Die genannten Untergliederungen seien organisatorisch selbständig, müssten die Kosten für ihre Verwaltungsangestellten aus einem 25 %i-gen Finanzanteil aus den Mitgliedsbeiträgen abdecken und übten die wesentlichen personellen Entscheidungsbefugnisse aus. Es könne deshalb kein Zweifel daran bestehen, dass es sich bei den Landesbezirken und/oder Orts-/ Bezirksverwaltungen um eigenständige Betriebe im Sinne des § 1 BetrVG, mindestens aber um Betriebsteile im Sinne des § 4 BetrVG handele, die räumlich weit vom Hauptbetrieb (Hauptverwaltung der Beklagten zu 3) entfernt lägen.

Der Antragsteller hat überdies die Auffassung vertreten, dass bei der Wahl vom 03.03.1998 auch gegen wesentliche Vorschriften des Wahlrechts und der Wählbarkeit verstoßen worden sei, und zwar entsprechend der Vorgaben in der Betriebsvereinbarung vom 16.11.1993.

So beschränke die Betriebsvereinbarung und das daran orientierte Wahlausschreiben das Wahlvorschlagsrecht, weil das Vorschlagsrecht an die jeweilige Region gebunden sei, obwohl eine bundeseinheitliche Wahl durchgeführt würde. Zudem wäre die Möglichkeit einer bundesweiten Kandidatur rechtswidrig ausgeschlossen worden.

Auch das Wahlrecht selbst sei unzulässig beschränkt worden, weil jeweils nur eine Stimme für einen Wahlbewerber der jeweiligen Region abgegeben werden durfte.

Schließlich liege ein Verstoß gegen § 9 BetrVG schon deshalb vor, weil die Anzahl der Betriebsratsmitglieder willkürlich auf 19 festgesetzt worden sei, obwohl nach dem Betriebsverfassungsgesetz nur elf Mitglieder hätten gewählt werden dürfen. Dadurch werde das Stimmgewicht des einzelnen Betriebsratsmitglieds im Gremium nachhaltig beeinträchtigt.

Insgesamt seien deshalb so schwerwiegende und offensichtliche Fehler bei der Betriebsratswahl gemacht worden, dass jedenfalls in einer Gesamtschau von einer auch nur annähernd ordnungsgemäßen Wahl nicht gesprochen werden könne.

Der Antragsteller hat beantragt,

festzustellen, dass die Wahl des Beteiligten zu 2) zum Betriebsrat vom 03.03.1998 nichtig ist; hilfsweise die Wahl des Beteiligten zu 2) zum Betriebsrat vom 03.03.1998 für unwirksam zu erklären.

Der Beteiligte zu 2) hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Beteiligte zu 3) hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Beteiligte zu 2) hat die Auffassung vertreten, dass die durchgeführte Betriebsratswahl allenfalls anfechtbar, auf keinen Fall aber nichtig wäre und hierzu vorgetragen:

Die Betriebsvereinbarung vom 16.11.1993 begegne zunächst keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Sie gehe letztlich auf eine Betriebsvereinbarung von 1976 zurück, mit der das Wahlverfahren bei der Beteiligten zu 3) bereits ähnlich wie jetzt geregelt worden wäre. Für eine Regelung des Wahlverfahrens habe auch das Mittel der Betriebsvereinbarung herangezogen werden dürfen, weil dies durch § 3 BetrVG nicht ausgeschlossen werde. Vielmehr bestünde eine Regelungslücke, weil die vom Gesetzgeber vorgesehene abweichende Regelung durch einen Tarifvertrag bei der Beteiligten zu 3) als Gewerkschaft gar nicht in Betracht käme.

Einer Zustimmung des Bundesministers habe es - entgegen § 3 Abs. 2 BetrVG - nicht bedurft. Zum einen sehe die genannte Norm ein solches Zustimmungserfordernis nur für die dort genannten Tarifverträge vor. Zum anderen würde die Bejahung des Zustimmungserfordernisses zu einem unzulässigen Eingriff in die innergewerkschaftliche Willensbildung führen, der durch Art. 9 Abs. 3 GG nicht gedeckt sei. Dem stehe auch nicht entgegen, dass der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung in einem vergleichbaren Fall bei der Gewerkschaft ÖTV die Zustimmung zu einer Gesamtbetriebsvereinbarung unter Hinweis auf § 3 Abs. 2 BetrVG ausdrücklich erteilt hätte. Hieraus lasse sich keinesfalls schließen, dass die Zustimmung konstitutive Wirksamkeitsvoraussetzung sei.

Losgelöst von der Frage der Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung vom 16.11.1993 hat der Beteiligte zu 2) im Übrigen die Auffassung vertreten, dass keine Verkennung des Betriebsbegriffes vorläge, jedenfalls keine solche, die die Betriebsratswahl nichtig mache.

So sei die Beteiligte zu 3) zunächst als ein Unternehmen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes anzusehen; hieraus ergebe sich bereits die Vermutung für einen einheitlichen Betrieb, die vom Antragsteller nicht widerlegt worden wäre.

