Betriebsrat; Kündigung; Treuwidrigkeit; Wahlanfechtung; nichtige Betriebsratswahl

LAG Meckelnburg-Vorpommern 5 Sa 129/07 vom 27. Nov. 2007

Leitsatz

Einzelfallentscheidung zu einer außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds mit der Fragestellung, ob eine nichtige Betriebsratswahl vorliegt (vom Gericht verneint). Außerdem ging es um die Frage, ob die Berufung des Klägers auf §§ 15 KSchG, 103 BetrVG treuwidrig im Sinne von § 242 BGB sein könnte, weil der Wahlvorstand die Wahl so durchgeführt hat, dass einer der Geschäftsführer der beklagten GmbH, der dann zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung der einzig verbliebene Geschäftsführer war, von der Gründung des Betriebsrats keine Kenntnis erhalten hatte. Die Treuwidrigkeit wurde vom Gericht verneint, da an der Verheimlichung der Gründung des Betriebsrats auch einer der Geschäftsführer der Beklagten, der kurze Zeit später abberufen wurde, beteiligt war, und der Schwerpunkt des Unrechts in seinem Verhalten zu suchen ist.)

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen außerordentlichen Kündigung, die während des Laufs der Kündigungsfrist einer ordentlichen Arbeitnehmerkündigung ausgesprochen wurde sowie um offene Zahlungsansprüche aus Anlass der Vertragsbeendigung und weitgehend in Abhängigkeit vom Erfolg der Kündigungsschutzklage.

Der Kläger war bei der ursprünglichen Beklagten mit einem Stundenlohn von 10,00 brutto vollbeschäftigt (40-Stunden-Woche). Die ursprüngliche Beklagte (B K GmbH) hat Dienstleistungen rund um den Bau und das Betreiben von Blockheizkraftwerken angeboten, die mit Biogas betrieben werden. Die Gesellschafter der Beklagten waren in der Zeit vor der Kündigung Herr T und eine Tochtergesellschaft einer Aktiengesellschaft aus V zu je 50 Prozent. Herr T war neben Herrn H seinerzeit auch Geschäftsführer der GmbH.

Herr T hatte ein Konkurrenzunternehmen im selben Marktsegment wie die Beklagte in W gegründet, das ab Juli 2006 werbend tätig geworden ist (C GmbH). Praktisch die gesamte Belegschaft der Beklagten und des im selben Gebäude untergebrachten Schwesterunternehmens sind im Laufe der Monate Juni 2006 und Juli 2006 auf Basis von Eigenkündigungen zum Unternehmen des ehemaligen Geschäftsführers der Beklagten, Herrn T, gewechselt.

Das Schwesterunternehmen war die A GmbH. Die ursprüngliche Beklagte B K GmbH und dieses Unternehmen sind während des Laufs des hiesigen Rechtsstreites nach dem Umwandlungsgesetz unter dem Namen der A GmbH zusammengeführt worden.

Die Beklagte wirft dem Kläger vor, er sei bereits während des Laufs der Kündigungsfrist für seinen neuen Arbeitgeber tätig geworden. Wegen der Einzelheiten, die sich auf diesen Vorwurf beziehen, wird auf die arbeitsgerichtlichen Feststellungen Bezug genommen.

Herr T ist auf einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung der ursprünglichen Beklagten (B K GmbH) Anfang Mai 2006 als Geschäftsführer abberufen worden. Herr T und die andere Gesellschafterin haben - auch vor verschiedenen Gerichten - um die Wirksamkeit der Abberufung gestritten, haben sich jedoch dann durch außergerichtlichen notariellen Vergleich verständigt. Der Vergleich hat die Abberufung vom 03.05.2006 bestätigt und hat das zugrundeliegende Dienstverhältnis mit Ablauf des 31.05.2006 enden lassen. Zumindest bis zum Zeitpunkt dieses Vergleiches am 23.05.2006 war Herr T noch in dem Betrieb anwesend und hat sich als Mitgeschäftsführer ausgegeben und verhalten.

Im Mai 2006 ist für die ursprüngliche Beklagte (B K GmbH) mit Förderung und Begleitung durch Herrn T versucht worden, einen Betriebsrat zu gründen. Nach den betrieblichen Verhältnissen konnte nur ein einköpfiger Betriebsrat gebildet werden. Der Kläger ist der aus dem Gründungsverfahren hervorgegangene Betriebsrat. Weitere Wahlbewerber gab es nicht, so dass es auch keine Ersatzmitglieder gibt.

