Betriebsratswahl - Anfechtung - schriftliche Stimmabgabe - Briefwahl - Hauptbetrieb - Betriebsteil - räumliche Entfernung - Beeinflussung des Wahlergebnisses - Änderung des Wahlergebnisses - Wahlvorstand - Wahlbeteiligung - ungültige Stimmen

ArbG 3 BV 8/18 vom 1. Aug. 2018

Tenor:

1. Die bei der Beteiligten zu 6 (P. O. GmbH) in der Zeit vom 26.01.2018 bis 21.03.2018 durchgeführte Betriebsratswahl wird für unwirksam erklärt.

2. Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.

Gründe:

2 I. Das Verfahren betrifft die Anfechtung bzw. Nichtigkeit einer Betriebsratswahl.

3 In dem L. Betrieb der Beteiligten zu 6 (im Folgenden: Arbeitgeberin) fand vom 26.01. bis 21.03.2018 eine Betriebsratswahl statt, bei der 1.343 Wahlberechtigte zwischen acht Vorschlagslisten wählen konnten. Bei der Werksfeuerwehr waren 45, beim Werkschutz 34 und beim Betriebsärztlichen Dienst vier Wahlberechtigte beschäftigt, insgesamt in diesen drei Bereichen also 83 Wahlberechtigte (Personalbestandslisten auf Bl. 181 bis 185 d.A.). Der Arbeitnehmer V. T. aus dem Werksschutz und der Koordinator Werkfeuerwehr O. M. sind zurzeit auf dem Gelände des stillgelegten Werks in C. eingesetzt.

4 Bei den Antragsstellern handelt es sich um wahlberechtigte Arbeitnehmer. Die Antragssteller zu 1 und 2 waren Listenführer und Zweitplatzierter der Liste „Produktion/lnfra L.“ (Liste 5). Der Antragssteller zu 3 war Listenführer der Liste 2 „Christliche Gewerkschaft Metall (CGM)“. Der Antragssteller zu 4 bewarb sich auf Platz zwei der Liste 3 „Liste Zukunft 2020“.

5 Von den 15 Mitgliedern des Beteiligten zu 5 (im Folgenden: Betriebsrat) stammen sieben von der Liste 4 „IG Metall - Gemeinsam Zukunft gestalten“, jeweils zwei von den beiden Listen 6 und 8 „Transparenz und Mitbestimmung - Nur mit uns“ und „Von Kollegen für Kollegen“ und jeweils eins von den vier Listen 1, 3, 5 und 7 „Gemeinsam für eine sichere Zukunft“, „Liste Zukunft 2020“, „Produktion/Infra L.“ und „FÜR EUCH DA“. Der Antragsteller zu 1 ist in den Betriebsrat gewählt worden, die Antragsteller zu 2, 3 und 4 nicht.

6 Der Wahlvorstand beschloss unter anderem für die Bereiche Werksfeuerwehr, Werksschutz und Betriebsärztlicher Dienst die schriftliche Stimmabgabe.

7 In dem Wahlausschreiben vom 26.01.2018 (Bl. 37 d.A.) heißt es unter anderem:

8 „Für Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen in den Bereichen Werksfeuerwehr, Werksschutz, Betriebsärztliche Dienst [...] wurde die schriftliche Stimmabgabe gemäß § 24 Abs. 3 WO beschlossen“.

9 Der Wahlvorstand legte die Wählerliste und die Wahlordnung im Wahlvorstandsbüro in der Hauptverwaltung sowie bei den Toren 2 uni 3 zur Einsicht aus.

10 Die Personalabteilung teilte den Listenführern mit E-Mail vom 09.03.2018 (Bl. 18 d.A.) folgendes mit:

11 „Sehr geehrte Herren,

12 aus gegeben Anlass machen wir erneut darauf aufmerksam, dass Wahlwerbung (im Zusammenhang mit der o.g. Wahl) über das P. e-Mails System sowie des O'net's nicht gestattet ist.