Stelle man darüber hinaus auf den im Betriebsverfassungsrecht geprägten Betriebsbegriff ab, so ergebe sich auf der Grundlage der Satzung der Beteiligten zu 3) und der seit 1995 geltenden Budgetierungsrichtlinien sicherlich eine starke organisatorische Verselbständigung der Untergliederungen der Beteiligten zu 3). Gleichwohl könne nicht davon gesprochen werden, dass die maßgeblichen, im Sinne des Betriebsverfassungsrechts relevanten mitbestimmungspflichtigen Entscheidungen auf die Landesebene oder die Ortsverwaltungen delegiert worden seien. Insofern handele es sich allenfalls um Betriebsteile im Sinne des § 4 BetrVG, über deren Zuordnung im Einzelfall entschieden werden müsste.

Die Beteiligte zu 3) hat sich im wesentlichen den Ausführungen des Beteiligten zu 2) angeschlossen und hervorgehoben, dass die Betriebsvereinbarung vom 16.11.1993 den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine Interessenvertretung sichere, die für sie nur vorteilhaft sei. Im Übrigen müsse sich der Antragsteller in diesem Zusammenhang fragen lassen, weshalb er gerade jetzt die Rechtswirksamkeit der Betriebsvereinbarung in Zweifel ziehe, mit der er bisher gut gelebt hätte.

Mit Beschluss vom 05.10.1998 hat die 7. Kammer des Arbeitsgerichts Düsseldorf - 7 BV 18/98 - den Antrag zurückgewiesen. In den Gründen, auf die im übrigen Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht eine bewusste Verkennung des Betriebsbegriffs verneint und - auch hinsichtlich der Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung vom 16.11.1993 - auf die nach seiner Auffassung unklare Rechtslage verwiesen. Die weiteren Verstöße gegen Vorschriften des Wahlrechts und der Wählbarkeit, gegen § 9 und § 3 Abs. 2 BetrVG hat es zwar als erwiesen angesehen, gleichwohl die Wahl aber nur als anfechtbar bezeichnet.

Der Antragsteller hat gegen den ihm am 11.12.1998 zugestellten Beschluss mit einem am 08.01.1999 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese mit einem am 08.02.1999 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Er wiederholt im Wesentlichen seinen Sachvortrag aus dem ersten Rechtszug und unterstreicht nochmals seine Auffassung, dass die Beteiligte zu 3) schon seit Jahren willkürlich und bewusst den Betriebsbegriff des Betriebsverfassungsgesetzes verkenne und deshalb von einer Nichtigkeit der Wahl vom 03.03.1998 auszugehen wäre. So habe das Arbeitsgericht Düsseldorf bereits in einem Beschluss vom 04.04.1979 zu der Vorgängerbetriebsvereinbarung vom 20.01.1976 festgestellt, dass für die Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung eine Zustimmung analog § 3 Abs. 2 BetrVG erforderlich wäre. Anlässlich des einstweiligen Verfügungsverfahrens, das mit dem Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 02.03.1998 beendet worden sei, hätten die Beteiligten zu 2) und 3) selbst eingeräumt, dass die Landesbezirke selbständige Betriebsteile darstellten. Wenn sich beide Beteiligten dann gleichwohl zu einer weiterhin einheitlichen Wahl durchgerungen hätten, könne von einer nur irrtümlichen Verkennung des Betriebsbegriffs nicht mehr gesprochen werden. Darüber hinaus, so der Antragsteller weiter, begründeten aber auch die weiteren Verstöße gegen §§ 3 Abs. 2, 7, 8 und 9 BetrVG jedenfalls in einer Gesamtschau seine Auffassung, dass von einer auch nur den Anschein von Rechtmäßigkeit ausstrahlenden Betriebsratswahl nicht ausgegangen werden könnte.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 05.10.1998 - 7 BV 18-/98 (vormals 7 BV 18/98 und 8 BV 19/98) - abzuändern und festzustellen, dass die Wahl des Antragsgegners und Beteiligten zu 2) zum Betriebsrat vom 03.03.1998 nichtig ist.

Die Beteiligten zu 2) und 3) beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigen den arbeitsgerichtlichen Beschluss und wiederholen im Wesentlichen ihre Sachvorträge aus der ersten Instanz.

Die Beteiligten zu 2) und 3) verweisen vor allem darauf, dass auch das Arbeitsgericht im einstweiligen Verfügungsverfahren nur von einer Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl, nicht aber von deren Nichtigkeit ausgegangen wäre. Von einer willkürlichen Verkennung des Betriebsbegriffs sowie von offensichtlichen und groben Fehlern bei Einleitung und Durchführung der Betriebsratswahl könne insgesamt nicht die Rede sein.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Urkunden und der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.

B.

I. Die Beschwerde ist zulässig.

Sie ist nämlich an sich statthaft (§ 87 Abs. 1 ArbGG), sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 89, 87 Abs. 2, 66 Abs. 1 ArbGG, 518, 519 ZPO).