Die Beklagte hält die gesamte Wahl für nichtig und hat daher die streitgegenständliche außerordentliche Kündigung vom 26.06.2006 ausgesprochen, ohne zuvor das Arbeitsgericht anzurufen.

Die Beklagte hat für den gesamten Monat Juni 2006 keine Vergütung bezahlt.

Der Kläger begehrt neben dem Kündigungsschutz die volle Vergütung für Juni 2006 (1.733,30 brutto).

Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat spätestens zum 15.07.2006 durch die Eigenkündigung des Klägers geendet. Weitere anteilige Vergütung für Juli 2006 ist allerdings nicht gerichtlich geltend gemacht worden. Allerdings begehrt der Kläger Abgeltung des vollen Jahresurlaubsanspruchs (nach Vertrag 28 Arbeitstage) auf Basis seines Ausscheidens nach dem 30.06.2006 in Höhe von 2.240,00 brutto. Schließlich begehrt der Kläger 1.839,20 Überstundenvergütung.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 14.02.2007 die außerordentliche Kündigung für wirksam erachtet und daher dem Kündigungsschutzantrag nur stattgegeben bis zu dem Tag des Zugangs der Kündigung am 28.06.2006.

Den Vergütungsanspruch für Juni 2006 hat es nur in Höhe von 1.418,15 brutto (Tenor 2. a.) zugesprochen, da das Arbeitsverhältnis am 28.06.2006 geendet habe und da der Kläger für den 15.06.2006 und 20.06.2006 keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung wegen Arbeitsunfähigkeit habe, da er an diesen beiden Tagen für das neue Unternehmen des Herrn T gearbeitet habe.

Mit dem Urteilstenor zu 2. b. hat das Arbeitsgericht weitere 2.959,20 brutto zugesprochen, nämlich 1.839,20 brutto für die Überstunden (vollständige Stattgabe) sowie 1.120,00 Urlaubsabgeltung. Die Urlaubsabgeltung hat das Gericht, da der Kläger in der ersten Jahreshälfte ausgeschieden sei, lediglich in Höhe von 14 abzugeltenden Urlaubstagen als begründet erachtet.

Die ausgeurteilten Zahlungsansprüche sind inzwischen vollständig erfüllt.

Das Urteil ist dem Kläger am 20.03.2007 zugestellt worden. Die hiergegen gerichtete Berufung vom 20.04.2007 ist hier per Fax am selben Tag eingegangen und mit Schriftsatz vom 15.05.2007, Gerichtseingang per Fax am selben Tag, begründet worden.

Der Kläger verfolgt seine ursprünglichen Klageziele in vollem Umfang weiter, erkennt aber an, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch in Höhe von 160,00 für zwei Abgeltungstage unschlüssig ist, da ihm im Mai 2006 bereits zwei Urlaubstage in natura gewährt wurden.

Der Kläger bestreitet nach wie vor, bereits vor Ablauf der Kündigungsfrist am 15.07.2006 für seinen neuen Arbeitgeber tätig geworden zu sein.

Die Frage brauche jedoch letztlich nicht entschieden werden, da er jedenfalls als Betriebsrat den Kündigungsschutz nach § 15 KSchG in Verbindung mit § 103 BetrVG genieße und die Kündigung daher der vorherigen Zustimmung durch das Arbeitsgericht bedurft hätte.

Da das Arbeitsgericht dies verkannt habe, habe es auch seinen Vergütungsanspruch für Juni 2006 falsch ausgeurteilt und die Urlaubsabgeltung falsch berechnet.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 26.06.2006 nicht beendet worden ist.

2. a. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.733,30 brutto abzüglich zwischenzeitlich geleisteter 1.418,15 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 16.07.2006 zu zahlen.

b. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 4.079,20 brutto abzüglich zwischenzeitlich gezahlter 2.959,20 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 16.07.2006 zu zahlen.

Zur Anschlussberufung der Beklagten hat der Kläger keinen Antrag gestellt.

Die Beklagte beantragt,

1. die Berufung zurückzuweisen;

2. im Wege der Anschluss-Berufung das Urteil des Arbeitsgerichtes Schwerin vom 14. Februar 2007 insoweit abzuändern, als die Beklagte verurteilt worden ist, dem Kläger mehr als 960,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. August 2006 als Urlaubsabgeltung zu zahlen, mithin Ziffer 2. lit. b. des Urteilstenors dahingehend abzuändern, dass die Beklagte nur zur Zahlung in Höhe von 2.799,20 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2006 verurteilt wird.