13 Darauf haben wir bereits bei dem Freigabeprozess der Plakate/Flyer ausdrücklich hingewiesen.

14 Wir bitten um Beachtung!!“.

15 Die persönliche Stimmabgabe fand vom 11. bis 15.03.2018 zeitlich versetzt in vier Wahllokalen auf dem Betriebsgelände an neun Terminen von anderthalb bis zwei Stunden statt (vgl. Wahlausschreiben auf Bl. 37 d.A.). Drei Arbeitnehmer der Werksfeuerwehr befanden sich während des Wahlzeitraums in außerbetrieblichen Ausbildungsabschnitten. Der Wahlvorstand verplombte die Wahlurnen zwischen den Terminen zur persönlichen Stimmabgabe und verwahrte sie.

16 Die Stimmauszählung erfolgte am 15.03.2018 im Pausenraum der Auszubildenden. Im Hinblick auf die örtlichen Gegebenheiten in diesem Raum wird auf die vom Betriebsrat als Anlage 1 eingereichte Skizze (Bl. 110 d.A.) verwiesen. Ausweislich der Wahlniederschrift (Bl. 187 d.A.) wurden 994 Stimmen abgeben, von denen 28 ungültig waren. Ausweislich der Niederschrift über die öffentliche Öffnung der Briewahlumschläge (Bl. 151 d.A.) handelt es sich bei 13 der ungültigen Stimmen um Briefwahlstimmen, bei denen die Wähler den Wahlumschlägen nicht die vorgedruckte Erklärungen über die persönliche Kennzeichnung des Stimmzettels beigefügt hatten. Ausweislich der Unterlage „Eingang der Briefwahlumschläge“ (Bl. 190 d.A.) sind 117 der abgegebenen Stimmen per Briefwahl erfolgt, wobei 52 von diesen während der Zeit der persönlichen Stimmabgabe vom 11. bis 15.03.2018 beim Wahlvorstand eingegangen sind. Aus den Wahlunterlagen ergibt sich außerdem, dass in den Bereichen Werksfeuerwehr, Werksschutz und Betriebsärztlicher Dienst 40 Arbeitnehmer ihre Stimme per Briefwahl abgeben haben, wobei zwei dieser Stimmen von Herrn T. und Herrn T., also Arbeitnehmern der Werksfeuerwehr stammen, die sich während des Wahlzeitraums in außerbetrieblichen Ausbildungsabschnitten befanden.

17 Die Bekanntmachung des Wahlergebnisses erfolgte am 21.03.2018 (Bl. 138 d.A.). Der geringste Abstand zwischen zwei Vorschlagslisten betrug sechs Stimmen. Die Liste 3 „Liste Zukunft 2020“ erhielt 97 und die Liste 6 „Transparenz und Mitbestimmung – Nur mit uns“ 103 Stimmen.

18 Die Antragssteller wenden sich mit ihrer am 26.03.2018 beim Gericht eingegangen, dem Betriebsrat und der Arbeitgeberin am 11.04.2018 zugestellten Antragsschrift gegen die Betriebsratswahl.

19 Sie meinen, dass diese nichtig sei, jedenfalls aber anfechtbar sei.

20 Der Wahlvorstand hätte für die Werksfeuerwehr, den Werksschutz und den Betriebsärztlicher Dienst nicht allgemein die schriftliche Stimmabgabe beschließen dürfen. Die Antragssteller meinen, dass die Begründung des Betriebsrats für die Anordnung der Briefwahl durch den Wahlvorstand nicht überzeuge. Auf Grundlage dieser Begründung hätte die Briefwahl eher für die Arbeitnehmer an den Produktionsanlagen und die Sozialbetriebe angeordnet werden müssen. Bei den Arbeitnehmern an den Produktionsanlagen sei zu berücksichtigen, dass diese ihren Arbeitsplatz nicht zur Stimmabgabe hätten verlassen können, weil es sonst zu einer Störung der Produktion gekommen wäre. Für die Anordnung der Briefwahl in den Sozialbetrieben spreche, dass dort auch mobilitätseingeschränkte Arbeitnehmer tätig seien. Die Antragssteller behaupten, dass die Arbeitnehmer im Werksschutz in Teams arbeiteten und bei ihren routinemäßigen Sicherheitsfahrten das Wahlbüro hätten aufsuchen können.