II. Auch in der Sache selbst hatte das Rechtsmittel Erfolg, so dass der arbeitsgerichtliche Beschluss abzuändern war.

Die am 03.03.1998 bei der Beteiligten zu 3) durchgeführte Betriebsratswahl ist nichtig, weil bei Einleitung und Durchführung der Wahl der Betriebsbegriff der §§ 1 und 4 BetrVG offensichtlich und willkürlich verkannt und darüber hinaus gegen wesentliche Vorschriften des Wahlrechts und der Wählbarkeit verstoßen worden ist.

1. Nach herrschender Meinung in Literatur und Rechtsprechung entspricht es einem für das Betriebsverfassungsgesetz allgemein anerkannten Grundsatz, dass neben den im gesetzlich geregelten Wahlanfechtungsverfahren geltend zu machenden Wahlmängeln auch solche Gesetzesverstöße vorliegen können, die das Entstehen einer Arbeitnehmervertretung von vornherein ausschließen. Ein solcher Mangel liegt dann vor, wenn die Verletzung grundlegender Wahlvorschriften gravierend und dieser Verstoß auch evident ist. Dazu muss bei der Wahl gegen wesentliche Grundsätze des Wahlrechts in einem so hohen Maße verstoßen worden sein, dass nicht einmal der Anschein einer der dem Gesetz entsprechenden Wahl gewahrt wird (BAG, Beschluss vom 29.04.1998 - 7 ABR 42/97 - EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 82; BAG, Beschluss vom 11.04.1978 - 6 ABR 22/77 - AP Nr. 8 zu § 19 BetrVG 1972; LAG Hamburg, Beschluss vom 06.05.1996 - 4 TaBV 3/96 - NZA-RR 1997, Seite 136; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, Betriebsverfassungsgesetz, 19. Aufl., § 19, Rdn. 3 bis 8).

Die erkennende Kammer ist - anders als das Arbeitsgericht - zu der Überzeugung gelangt, dass anlässlich der Betriebsratswahl vom 03.03.1998 gravierende Verletzungen grundlegender Wahlvorschriften begangen worden sind und dass diese Verstöße auch als offensichtlich zu charakterisieren sind.

2. Von einer Nichtigkeit in dem oben definierten Sinne ist nach Einschätzung der Beschwerdekammer schon deshalb auszugehen, weil die Betriebsratswahl vom 03.03.1998 im wesentlichen auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung vom 16.11.1993 durchgeführt worden ist. Diese Betriebsvereinbarung muss selbst als offensichtlich rechtswidrig bezeichnet werden, weil sie ohne Rechtsgrundlage geblieben ist und insbesondere nicht den Vorgaben des § 3 Abs. 1 Nr. 3 und § 3 Abs. 2 BetrVG genügt.

a) Nach § Abs. 1 Ziffer 3 BetrVG können durch Tarifvertrag von § 4 abweichende Regelungen über die Zuordnung von Betriebsteilen und Nebenbetrieben bestimmt werden, soweit dadurch die Bildung von Vertretungen der Arbeitnehmer erleichtert wird. Es bestehen hiernach bereits erhebliche Bedenken, ob die in der Betriebsvereinbarung vom 16.11.1993 vorgenommene Festlegung eines "gemeinsamen" Betriebes für die Betriebsratswahl bei der Beteiligten zu 3) in der Form einer Betriebsvereinbarung überhaupt möglich gewesen ist.

Die Beteiligten zu 2) und 3) weisen in diesem Zusammenhang auf die Eigenart der Beteiligten zu 3) als Gewerkschaftsunternehmen hin und folgern hieraus, dass zum einen der Abschluss eines Tarifvertrages entsprechend § 3 Abs. 1 Ziffer 3 BetrVG nicht möglich gewesen sei. Darüber hinaus vertreten sie die Auffassung, dass sie dann jedenfalls in der Lage waren und sind, die in § 3 Abs. 1 BetrVG genannte Zuordnung von Betriebsteilen und Nebenbetrieben per Betriebsvereinbarung regeln zu dürfen.

Dem kann in dieser Form schon nicht gefolgt werden. In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist in der Vergangenheit zwar grundsätzlich der Abschluss von Betriebsvereinbarungen über die Arbeitsbedingungen von Gewerkschaftsbeschäftigten für zulässig erachtet worden (vgl. z. B.: BAG, Beschluss vom 18.01.1994 - 1 ABR 44/93 - n. v.; BAG, Beschluss vom 28.04.1992 - 1 ABR 68/91 - AP Nr. 11 zu § 50 BetrVG 1972). Dabei ist allerdings die Frage, ob Gewerkschaften mit einem Verband Tarifverträge abschließen kann, weder diskutiert noch verneint worden.

Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts besteht auch keine historisch gewachsene Einschränkung der Tarifautonomie etwa in dem Sinne, dass eine kollektive Regelung der Arbeitsbedingungen bei Gewerkschaften grundsätzlich nicht durch Tarifvertrag, sondern nur durch Betriebsvereinbarung in Betracht käme. Aus dem Umstand, dass es bisher nur Betriebsvereinbarungen gäbe, folge gerade nicht, dass nur diese Regelungsform zulässig sei. Deshalb wären Tarifverträge in Bereichen, in denen sie bisher noch nicht existierten, nicht aus diesem Grunde gänzlich ausgeschlossen (BAG, Beschluss vom 17.02.1998 - 1 ABR 364/97 - AP Nr. 87 zu Art. 9 GG). Den dargestellten Erwägungen schließt sich die Beschwerdekammer auch für den vorliegenden Rechtsstreit an. Hieraus folgt zum einen, dass der Abschluss eines Tarifvertrages gemäß § 3 Abs. 1 Ziffer 3 BetrVG auch bei der Beteiligten zu 3) möglich gewesen ist. Zum anderen hieße dies bei konsequenter Betrachtungsweise, dass dann die in § 3 BetrVG nicht vorgesehene Möglichkeit des Abschlusses einer Betriebsvereinbarung gesetzeswidrig wäre und schon deshalb keine Rechtswirkungen zeigen könne.

Das Beschwerdegericht ist sich allerdings bewusst, dass bei Abschluss der Betriebsvereinbarung vorm 16.11.1993 im Unternehmen der Beteiligten zu 3) kein Verband tätig war, der zum Aushandeln und zum Abschluss eines Tarifvertrages rechtlich und tatsächlich in der Lage gewesen wäre. Es spricht deshalb viel dafür, dass unter diesen Umständen - jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt - das Recht der Beteiligten zu 3) bestand, eine Regelung im Sinne des § 3 Abs. 1 Ziffer 3 BetrVG auch durch Betriebsvereinbarung zu schaffen.

b) Letztlich konnte die oben unter Ziffer a) aufgeworfene Frage aber dahingestellt bleiben, weil die Betriebsvereinbarung vom 16.11.1993 an einem weitaus gravierenderen Mangel leidet, der zur Unwirksamkeit der Vereinbarung führt. Zwischen den Beteiligten ist nämlich unstreitig, dass die in § 3 Abs. 2 BetrVG geforderte Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung zu der Betriebsvereinbarung vom 16.11.1993 nicht eingeholt worden ist. Dies war nach Überzeugung der Beschwerdekammer aber uneingeschränkt notwendig.

aa) Die Zustimmung nach § 3 Abs. 2 BetrVG soll sicherstellen, dass abweichende Regelungen den Grundgedanken des Betriebsverfassungsgesetzes nicht widersprechen. Es soll sichergestellt werden, dass nur dann von den zwingenden organisatorischen Vorschriften des Gesetzes abgewichen wird, wenn die in Absatz 1 genannten Voraussetzungen vorliegen und deshalb ein Bedürfnis für eine vom Gesetz abweichende Regelung besteht (Fitting/Kaiser/Heither/Engels, 19. Aufl., § 3 BetrVG, Rdn. 56; Dietz/Richardi, 7. Aufl., § 3 BetrVG, Rdn. 46; GK-BetrVG -Kraft, 5. Aufl., § 3, Rdn. 36). In diesem Zusammenhang ist weiter anerkannt, dass die staatliche Zustimmung hinzutreten muss, um die besonderen Rechtsfolgen des Tarifvertrages zu begründen, weil allein die Tariffähigkeit nicht ausreicht, um sie herbeizuführen. § 3 BetrVG ist damit hinsichtlich der Voraussetzungen für eine abweichende tarifvertragliche Regelung und des Zustimmungsverfahrens zwingend; die Zustimmung wirkt konstitutiv (Fitting/Kaiser/ Heither/Engels, a.a.O., Rdn. 8). Hiernach konnte die Betriebsvereinbarung vom 16.11.1993 für die Wahl vom 03.03.1998 keine ausreichende Grundlage darstellen, da, wie bereits angesprochen, eine Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Soziales nicht vorliegt.

bb) Die Beteiligten zu 2) und 3) können sich nach Auffassung der erkennenden Kammer nicht darauf berufen, dass wegen der Eigenart des Unternehmens der Beteiligten zu 3) als Gewerkschaft eine Zustimmung entgegen § 3 Abs. 2 BetrVG nicht erforderlich gewesen sei.

Aaa) Durch die hier geforderte Zustimmung wird zunächst nicht in unzulässiger Art und Weise in das Grundrecht der Beteiligten zu 3) aus Art. 9 Abs. 3 GG eingegriffen.