Die Beklagte ist ursprünglich davon ausgegangen, dass es tatsächlich keine Bemühungen um die Bildung eines Betriebsrates gegeben hätte, sondern dies nur während des Rechtsstreites so dargestellt werden sollte ("Schutzbehauptung ohne Substanz", vgl. Blatt 49 d. A.).

Inzwischen geht auch die Beklagte davon aus, dass es tatsächlich Bemühungen gab, einen Betriebsrat zu gründen. Sie hält die Wahl allerdings wegen der Vielzahl der Verstöße gegen das Gesetz und die Wahlordnung für nichtig.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist zum Teil begründet. Die Anschluss-Berufung hat sich durch die teilweise Abweisung des Urlaubsabgeltungsanspruches des Klägers inzidenter erledigt.

I.

Die Berufung ist erfolgreich, soweit sich der Kläger gegen die teilweise Abweisung seines Kündigungsschutzantrages wendet.

Der Kündigungsschutzantrag ist erfolgreich, da die Kündigung wegen Verfehlung des Formerfordernisses aus § 103 BetrVG nichtig ist (§ 134 BGB).

Alle Voraussetzungen von § 103 BetrVG liegen vor.

1.

Der Kläger ist die Person, die aus dem Betriebsratsgründungsverfahren als der Betriebsrat für die ursprüngliche Beklagte hervorgegangen ist. Wenn einer Person der Schutz von § 103 BetrVG zusteht, dann ist diese Person der Kläger.

2.

Der Schutz aus § 103 BetrVG beginnt mit dem Beginn der Amtszeit des Betriebsrates (vgl. ErfK-Kiel § 15 KSchG Rn. 15). Die Amtszeit des Betriebsrates beginnt mit der Bekanntgabe des Wahlergebnisses im Sinne von § 18 Wahlordnung. Danach hat die Amtszeit des Klägers zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Kündigung bereits begonnen gehabt. Die Bekanntgabe des Wahlergebnisses im Sinne von § 18 Wahlordnung zum Betriebsverfassungsgesetz ist die Mitteilung des Wahlergebnisses an die Belegschaft, die durch Aushang zu erfolgen hat. Es kann dahinstehen, ob es tatsächlich zu einem ordnungsgemäßen Aushang des Ergebnisses der Betriebsratswahl gekommen ist, da jedenfalls auch nach dem Vortrag der Beklagten feststeht, dass die Belegschaft der ursprünglichen Beklagten über das Wahlergebnis in Kenntnis gesetzt wurde. Das muss für den Beginn der Amtszeit ausreichen.

3.

Bei der Beklagten hat selbst nach ihrem eigenen Vortrag am 5. Mai 2006 eine Betriebsversammlung stattgefunden, in deren Ergebnis der Kläger zum Betriebsrat gewählt worden ist.

Für diese Feststellung greift das Gericht auf den eigenen Sachvortrag der Beklagten zurück. Denn die Beklagte schildert selbst, dass in der Betriebsversammlung von den wahlberechtigten Arbeitnehmern Stimmzettel ausgefüllt worden sind.

Dies reicht unter den gegebenen Umständen aus, um die Feststellung treffen zu können, dass der Kläger zum Betriebsrat gewählt worden ist. Denn ausweislich des beiderseitigen unstreitigen Parteivortrages stand allein der Kläger als Wahlbewerber zur Verfügung, so dass er nach den Regeln des Betriebsverfassungsgesetzes bereits dann als gewählt gilt, wenn er auch nur eine Stimme eines Wählers erhalten hat. Hier ist sogar davon auszugehen, dass der Kläger wesentlich mehr Stimmen bekommen hat, denn die weitere Kritik der Beklagten an der Durchführung der Wahl und der Auswertung der Stimmzettel ergibt, dass mehrere Stimmzettel mit einem Kreuz in der Position des Klägers vorgelegen haben müssen.

4.