21 Die Arbeitgeberin habe gegen ihre Neutralitätspflicht verstoßen. Die Antragsteller behaupten, dass die IG Metall vor der Wahl erbittert, unsachlich und mit falschen Argumenten für eine Personenwahl gekämpft habe. Die Wahlbewerber seien gedrängt worden, sich alle auf derselben Vorschlagsliste zur Wahl zu stellen, um so die Voraussetzungen für eine Personenwahl nach § 20 Abs. 1 WO herbeizuführen. Die IG Metall habe Wahlbewerbung mit falschen Informationen und diskriminierenden Äußerungen gegen Befürworter der Listenwahl verbreitet. Die Antragsteller verweisen insoweit auf das Anlagenkonvolut in Anlage 2 (Bl. 19 d.A.) zur Antragsschrift. Die IG Metall habe hierfür das betriebliche E-Mail System genutzt und Aushänge insbesondere im Personalbereich angebracht. K. L. von der IG Metall habe mit E-Mail vom 02.02.2018 (Bl. 135 d.A.) an die rund 80 Vertrauensleute der IG Metall bei der Arbeitgeberin Aufrufe zur Personenwahl verbreitet, die dann auch entsprechend ausgehängt worden seien. In einem Aushang der IG Metall (Bl. 136 d.A.) seien mehreren, namentlich benannten Befürwortern einer Listenwahl einschließlich der Antragsteller zu 1 und 3 Egoismus und unredliche Motive unterstellt worden. Die IG Metall habe dort die Personenwahl außerdem unrichtig als die demokratischere Wahlart dargestellt. Die Arbeitgeberin habe all dies geduldet. Sie sei nicht gegen die Nutzung des innerbetrieblichen E-Mail-Systems durch die IG Metall eingeschritten. Die Arbeitsdirektorin und Geschäftsführerin der Arbeitgeberin V. E. habe im Übrigen bei einer Nikolausfeier im Jahr 2017 geäußert, dass sie alles andere als eine Personenwahl nicht gutheißen würde.

22 Die Antragsteller meinen, dass der Wahlvorstand das Wahlausschreiben, die Wählerliste und die Wahlordnung in andere Sprachen hätte übersetzen lassen müssen, dies wenigstens in die Firmensprache Englisch. Sie behaupten, dass bis zu einem Drittel der Arbeitnehmer Ausländer mit unzureichenden Deutschkenntnissen seien. Diese würden sich überwiegend auf Englisch verständigen.

23 Sie meinen, dass der Wahlvorstand das Wahlausschreiben, die Wählerliste und die Wahlordnung auch beim Tor 4 zur Einsichtnahme hätte aushängen bzw. auslegen müssen, weil etwa 950 Arbeitnehmer das Werksgelände dort beträten.

24 Die Versiegelung der Wahlurne während der Unterbrechungen der persönlichen Stimmenabgabe sei unzulänglich gewesen. Die Antragssteller behaupten, dass die verwendeten Plomben problemlos unbemerkt ersetzbar gewesen seien.

25 Sie meinen, dass auch zu bemängeln sei, dass bei der Stimmauszählung keine Kisten eingesetzt worden seien, in welche die Stimmzettel nach jeweils gewählter Vorschlagsliste und die ungültigen Stimmzettel getrennt hätten eingelegt werden können. Sie behaupten, dass mangels solcher Kisten jederzeit Vermischungen zwischen den verschiedenen Stapeln möglich gewesen seien.

26 Sie meinen, dass die Öffentlichkeit bei der Stimmauszählung nicht ordnungsgemäß hergestellt worden sei. Sie behaupten, dass Beobachter die Auszählung wegen der Aufteilung des Raums nicht vollständig hätten verfolgen können. Die Sichtmöglichkeiten seien wegen der Entfernung des Zuschauerbereichs eingeschränkt gewesen. Die Ablage der Stimmzettel habe nicht nachvollzogen werden können.

27 Sie behaupten, dass drei Arbeitnehmern, die trotz Übersendung von Briefwahlunterlagen ihre Stimme im Wahllokal abgeben wollten, dies nicht ermöglicht worden sei. Außerdem sei einem weiteren Arbeitnehmer die Teilnahme an der Wahl verweigert worden, obwohl er erst später aus dem Betriebs ausgeschieden sein.