Die Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG gilt für jedermann und für alle Berufe. Das Grundrecht beschränkt sich nicht auf die Gewährleistung der Freiheit des einzelnen, eine Vereinigung zur Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu gründen, ihr beizutreten oder fernzubleiben oder sie zu verlassen. Es schützt vielmehr ebenso die Koalition selbst in ihrem Bestand, ihrer organisatorischen Ausgestaltung und auch in ihrer Betätigung, soweit diese gerade in der Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen besteht (BVerfG, Beschluss vom 24.06.1996 - 1 BvR 712/86 - AP Nr. 2 zu § 57 a HRG; BVerfG, Urteil vom 04.07.1995 - 1 BvF 2/86 - AP Nr. 4 zu § 116 AFG; vgl. auch: BAG, Beschluss vom 17.02.1998, a.a.O.).

Überdies hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt ausgeführt, dass Art. 9 Abs. 3 GG die Koalitionsfreiheit und damit auch die Betätigung der Koalitionen lediglich in einem Kernbereich schütze. Gewerkschaftliche Betätigung sei nur insoweit verfassungskräftig verbürgt, als diese für die Erhaltung und Sicherung der Koalition als unerlässlich betrachtet werden müsse. Ausgangspunkt dieser Kernbereichsformel sei die Überzeugung, dass das Grundgesetz die Betätigungsfreiheit der Koalitionen nicht schrankenlos gewährleiste, sondern eine Ausgestaltung durch den Gesetzgeber zulasse. Mit der Kernbereichsformel werde die Grenze umschrieben, die dabei zu beachten sei; sie werde überschritten, soweit einschränkende Regelungen nicht zum Schutz anderer Rechtsgüter wie etwa des Betriebsfriedens oder des ungestörten Arbeitsgangs, von der Sache her geboten seien (BVerfG, Beschluss vom 14.11.1995

- 1 BVR 601/92 - AP Nr. 80 zu Art. 9 GG, m. w. N.).

Den Beteiligten zu 2) und 3) ist zwar zuzugeben, dass das staatliche Zustimmungserfordernis des § 3 Abs. 2 BetrVG einen gewissen Eingriff in die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Koalitionsfreiheit und vor allem ein Eingriff in die Freiheit darstellt, sich organisatorisch auszugestalten und zu betätigen. Dieser Eingriff stellt sich indessen nicht als so gravierend dar, dass hiernach die vom Bundesverfassungsgericht gezogenen Grenzen überschritten würden. Der Eingriff selbst, nämlich die Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Soziales, ist an strenge gesetzliche Vorgaben gebunden. Die staatliche Aufsicht beschränkt sich allein auf die Frage, ob die Vorgaben des § 3 Abs. 1 BetrVG erfüllt sind. Die fehlende oder erteilte Zustimmung ist gerichtlich überprüfbar (vgl. hierzu: Fitting/Kaiser/Heither/Engels, a.a.O., Rdn. 72). Letztlich bezieht sich die hier geforderte Zustimmung auch nicht auf das originäre gewerkschaftliche Betätigungsfeld, sondern auf organisatorische Randfragen, die - wenn überhaupt - nur marginale Auswirkungen auf das originäre, durch Art. 9 Abs. 3 GG beschriebene Betätigungsfeld der Beteiligten zu 3) haben dürften.

Den Beteiligten zu 2) und 3) konnte in diesem Zusammenhang auch nicht dahingehend gefolgt werden, dass wegen der Eigenart des Unternehmens der Beteiligten zu 3) quasi ein rechtsfreier Raum zur Verfügung steht, weil § 3 BetrVG hinsichtlich der hier diskutierten Frage eine Regelungslücke enthält.

Wie bereits oben aufgezeigt, hat die erkennende Kammer Zweifel, ob § 3 Abs. 1 BetrVG überhaupt die Möglichkeit zum Abschluss von Betriebsvereinbarungen zulässt. Bejaht man dies, so bleibt doch festzuhalten, dass der in § 3 Abs. 2 BetrVG zum Ausdruck kommende Schutzgedanke gerade dann eminente Bedeutung gewinnt, wenn statt des gesetzlich vorgesehenen Tarifvertrages "nur" eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen wird. Auch die Arbeitnehmer einer Gewerkschaft stehen zu dieser als ihrer Arbeitgeberin in einem Interessenkonflikt, wie er von Art. 9 Abs. 3 GG geradezu als typisch angesehen wird. Sie streben möglichst günstige Arbeitsbedingungen an, während die Gewerkschaft an einer Minimierung der hierdurch verursachten Belastungen interessiert sein muss (BAG, Beschluss vom 17.02.1998 - a.a.O.). Dieselbe Situation besteht aber dann, wenn die eigentlich durch Tarifvertrag vorgesehenen Regelungen in Form einer Betriebsvereinbarung für das Unternehmen umgesetzt werden, weil auch hier der Betriebsrat und die Belegschaft in einer Art "Gegnerposition" zur Gewerkschaft als Arbeitgeberin stehen.