Vorliegend konnte die Beklagte zwar nicht die Zustimmung des bei ihr gebildeten Betriebsrates zur Kündigung des Klägers erwirken, da der Kläger wegen Befangenheit in eigenen Angelegenheiten an der Wahrnehmung seines Amtes verhindert war und es kein Ersatzmitglied gab, dass statt seiner hätte beteiligt werden können. In dieser Situation hätte die Beklagte allerdings in analoger Anwendung von § 103 BetrVG die Zustimmung direkt beim Arbeitsgericht beantragen müssen (vgl. BAG 14.09.1994 EZA Betriebsverfassungsgesetz § 103 Nr. 36).

5.

Die Einholung der Zustimmung wäre auch erforderlich gewesen, denn es kann nicht festgestellt werden, dass die Wahl, aus der der Kläger als Betriebsrat hervorgegangen ist, nichtig ist.

a)

Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass Betriebsratswahlen unter so gravierenden Fehlern leiden können, dass sie nicht nur anfechtbar, sondern schlechthin nichtig sind. Im Vordergrund stehen dabei Wahlen, die im Widerspruch zu dem ordnungspolitischen Rahmen des Betriebsverfassungsrechtes durchgeführt wurden, also insbesondere Betriebsratswahlen im kirchlichen Bereich (vgl. BAG 09.02.1982 - 1 ABR 36/80 - BAGE 41, 5 = DB 1982, 1414), Betriebsratswahlen im öffentlichen Dienst oder Wahlen in einem Betrieb, der bereits über einen Betriebsrat verfügt (vgl. BAG 11.04.1978 - 6 ABR 22/77 - DB 1978, 1452). Auf derartige Überlegungen lässt sich die Nichtigkeit der vorliegenden Wahl nicht stützen.

Daneben ist aber auch anerkannt, dass eine Betriebsratswahl wegen gravierender Verstöße gegen sonstige Wahlvorschriften nichtig sein kann. Dabei ist jedoch ein strenger Maßstab zu Grunde zu legen, da bereits die Wahlanfechtung nach § 19 BetrVG nur dann durchgreifen kann, wenn gegen "wesentliche" Wahlvorschriften verstoßen wurde. Daher ist eine Betriebsratswahl nur nichtig bei groben und offensichtlichen Verstößen gegen wesentliche Grundsätze des gesetzlichen Wahlrechtes, die so schwerwiegend sind, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr besteht (BAG 19.11.2003 - 7 ABR 25/03 - AP Nr. 55 zu § 19 BetrVG 1972).

b)

Gemessen hieran kann vorliegend bereits auf Grund des Parteivortrages der Beklagten die Nichtigkeit der Wahl nicht festgestellt werden.

Nach der Betriebsgröße war der Betriebsrat für den Betrieb der ursprünglichen Beklagten im vereinfachten Wahlverfahren nach § 14 a BetrVG zu wählen. Es mussten also zwei Betriebsversammlungen im Abstand von einer Woche durchgeführt werden. Auf der ersten Versammlung müsste der Wahlvorstand und auf der zweiten Versammlung der Betriebsrat selbst gewählt worden sein.

aa)

Es kann nicht festgestellt werden, dass bereits die Wahl des Wahlvorstandes nichtig war.

Der Sachvortrag der Beklagten in diesem Punkt ist etwas unscharf. Die Beklagte behauptet einerseits immer wieder, eine Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstandes habe es nie gegeben, der Wahlvorstand sei sozusagen auf Zuruf gebildet worden. Andererseits spricht die Beklagte selbst mehrfach von den Betriebsversammlungen im Plural (Schriftsatz vom 22.08.2006 Seite 8 oben, Blatt 50 d. A.). Diese Widersprüchlichkeit ließ sich im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht klären.

Also kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Betriebsversammlung zur Wahl des Wahlvorstandes überhaupt nicht stattgefunden hat. Wenn der von der Beklagten befragte Zeuge den Eindruck hatte, er sei zum Wahlvorstand bestimmt worden, so muss das dem nicht widersprechen, denn auch im Rahmen einer Betriebsversammlung kann alles so schnell und vorabgesprochen abgelaufen sein, dass der von der Beklagten befragte Zeuge den Eindruck hatte, eine Wahl habe nicht stattgefunden. Es ist jedenfalls nicht Aufgabe des Gerichtes in einem Kündigungsschutzprozess die verbleibenden Zweifel durch weitere amtswegige Aufklärung auszuräumen.

bb)