28 Sie meinen, dass zwei Zwischenauskünfte des Wahlvorstands Unregelmäßigkeiten belegten. Sie behaupten, dass der Wahlvorstand am Vortag des letzten Wahlgangs angegeben habe, dass die Wahlbeteiligung bis dahin 60 Prozent betragen habe. Hiermit ließe sich die vom Wahlvorstand nach der Stimmauszählung bekannt gegebene Wahlbeteiligung von 74 Prozent nicht vereinbaren. Am letzten Tag der Stimmabgabe seien nicht mehr als 35 Wähler im Wahllokal erschienen. Außerdem habe der Wahlvorstand, bevor er die von ihm für gültig erachteten Briefwahlstimmen in die Wahlurne eingelegt habe, angegeben, dass 14 Briefwahlstimmen ungültig seien. Dies passe nicht zu der letztlich festgestellten Anzahl ungültiger Briefwahl stimmen von 13.

29 Die Antragssteller zu 1 bis 4 beantragen,

1. festzustellen, dass die bei der Beteiligten zu 6 in der Zeit vom 11. bis 15. März 2018 durchgeführte Betriebsratswahl nichtig ist,

2. hilfsweise, sie für unwirksam zu erklären.

34 Der Betriebsrat beantragt,

35 die Anträge zurückzuweisen.

36 Der Betriebsrat meint, dass die Anordnung der schriftlichen Stimmabgabe für die Bereiche Werksfeuerwehr, Werksschutz und Betriebsärztlicher Dienst von § 24 Abs. 3 WO gedeckt gewesen sei. Die Vorschrift. sei nach ihrem Sinn und Zweck weit auszulegen bzw. entsprechend anzuwenden. Die Entscheidung des Wahlvorstands sei sachgerecht gewesen, um die Möglichkeit der Teilnahme an der Wahl für die dort beschäftigten Arbeitnehmer während der Arbeitszeit sicherzustellen.

37 Es beständen in den betroffenen Bereichen Besonderheiten, die eine persönliche Stimmabgabe erschwerten oder verhindern könnten. Bei der Werksfeuerwehr und dem Betriebsärztlichen Dienst sei zu berücksichtigen, dass die dortigen Arbeitnehmer häufig zu unplanbaren Einsätzen, z.B. bei Betriebsunfällen, herangezogen würden, die es dann unmöglich machten, ein Wahllokal aufzusuchen. Bei den Arbeitnehmern der Werksfeuerwehr komme hinzu, dass diese 24-Stundendienste leisteten, gefolgt von einer entsprechend langen Zeit ohne Heranziehung zur Arbeit. Es sei deshalb gut möglich, dass sie auch nach einem Einsatz nicht wählen könnten, weil sie frei hätten.

38 Der Betriebsrat behauptet, dass die im Werksschutz tätigen Arbeitnehmer an Einzelarbeitsplätzen ohne Vertretungsmöglichkeit arbeiteten. Sie könnten ihren Arbeitsplatz nicht verlassen, um ihre Stimme persönlich abzugeben. Sie würden teilweise recht weit entfernt voneinander auf dem Werksgelände eingesetzt. Der Wahlvorstand hätte anders als bei der vorangegangenen Wahl nicht die technischen und personellen Möglichkeiten gehabt, um mit mobilen Wahlkabinen die Arbeitnehmer des Werkschutzes aufzusuchen. Der Wahlvorstand habe vor seiner Entscheidung mit dem Leiter des Werkschutzes darüber gesprochen, wie den dortigen Arbeitnehmern sicher ermöglicht werden könne, an der Wahl teilzunehmen. Der Leiter des Werkschutzes habe nicht gewährleisten können, dass er jeweils einen Springer bereitstelle, damit die in seinem Bereich tätigen Arbeitnehmer an der Wahl teilnehmen könnten, zumal an Tor 2 und dem Tor der Hauptverwaltung jeweils nur ein Arbeitnehmer des Werkschutzes je Schicht tätig sei.

39 Entsprechende Schwierigkeiten im Hinblick auf eine Stimmabgabe im Wahllokal beständen bei den Arbeitnehmern in der Produktion nicht. Diese könnten das Wahllokal im Rahmen des Umkleidens vor oder nach ihren Schichten aufsuchen. In dem Belegschaftshaus, in dem sich diese Beschäftigtengruppe umziehe, seien im zeitlichen Zusammenhang mit jeder Schichtart zwei Wahltermine angeboten worden.