Hinzu kommt in diesem Zusammenhang schließlich, dass der Gesetzgeber eine von § 4 abweichende Regelung ersichtlich deshalb der Kompetenz der Tarifvertragsparteien zugeschrieben hat, weil diese über entsprechendes Fachwissen, übergreifende Informationen und die Möglichkeit verfügen, gestaltend tätig zu werden. Sie haben darüber hinaus zumindest die theoretische Möglichkeit, Tarifverträge nach § 3 Abs. 1 BetrVG zu erzwingen, wenn und soweit vor allem die Arbeitgeberseite zu einer Neuregelung etwa im Sinne des § 3 Abs. 1 Ziff. 3 BetrVG nicht bereit sein sollte. Demgegenüber befindet sich der Partner einer Betriebsvereinbarung, nämlich der Betriebsrat, in einer weitaus schwächeren Position. Er verfügt nur sehr begrenzt über die rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten einer Gewerkschaft und wird deshalb regelmäßig auch kaum in der Lage sein, seine Vorstellungen über Regelungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Ziff. 3 BetrVG ausreichend einzubringen. Daran ändert nichts die Tatsache, dass es sich bei der hier zu diskutierenden Betriebsvereinbarung um eine freiwillige handelt; oft wird ein Betriebsrat schon aus taktischen Gründen geneigt sein, einer derartigen Betriebsvereinbarung zuzustimmen, weil Alternativen kaum zur Verfügung stehen.

Die dargestellten Erwägungen belegen aber, dass in den Fällen, da die Neuregelung im Sinne des § 3 Abs. 1 Ziff. 3 BetrVG nur durch eine Betriebsvereinbarung erfolgt, ein besonderes Bedürfnis für eine eingeschränkte staatliche Kontrolle besteht. Die von der Betriebsvereinbarung betroffenen Arbeitnehmer müssen durch die Prüfung einer neutralen Stelle davor geschützt werden, mit sie verpflichtenden Regelungen überzogen zu werden, die möglicherweise den gesetzlichen Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetzes nicht entsprechen. Dies zeigt besonders der vorliegende Rechtsstreit, der eine Betriebsvereinbarung zum Gegenstand hat, die, wie unten noch zu zeigen sein wird, nach Auffassung des Beschwerdegerichts gerade nicht den einschlägigen Normen des Betriebsverfassungsgesetzes entspricht.

bbb) Der hier vertretenen Rechtsauffassung steht letztlich auch nicht § 118 BetrVG entgegen. Nach dieser Norm sollen die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes, insbesondere über die Beteiligung des Betriebsrats in sozialen und personellen Angelegenheiten und bei der Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung keine Anwendung finden, soweit die Eigenart des Unternehmens oder des Betriebes dem entgegensteht. Es kommt demnach darauf an, ob die Einschränkung der Beteiligungsrechte durch die Tendenz bedingt oder doch im Hinblick auf die Tendenz erforderlich ist, weil sonst deren Verwirklichung durch Beteiligungsrechte des Betriebsrats gegebenenfalls verhindert oder ernstlich beeinträchtigt werden könnte (Fitting/ Kaiser/Heiter/Engels, a.a.O., § 118, Rdn. 30, m. w. N.). Die zitierte Vorschrift kann zunächst schon deshalb bei der Beurteilung der vorliegenden Fallkonstellation nicht herangezogen werden, weil die Beteiligte zu 3) bei Abschluss der Betriebsvereinbarung vom 16.11.1993 das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates geradezu bejaht hatte und damit von einer tendenzneutralen Regelung ausgegangen war.

Darüber hinaus lässt sich aus § 118 BetrVG aber auch nicht der Gedanke ableiten, dass die Vorschrift des § 3 BetrVG keine Anwendung fände. Zum einen ist bereits ausführlich dargelegt worden, dass Sinn und Zweck des § 3 BetrVG und insbesondere dessen Absatz 2 gerade für die Betriebsvereinbarung vom 16.11.1993 vollständig zutrifft. Zum anderen bedeutete die Nichtanwendung des § 3 BetrVG, dass der Regelungskompetenz der Betriebspartner jegliche Rechtsgrundlage entzogen wäre. Dies kann und wird aber kaum im Interesse der Beteiligten zu 2) und 3) liegen.

c) Die nach allem notwendige aber fehlende Zustimmung nach § 3 Abs. 2 BetrVG macht nicht nur die Betriebsvereinbarung selbst rechtsunwirksam, sondern stellt sich darüber hinaus auch als gravierende Verletzung grundlegender Betriebswahlvorschriften dar; die auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung vom 16.11.1993 durchgeführte Betriebsratswahl vom 03.03.1998 leidet an einem evidenten Gesetzesverstoß.

aa) In der Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte ist in der Vergangenheit vereinzelt zur Problematik des § 3 Abs. 2 BetrVG Stellung genommen worden. Dass vom Antragsteller zitierte Landesarbeitsgericht Brandenburg hat in seiner Entscheidung vom 21.02.1996 (Aktenzeichen: 2 TaBV 9/96) die Auffassung vertreten, dass eine Betriebsratswahl, die auf der Grundlage eines Tarifvertrages nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG durchgeführt wird, dann nichtig ist, wenn die Zustimmung nach § 3 Abs. 2 BetrVG fehlt. Ähnlich argumentiert das Landesarbeitsgericht Hamburg in seinem Beschluss vom 06.05.1996 (a.a.O.), indem es eine Betriebsratswahl für nichtig erklärt, wenn sie bewusst auf der Grundlage eines nicht wirksamen Tarifvertrags abweichend von § 4 BetrVG eingeleitet und entsprechend durchgeführt wird.