Auch der Vorwurf der Beklagten zu "verspäteten Versammlungen" und "rückdatierten Aushängen" kann nicht zur Nichtigkeit der Wahl führen, da es um typische Durchführungsfehler handelt, die dem Wahlanfechtungsverfahren vorbehalten sind. Dies gilt auch für den Vorwurf, die Aushänge seien so ausgelegt worden, dass außer Herrn T aus der Hausleitung niemand ohne weiteres von der Wahl Kenntnis nehmen konnte. Die Wahl richtet sich in erster Linie an die Belegschaft, sofern diese in ausreichendem Maße Kenntnis nehmen konnte, reicht das aus.

cc)

Auch der Sachvortrag der Beklagten zur zweiten Betriebsversammlung mit der Wahl des Klägers zum Betriebsrat am 5. Mai 2006 reicht zur Darlegung einer nichtigen Wahl nicht aus.

Die Beklagte stellt nicht in Frage, dass die Wahl durch die Abgabe von Stimmzetteln erfolgt ist. Sie rügt lediglich, dass der Wahlvorstand angeblich nach Beendigung der Stimmabgabe und nach Sichtung der abgegebenen Stimmen einige Stimmzettel ausgetauscht habe. Dazu wird ausgeführt, bei einigen Stimmzetteln sei das Kreuz des Wählers nicht in dem Kreis gewesen, der dem Bewerber auf dem Stimmzettel zuzuordnen ist. Da man befürchtet habe, auf diese Weise den Stimmzettel nicht verwerten zu können, habe man entweder den Stimmzettel an den Wähler zurückgegeben, mit der Bitte um Korrektur oder man habe teilweise sogar die Stimmzettel selber neu erstellt und sodann den alten Stimmzettel vernichtet. Sollte dies zutreffen, wäre das gewiss ein ungeheuerlicher Vorgang, der wegen der Vernichtung der angeblich fehlerhaft ausgefüllten Stimmzettel, die Urkunden im Rechtssinne darstellen, durchaus strafrechtliche Aufmerksamkeit verdienen würde.

Bei allem Respekt für die dadurch entstandene Empörung muss jedoch festgehalten werden, dass der Wählerwille durch diese Aktion weder verfälscht werden konnte noch tatsächlich verfälscht wurde. Nach dem eigenen Sachvortrag der Beklagten stand nur der Kläger zur Wahl, so dass der Austausch der Stimmzettel nicht das Ziel verfolgt haben kann, Kandidaten zu benachteiligen oder zu bevorzugen. Das ist nach dem eigenen Vortrag der Beklagten auch nicht geschehen. Vielmehr hat die fragwürdige Aktion das Ziel verfolgt, Stimmzettel, bei denen der Wähler das Kreuz nicht exakt in den dafür vorgesehenen Kreis gesetzt hat, durch Stimmzettel mit korrekt gesetztem Kreuz zu ersetzen. Der Wählerwille wird dadurch nicht manipuliert.

dd)

Die Wahl ist selbstverständlich auch nicht deshalb nichtig, weil die Beklagte über den Ausgang der Wahl nicht ordnungsgemäß unterrichtet wurde.

6.

Das Arbeitsgericht hat angenommen, es könne dahinstehen, ob die Wahl nichtig gewesen war, denn jedenfalls könne sich der Kläger auf den Schutz aus § 103 BetrVG nicht berufen, da dies treuwidrig sei. Denn da er aktiv daran mitgewirkt habe, den Umstand der Betriebsratswahl vor der legitimen Geschäftsführung zu verheimlichen, könne er sich nunmehr nicht auf den Schutz des Gesetzes berufen, denn die Beklagte hatte wegen ihrer Unkenntnis der Wahl überhaupt keine Chance, sich ordnungsgemäß zu verhalten.

Diese Bewertung teilt das Berufungsgericht nicht. Die Berufung des Klägers auf seinen Schutz aus § 103 BetrVG verstößt nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB).

a)

In seiner Hauptbegründung geht das Gericht davon aus, dass die Unterrichtung des Herrn T über den Ausgang der Betriebsratswahl nach der Wahlversammlung vom 5. Mai 2006 als Unterrichtung der Arbeitgeberin im Sinne von § 18 Satz 2 Wahlordnung zum BetrVG als ausreichend angesehen werden muss.

Denn aus der Sicht der Belegschaft war Herr T seinerzeit noch Geschäftsführer der ursprünglichen Beklagten.