40 Unabhängig hiervon begründe die Anordnung der Briefwahl für den Werksschutz, die Werksfeuer und den Betriebsärztlichen Dienst nicht die Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl, weil eine Beeinflussung des Wahlergebnisses ausgeschlossen sei.

41 Es sei davon auszugehen, dass die 38 Arbeitnehmer, die per Briefwahl gewählt haben, obwohl streitig sei, ob diese hätte angeordnet werden dürfen, im Wahllokal jeweils für dieselben Wahlvorschläge gestimmt hätten. Zu berücksichtigen sei auch, dass 52 der 117 Briefwahlstimmen beim Wahlvorstand während der Zeit der persönlichen Stimmabgabe vom 11. bis 15.03.2018 eingetroffen seien. Bei diesen Stimmen könne der abweichende Zeitpunkt der Stimmabgabe nicht die Möglichkeit eines anderen Wahlverhaltens im Wahllokal begründen. Diesen Stimmen liege keine erheblich früher getroffene Wahlentscheidung zugrunde, die später hätte anders ausfallen können.

42 Auch die niedrigere Wahlbeteiligung in den Bereichen Werksschutz, Werksfeuerwehr und Betriebsärztliche Dienst im Vergleich zum Restbetrieb und der höhere Anteil ungültiger Stimmen bei den Briefwählern ließen die Möglichkeit eines anderen Wahlergebnisses nicht hinreichend wahrscheinlich erscheinen. Ohne Anordnung der Briefwahl in den genannten Bereichen hätte es zu 21 weiteren abgegebenen Stimmen und neun weiteren gültigen Stimmen kommen können. Es entspräche jeglicher Lebenswirklichkeit anzunehmen, dass das Wahlergebnis bei diesen hypothetischen 30 zusätzlichen Stimmen im Wesentlichen so wie bei den 944 Beschäftigten gewesen wäre, die tatsächlich ihre Stimme gültig abgegeben haben. Da dort auf die Liste 3 „Liste Zukunft 2020“ zehn Prozent der Stimmen entfallen seien, sei in Bezug auf die 30 möglichen zusätzlichen Stimmen davon auszugehen, dass etwa drei auf diese Liste 3 entfallen wären. Da die Liste 3 sechs Stimmen weniger als die vom Stimmenabstand nächste Liste 6 „Transparenz und Mitbestimmung - Nur mit uns“ erhalten habe, ändere sich das Wahlergebnis hierdurch nicht.

43 Der Betriebsrat meint, dass die von den Antragstellern vorgetragene Äußerung der Geschäftsführerin und Arbeitsdirektoren der Beteiligten zu 6 auf der Nikolausfeier im Jahr 2017 rechtlich nicht zu beanstanden sei. Der Betriebsrat behauptet, dass die IG Metall keine Wahlwerbung über das betriebliche E-Mail-System verbreitet habe. Die von den Antragstellern als E-Mail-Anhänge vorgelegten Aushänge seien, wenn überhaupt, zeitlich weit vor der Einleitung der Wahl über das innerbetriebliche E-Mail-System versandt worden. Im Übrigen habe die IG Metall das innerbetriebliche E-Mail-System auch nur dafür genutzt, um an ihre Vertrauensleute zu schreiben. Die Arbeitgeberin habe auch keine Liste im Hinblick auf die Nutzung von Flächen zur Anbringung von Aushängen mit Wahlwerbung bevorteilt. Der Betriebsrat meint, dass die Aushänge und Flugblätter der IG Metall keine diskriminierenden Inhalte gehabt hätten. Eine Übersetzung der Wahlunterlagen sei nicht erforderlich gewesen, weil die 184 Arbeitnehmer mit ausländischer Staatsangehörigkeit im Betrieb hinreichend Deutsch könnten. Der Betriebsrat meint, dass die Entscheidung des Wahlvorstands, das Wahlausschreiben, die Wählerliste und die Wahlordnung nicht auch an Tor 4 auszuhängen bzw. auszulegen, nicht zu beanstanden sei. Die Versiegelung und Verwahrung der Wahlurnen zwischen den Wahlgängen habe den Anforderungen entsprochen. Auch die öffentliche Stimmauszählung sei ordnungsgemäß erfolgt. Der Betriebsrat bestreitet, dass der Wahlvorstand am Vortag des letzten Wahlgangs Angaben über die bis dahin erreichte Wahlbeteiligung gemacht habe. Er behauptet, dass diese zu diesem Zeitpunkt bei 72 Prozent gelegen habe.