Demgegenüber steht das Arbeitsgericht Düsseldorf in seinem Beschluss vom 02.03.1998 - 7 BV Ga 7/98 - offensichtlich auf dem Standpunkt, dass angesichts der unklaren Rechtslage nur von einer Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl auszugehen sein dürfte. Dieser Erwägung hat sich die Vorinstanz in der erstinstanzlichen Entscheidung ersichtlich angeschlossen.

bb) Die erkennende Kammer vertritt demgegenüber die Auffassung, dass jedenfalls mit Blick auf die Besonderheiten der vorliegenden Fallkonstellation von einem evidenten Mangel auszugehen ist, der die Betriebsratswahl vom 03.03.1998 schon aus diesem Grund nichtig macht. Hierbei spielen folgende Überlegungen eine Rolle:

Die Beteiligte zu 3) war bereits durch einen Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 04.04.1979 darauf hingewiesen worden, dass die damals existierende Vorgängerbetriebsvereinbarung rechtsunwirksam war, weil dem Zustimmungserfordernis des § 3 Abs. 2 BetrVG nicht genüge getan war. Den Beteiligten zu 2) und 3) war weiter bekannt, dass der Bundesminister für Arbeit und Soziales hinsichtlich einer vergleichbaren Gesamtbetriebsvereinbarung der Gewerkschaft ÖTV eine ausdrückliche Zustimmung gemäß § 3 Abs. 2 BetrVG erteilt hatte. Schon dies belegt, dass es mindestens zum Zeitpunkt der Durchführung der Betriebsratswahl am 03.03.1998 erhebliche Erkenntnisse bei der Beteiligten zu 3) gab, wonach die durchzuführende Betriebsratswahl mängelbehaftet war. Wenn sie gleichwohl die Betriebsratswahl durchführte, so geschah dies ersichtlich in dem Wissen, dass bei einer Anfechtung die Rechtsunwirksamkeit der Wahl festgestellt würde.

Hinzu kommt folgendes: Ob ein Verstoß offensichtlich ist, soll nicht vom Standpunkt eines Außenstehenden, sondern desjenigen beurteilt werden, dem der Wahlvorgang selbst bekannt ist, weil er mit den Betriebsinterna vertraut ist (herrschende Meinung, vgl. etwa: Fitting/Kaiser/Heither/Engels, a.a.O., § 19, Rdn. 3). Nach dem oben gesagten musste für den Wahlvorstand und der Beteiligten zu 3) klar sein, dass die Betriebsvereinbarung vom 16.11.1993 gravierende Mängel hatte, die sich insbesondere in der fehlenden Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Soziales ausdrückten. Die Beteiligte zu 3) konnte demgemäß gerade nicht guten Gewissens davon ausgehen, dass die durchzuführende Betriebsratswahl einer rechtlichen Überprüfung standhielt.

d) Neben dem oben unter c) ausgeführten kommt aber letztlich entscheidend noch ein weiterer Mangel der Betriebsvereinbarung vom 16.11.1993 hinzu, der zusammen mit der fehlenden Zustimmung die Nichtigkeit der Betriebsratswahl begründet.

aa. Die Häufung von Verstößen gegen wesentliche Wahlvorschriften, von denen jeder für sich allein betrachtet lediglich eine Anfechtung der Betriebsratswahl rechtfertigen würde, kann zur Nichtigkeit der Wahl führen. Entscheidend ist, ob bei einer Gesamtwürdigung die mehreren Verstöße als so schwerwiegend und offensichtlich anzusehen sind, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr besteht (BAG, Beschluss vom 29.04.1998, a.a.O.; BAG, Beschluss vom 11.04.1978, a.a.O.; BAG, Beschluss vom 27.04.1976 in AP Nr. 4 zu § 19 BetrVG 1972; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, a.a.O.). Die Beteiligte zu 3) hat durch die Anwendung der Betriebsvereinbarung vom 16.11.1993 nicht nur eine Wahl durchgeführt, die letztlich auf einer offensichtlichen Verkennung des Betriebsbegriffs beruht; darüber hinaus sind entsprechend der Vorgaben in der genannten Betriebsvereinbarung Verstöße gegen wesentliche Vorschriften des Wahlrechts und der Wählbarkeit begangen worden, die als "grob" und "offensichtlich" im Sinne der obigen Definition charakterisiert werden müssen.

aa) Nach § 3 Abs. 1 Ziff. 3 BetrVG wird den Tarifvertragsparteien allein die Befugnis eingeräumt, von § 4 abweichende Regelungen über die Zuordnung von Betriebsteilen und Nebenbetrieben zu schaffen. Eine weitere Regelungsmöglichkeit hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen.