Es ist zwar richtig, dass der andere Geschäftsführer der ursprünglichen Beklagten, Herr H, die Belegschaft mündlich und schriftlich am 5. Mai 2006 davon in Kenntnis gesetzt hat, dass die Gesellschafter Herrn T am 3. Mai 2006 mit sofortiger Wirkung von seinem Amt als Geschäftsführer abberufen haben.

Andererseits muss aber auch beachtet werden, dass Herr T diese Absetzung für unwirksam erachtet hat und dies der Belegschaft auch mitgeteilt hat. Da Herr T 50 Prozent der Gesellschaftsanteile besaß, bestand für die Belegschaft auch kein Anlass, dem einen Geschäftsführer und Gesellschafter mehr zu glauben als dem anderen.

Außerdem hatte Herr T auch nach dem 3. Mai 2006 noch Zugang zum Betrieb, war dort anwesend und verhielt sich nach wie vor wie ein Geschäftsführer.

Es kann einem nicht juristisch gebildeten Laien wie dem Wahlvorstand oder dem Kläger nicht vorgehalten werden, wenn er in dieser Situation es nach wie vor für ausreichend erachtet, den Geschäftsführer zu unterrichten, mit dessen Begleitung das gesamte Wahlverfahren durchgeführt wurde.

 

b)

Selbst wenn man sich hilfsweise auf den Standpunkt stellt, in der gegebenen Streitsituation zwischen den Gesellschaftern wäre es geboten gewesen, auch den anderen Geschäftsführer, der die Interessen des anderen Gesellschafters vertritt, über den Ausgang der Wahl zu unterrichten, würde aus diesem Säumnis nicht folgen, dass der gewählte Betriebsrat sich nicht auf seinen Schutz aus § 103 BetrVG berufen dürfte.

Da der andere Geschäftsführer, der seit dem außergerichtlichen Vergleich vom 23.05.2006 auch rechtlich der einzige Geschäftsführer der ursprünglichen Beklagten war, von der Betriebsratswahl keinerlei Kenntnisse hatte, hatte er keine Chance, die Kündigung des Klägers auch formal so einzuleiten, dass sie vor dem Gesetz Bestand haben könnte.

Bei der Bewertung hat das Arbeitsgericht jedoch übersehen, dass dieser Missstand auch darauf zurückzuführen ist, dass der ehemalige Mitgeschäftsführer Herr T weder seine anderen Mitgeschäftsführer noch die Gesellschafter über die von ihm geförderte und begleitete Gründung des Betriebsrates im Betrieb unterrichtet hatte.

Bei der notwendigen Bewertung der Verursachungsbeiträge für die Unkenntnis der Geschäftsführung sieht das Berufungsgericht den Schwerpunkt des Unrechts eindeutig in dem Verhalten des ehemaligen Geschäftsführers Herrn T. Er hat in der Angelegenheit Betriebsratswahl die Fäden gezogen und ihm hätte es daher in erster Linie oblegen, seinem Mitgeschäftsführer und seinem Mitgesellschafter darauf hinzuweisen, welche neue Entwicklung er da eingeleitet hat.

Da in der Bewertung der Verursachungsbeitrag des ehemaligen Mitgeschäftsführers eindeutig überwiegt, kann die Berufung des Klägers auf seine Rechte aus § 103 BetrVG nicht als treuwidrig bewertet werden.

II.

Die klägerische Berufung wegen der teilweisen Abweisung seiner Zahlungsanträge ist nur zum Teil begründet.

1.

Auf Grund seines Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag steht dem Kläger weitere Vergütung für Juni 2006 zu. Allerdings hat er nicht den vollen Monatsvergütungsanspruch in Höhe von 1.733, 30, da das Arbeitsgericht zu Recht ihm die Entgeltfortzahlungsvergütung für den 15.06.2006 und den 20.06.2006 versagt hat. Daher ist sein Vergütungsanspruch für den Monat Juni um 160,00 (16 Stunden je 10,00 brutto) auf 1.573,30 zu kürzen.