44 Die Arbeitgeberin bestreitet die von den Antragstellern vorgetragene Äußerung ihrer Geschäftsführerin und Arbeitsdirektorin V. E. auf der Nikolausfeier 2017. Sie meint, dass eine entsprechende Äußerung aber ohnehin rechtlich nicht zu beanstanden wäre. Sie verweist darauf, dass nach dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 25.10.2017 für den Arbeitgeber keine allgemein Neutralitätspflicht bei Betriebsratswahlen bestehe (BAG v. 25.10.2017 – 7 ABR 10/16, NZA 2018, 458, zu B II 2 a bb 1 bis 3 der Gründe [Tz. 16 - 18]). Sie behauptet, dass sie auch nicht die Verbreitung von Wahlwerbung durch die IG Metall über das betriebliche E-Mail System geduldet habe. Sie sei gegen die unerlaubte Nutzung des Systems durch die IG Metall unverzüglich durch die E-Mail vom 09.03.2018 vorgegangen. Sie meint, dass der Wahlvorstand keine Übersetzungen in andere Sprachen habe vornehmen müssen. Sie behauptet, dass ihre Arbeitnehmer hinreichend Deutsch könnten.

45 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und auf die Protokolle der Güteverhandlung vom 20.04.2018 (Bl. 57 d.A.) und der Kammerverhandlungen vom 27.06.2018 (Bl. 154 d.A.) und 01.08.2018 (Bl. 195 d.A.) verwiesen.

46 II. Die Betriebsratswahl ist nicht nichtig, aber aufgrund der Anfechtung unwirksam.

47 1. Der Antrag zu 1 ist unbegründet. Die Betriebsratswahl ist nicht nichtig.

48 a) Eine Betriebsratswahl ist nur in ganz besonderen Ausnahmefällen nichtig. Voraussetzung dafür ist ein so eklatanter Verstoß gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr besteht. Es muss sich um einen offensichtlichen und besonders groben Verstoß gegen Wahlvorschriften handeln (BAG v. 13.03.2013 - 7 ABR 70/11, NZA 2013, 738, zu B I 1 der Gründe [Tz. 15]; BAG v. 27.07.2011 - 7 ABR 61/10, NZA 2012, 345, zu B II 2 b aa 1 der Gründe [Tz. 39]; BAG v. 21.07.2004 - 7 ABR 57/03, AP Nr. 15 zu § 4 BetrVG 1972, zu B II 1 b bb 1 der Gründe [Tz. 35]; BAG v. 19.11.2003 - 7 ABR 24/03, NZA 2004, 395, zu B III 1 der Gründe [Tz. 27]). Die Betriebsratswahl muss „den Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn tragen“ (BAG v. 23.07.2014 - 7 ABR 23/12, NZA 2014, 1288, zu B II 2 b bb 1 der Gründe [Tz. 41]; BAG v. 19.11.2003 - 7 ABR 25/03, AP Nr. 55 zu § 19 BetrVG 1972, zu C I 1 der Gründe [Tz. 18]; BAG v. 17.01.1978 - 1 ABR 71/76, DB 1978, 1133, zu II 2 der Gründe [Tz. 17]). Nicht zuletzt wegen der schwerwiegenden Folgen einer von Anfang an unwirksamen Betriebsratswahl kann deren jederzeit feststellbare Nichtigkeit nur bei besonders krassen Wahlverstößen angenommen werden (BAG v. 13.03.2013, a.a.O., zu B I 1 der Gründe [Tz. 15]). Der fehlende Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl muss jedem mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Dritten sofort ohne weiteres erkennbar sein (BAG v. 19.11.2003, a.a.O., zu B III 3 b der Gründe [Tz. 34]). Das Bundesarbeitsgericht hat dies einmal in einem Fall angenommen, in dem während der Amtszeit eines ordnungsgemäß gewählten Betriebsrats für denselben Betrieb ohne begründeten Anlass ein weiterer Betriebsrat gewählt wurde (BAG v. 11.04.1978 - 6 ABR 22/77, BB 1978, 1467, zu II 2 der Gründe [Tz. 9]).