Demgegenüber finden sich in der Betriebsvereinbarung vom 16.11.1993 weitergehende, vom Betriebsverfassungsgesetz abweichende Bestimmungen, die durch § 3 Abs. 1 Ziff. 3 BetrVG ersichtlich nicht gedeckt werden. Der Antragsteller hat in beiden Rechtszügen wiederholt und zutreffend darauf hingewiesen, dass die Betriebsvereinbarung vom 16.11.1993 zunächst eine Beschränkung des Wahlvorschlagsrechts vornimmt, weil das Vorschlagsrecht an die jeweilige Region gebunden war. Da die Betriebsratswahl indessen übergreifend als gemeinsame Wahl für das gesamte Unternehmen der Beteiligten zu 3) durchgeführt werden sollte, erweist sich die Beschränkung als ein Verstoß gegen §§ 7 und 8 BetrVG bzw. § 6 der Wahlordnung zum Betriebsverfassungsgesetz.

Die Betriebsvereinbarung vom 16.11.1993 schloss darüber hinaus die Möglichkeit einer bundesweiten Kandidatur aus, was ebenfalls gegen § 8 BetrVG verstößt.

Schließlich und besonders gravierend erweist sich die Festlegung, dass insgesamt 19 Betriebsratsmitglieder zu wählen sind. Hier wird eindeutig und für jeden offensichtlich gegen § 9 BetrVG verstoßen, ohne dass es in diesem Zusammenhang darauf ankommt, welche Konsequenzen dies für die gewählten Betriebsratsmitglieder im einzelnen hat.

bb) Entscheidend ist vielmehr, dass die Abweichungen vom Betriebsverfassungsgesetz jeglicher Rechtsgrundlage entbehren, insbesondere durch § 3 Abs. 1 Ziff. 3 BetrVG nicht gedeckt sind und deshalb für den mit den betrieblichen Interna vertrauten Beobachter als offensichtlich und grob eingestuft werden müssen.

cc) Die Beteiligten zu 2) und 3) können sich im Ergebnis nicht darauf berufen, dass die Betriebsvereinbarung vom 16.11.1993 bzw. ihre Rechtsvorgängerin aus dem Jahre 1976 über mehr als 20 Jahre zur Anwendung gekommen sind. Ein wie auch immer gearteter Vertrauensschutz kann nach Auffassung des Beschwerdegerichts hieraus nicht abgeleitet werden, zumal schon das Arbeitsgericht Düsseldorf in der zitierten Entscheidung vom 04.04.1979 auf die Mängel der damaligen Betriebsvereinbarung hingewiesen hatte. Wenn die Beteiligte zu 3) dem in der Folgezeit keine Beachtung schenkte, so war sie sich doch ersichtlich der rechtlichen Mängel bewusst und musste auch damit rechnen, dass die Rechtswirksamkeit der Nachfolgevereinbarung vom 16.11.1993 auf den juristischen Prüfstand gehoben werden könnte.

3. Die erkennende Kammer hat schließlich in Erwägung gezogen, ob sich die Beteiligten zu 2) und 3) darauf berufen können, dass die durchgeführte Betriebsratswahl vom 03.03.1998 selbst dann nicht nichtig gewesen wäre, wenn man sich die Grundlage, nämlich die Betriebsvereinbarung vom 16.11.1993, wegdenkt. Auch eine derartige Prüfung führt nach Auffassung des Beschwerdegerichts allerdings zu der bereits festgestellten Rechtsfolge, wonach bei der Wahl grob und offensichtlich gegen wesentliche Wahlvorschriften verstoßen wurde, so dass nicht einmal der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl zu bejahen ist.

a) Dabei kann dahingestellt bleiben, ob bereits eine offensichtliche und willkürliche Verkennung des Betriebsbegriffs vorliegt. Nach dem beiderseitigen Sachvorbringen in beiden Instanzen spricht viel dafür, dass jedenfalls die Landesbezirke der Beteiligten zu 3) als selbständige Betriebsteile im Sinne des § 4 BetrVG anzunehmen sind, so dass richtigerweise dort einzelne Betriebsratswahlen hätten stattfinden müssen.

b) Entscheidend bleibt aber auch hier, dass die Beteiligte zu 3) bewusst und gewollt gegen die oben unter Ziffer 2 c) angesprochenen Wahlvorschriften verstoßen hat, ohne dass hierfür eine irgendwie geartete Rechtsgrundlage vorhanden war. Der Beteiligten hätte klar sein müssen, dass § 3 Abs. 1 BetrVG keine Ermächtigung enthält, über die Neuregelung der Zuordnung von Betriebsteilen und Nebenbetrieben zusätzlich das Wahlverfahren abweichend vom Betriebsverfassungsgesetz zu regeln. Tat sie es gleichwohl, so handelte sie willkürlich und in Kenntnis des Umstandes, dass die Wahl gegen wesentliche Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetzes verstieß.

Die Kammer hat eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache bejaht und die Rechtsbeschwerde zugelassen.