Der Kläger räumt selbst ein, dass er am 15.06.2006 für mehrere Stunden sowie am 20.06.2006 ganztägig sich am Firmensitz seiner neuen Arbeitgeberin in W aufgehalten hat. Zutreffend hat das Arbeitsgericht daraus den Schluss gezogen, dass jedenfalls für diese zwei Tage der Beweiswert der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert ist. Für diese Feststellung kann offen bleiben, ob während dieser Zeit - so wie der Kläger behauptet - tatsächlich Bewerbungsgespräche stattgefunden haben oder ob während dieser Zeit der Kläger bereits für seinen neuen Arbeitgeber gearbeitet hat. Denn jedenfalls hat sich der Kläger an diesen beiden Tagen in der Lage gefühlt, entweder beruflich tätig zu sein oder sich um seine beruflichen Belange durch Personalgespräche zu kümmern. Dies reicht aus, um von einer Arbeitsfähigkeit des Klägers auszugehen. Das Gericht hat dem Kläger im Vorwege darauf hingewiesen und ihm anheimgestellt, medizinischen Nachweis für seine Arbeitsunfähigkeit auch an diesen zwei Tagen zu führen. Darauf hat der Kläger lediglich hingewiesen, dass er an einem Erschöpfungszustand gelitten habe. Will man dies als wahr unterstellen, wird dadurch der Beweiswert der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erst recht erschüttert, denn die Diagnose des Erschöpfungszustandes verträgt sich nicht mit dem Verhalten des Klägers an diesen beiden Tagen.

Das Gericht weist an dieser Stelle gesondert darauf hin, dass der Urteilstenor hinsichtlich des Juni-Gehaltes im vorliegenden Urteil von den verkündeten Tenor abweicht. Verkündet wurde der Tenor in Höhe von 1.733,30 brutto und im vorliegenden Urteil lautet der Tenor auf 1.573,30 brutto. Diese Korrektur hat das Gericht von Amts wegen nach § 319 ZPO vorgenommen, da der verkündete Urteilstenor insofern unter einer offenbaren Unrichtigkeit gelitten hat, denn die Richtigkeit des arbeitsgerichtlichen Urteils hinsichtlich des Abzugs des Entgelts für diese zwei Tage hat für die Kammer nie außer Frage gestanden.

2.

Weitere Urlaubsabgeltung steht dem Kläger lediglich noch in Höhe von 320,00 zu und nicht wie von ihm verlangt in Höhe von weiteren 1.120,00.

Der klägerische Urlaubsabgeltungsanspruch lässt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht auf seinen Arbeitsvertrag stützen, denn dort ist für das Ausscheiden im laufenden Jahr eine monatliche anteilige Kürzung des Gesamtjahresanspruchs vorgesehen. Da der Kläger Mitte Juli 2006 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist, hätte er also allenfalls einen Anspruch in Höhe von 7/12 von 28 Arbeitstagen, was 16, möglicherweise 17 Arbeitstagen entspricht.

Nach dem Bundesurlaubsgesetz stehen dem Kläger, wenn er in der zweiten Jahreshälfte ausscheidet, 24 Werktage Urlaub bzw. 20 Arbeitstage Urlaub zu. Da der gesetzliche Anspruch für den Klägers günstiger ist, geht dieser vor.

Von dem Gesamturlaubsanspruch für das Jahr 2006 in Höhe von 20 Arbeitstagen sind dem Kläger bereits durch das Arbeitsgericht 14 Arbeitstage zugesprochen worden, so dass sich der weitere Anspruch auf 6 Arbeitstage reduziert. Davon ist ein weiterer Abzug in Höhe von zwei Arbeitstagen vorzunehmen, da selbst nach dem klägerischen Vortrag ihm im Jahre 2006 für das Jahr 2006 bereits zwei Urlaubstage in natura gewährt worden sind.

Die Berufung ist also lediglich erfolgreich, soweit der Kläger vier weitere Urlaubstage je 80,00 entsprechend 320,00 brutto verlangt. Im Übrigen ist die Berufung zurückzuweisen.

Mit dieser Reduzierung des vom Kläger geltend gemachten Urlaubsabgeltungsanspruches hat sich auch die Anschluss-Berufung der Beklagten erledigt, die lediglich darauf abzielte, die zwei in natura gewährten Urlaubstage in die Berechnung mit einzubeziehen.

3.

Lediglich der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass der weitere Zahlungsanspruch, der auf Überstunden des Klägers zurückzuführen ist und dem das Arbeitsgericht in vollem Umfang entsprochen hat (1.839,20 brutto), von keiner Seite in Frage gestellt wurde.

III.

Die Kosten des Berufungsverfahrens und des gesamten Rechtsstreits hat das Gericht nach den Anteilen des Obsiegens und Unterliegens nach § 92 ZPO verteilt.

Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht mehr gegeben, da ein Anlass für die Zulassung der Revision nicht besteht.