49 b) Nach diesen Maßgaben liegt hier keine Nichtigkeit der angegriffenen Betriebsratswahl vor.

50 Die Antragsteller haben keinen Sachverhalt vorgetragen, bei dem jedem mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Dritten sofort ohne weiteres erkennbar ist, dass es an dem Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl fehlt.

51 Das Gericht hat hierauf bereits in der Güteverhandlung vom 20.04.2018 (Sitzungsprotokoll auf Bl. 57 d.A.) hingewiesen. Auch die daraufhin von den Antragstellern mit Schriftsatz vom 11.06.2018 (Bl. 123 d.A.) zur Begründung der Nichtigkeit der Wahl nochmals vorgebrachten Sachverhalte begründen nicht die Nichtigkeit der Wahl:

52 Es kann offen bleiben, ob die unterbliebene Übersetzung des Wahlausschreibens, der Wählerliste und der Wahlordnung sowie der Umstand, dass diese Unterlagen nicht auch beim Tor 4 ausgehängt bzw. ausgelegt waren, rechtlich überhaupt zu beanstanden sind.

53 Auch kann dahinstehen, ob die Manipulationsmöglichkeiten, welche die Antragssteller sehen, tatsächlich vorgelegen haben.

54 Es liegt jedenfalls kein offensichtlicher und besonders grober Verstoß gegen Wahlvorschriften vor. Die Beanstandungen der Antragsteller betreffen keine so schwerwiegenden Wahlrechtsverstöße, die es ausschließen würden, noch von einer Betriebsratswahl im Sinne des Betriebsverfassungsrechts zu sprechen.

55 Dies gilt auch für die fehlerhafte Anordnung der schriftlichen Stimmabgabe für die Werksfeuerwehr, den Werksschutz und den Betriebsärztlichen Dienst.

56 2. Die Betriebsratswahl ist aber gemäß § 19 Abs. 1 BetrVG unwirksam.

57 Die mit dem Antrag zu 2 erfolgte Anfechtung der Wahl ist erfolgreich.

58 a) Eine Betriebsratswahl ist gemäß § 19 Abs. 1 BetrVG bei einem Verstoß gegen eine wesentliche Wahlvorschrift anfechtbar, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht beeinflusst werden konnte.

59 Anfechtungsberechtigt sind gemäß § 19 Abs. 2 S. 1 BetrVG unter anderen drei wahlberechtigte Arbeitnehmer.

60 Für die Anfechtung gilt gemäß § 19 Abs. 3 S. 2 BetrVG eine Frist von zwei Wochen ab Bekanntgabe des Wahlergebnisses.

61 b) Nach diesen Maßgaben haben die Antragsteller die Betriebsratswahl wirksam angefochten.

62 aa) Ein Verstoß gegen eine wesentliche Wahlvorschrift liegt vor.

63 Der Wahlvorstand hätte für die Bereiche Werksfeuerwehr, Werksschutz und Betriebsärztlicher Dienst nicht allgemein die schriftliche Stimmenabgabe beschließen dürfen.

64 Die Voraussetzungen des vom Wahlvorstand für seinen Beschluss herangezogenen § 24 Abs. 3 S. 1 WO lagen nicht vor.

65 Nach dieser Vorschrift kann für Betriebsteile und Kleinstbetriebe, die räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt sind, die schriftliche Stimmabgabe beschlossen werden.

66 Bei den hier betroffenen Bereichen handelt es sich weder um Betriebsteile noch um Kleinstbetriebe im Sinne von § 24 Abs. 3 S. 1 WO. Werksfeuerwehr, Werksschutz und Betriebsärztlicher Dienst sind auf demselben, einheitlichen Werksgelände angesiedelt wie der restliche Betrieb auch. Es gibt keine Zwischenräume mit außerbetrieblicher Nutzung zwischen diesen Bereichen und dem restlichen Betrieb.

67 Auch das Kriterium der räumlichen Entfernung ist nicht erfüllt. Das Betriebsgelände in L. hat eine längste Ausdehnung von nur etwa zwei Kilometern. Es war den Arbeitnehmern der betroffenen Bereiche entfernungsmäßig ohne weiteres zumutbar, eines der vier eingerichteten Wahllokale auf dem Werksgelände aufzusuchen.

68 Entgegen der Auffassung des Wahlvorstands kann § 24 Abs. 3 S. 1 WO nicht so weit ausgelegt bzw. entsprechend angewandt werden, dass die Anordnung der schriftlichen Stimmabgabe hier rechtmäßig wäre. Eine entsprechend weite Auslegung scheitert an dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift. Einer analogen Anwendung steht nicht nur entgegen, dass Betriebsratswahlen aus Gründen der Rechtssicherheit ein stark formalisiertes Verfahren erfordern, welches eine analoge Anwendung von Wahlvorschriften grundsätzlich ausschließt.

69 Unabhängig hiervon liegen die Voraussetzungen für eine Analogie nicht vor. Es besteht weder eine vergleichbare Interessenlage, noch eine planwidrige Regelungslücke. Eine vergleichbare Interessenlage liegt nicht vor, weil die vom Betriebsrat angeführten Besonderheiten der betroffenen Bereiche nicht die Anordnung der schriftlichen Stimmabgabe rechtfertigen. Der Betriebsrat hätte für die Arbeitnehmer aus den betroffenen Bereichen eine hinreichende Möglichkeit zur persönlichen Stimmabgabe einrichten können, z.B. durch längere Öffnungszeiten der Wahllokale. Alternativ bestand für ihn die Möglichkeit mittels mobiler Wahlurnen Wahllokale jeweils kurzzeitig unmittelbar bei den Arbeitnehmern der betroffenen Bereiche einzurichten, so wie es bei den vorangegangenen Betriebsratswahlen auch erfolgt ist. An einer planwidrigen Regelungslücke fehlt es, weil nicht unterstellt werden kann, dass der Gesetzgeber des Betriebsverfassungsgesetzes und der Verordnungsgeber der Wahlordnung Betriebe wie den hier betroffenen außer Acht gelassen haben. Es ist umgekehrt davon auszugehen, dass das Betriebsverfassungsrecht gerade auf solch große Produktionsbetriebe zugeschnitten ist. Die gesetzlichen Regelungen passen eher für kleinere Einheiten nicht.

70 Die Anordnung der Briefwahl kann hier auch nicht auf eine andere rechtliche Grundlage gestützt werden. § 24 Abs. 1 WO lässt die Briefwahl auf Antrag von Wahlberechtigten zu, wenn diese während der Öffnungszeiten der Wahllokale nicht im Betrieb sind. Nach § 24 Abs. 2 WO hat der Wahlvorstand Arbeitnehmern, die nach der Eigenart ihres Beschäftigungsverhältnisses während der Wahl voraussichtlich nicht im Betrieb anwesend sein werden, die Briefwahl zu ermöglichen. Beide Regelungen sind nicht einschlägig, weil sie jeweils eine Abwesenheit vom Betrieb voraussetzen. Für die zuerst genannte Regelung fehlt es außerdem an den erforderlichen Anträgen auf Briefwahl. Der Wahlvorstand hat die Briefwahl ohne entsprechende Anträge der Wahlberechtigten allgemein angeordnet.

71 Angemerkt werden soll noch, dass die Wahlordnung zum Betriebsverfassungsgesetz die schriftliche Stimmabgabe zu Recht von bestimmten Voraussetzungen abhängig macht. Die Gefahr von Wahlmanipulationen soll möglichst gering gehalten bzw. ganz ausgeschlossen werden. Bei der persönlichen Stimmabgabe im Wahllokal ist das Wahlgeheimnis verfahrensmäßig besser geschützt als bei einer Briefwahl, weil die anwesenden Wahlvorstandsmitglieder bzw. Wahlhelfer gewährleisten können, dass die Wähler ihre Stimme allein in der Wahlkabine abgegeben (vgl. § 12 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 WO). Bei dem Grundsatz der Geheimheit der Wahl handelt es sich um einen wichtigen Wahlrechtsgrundsatz, der nicht ohne weiteres aus Gründen der Praktikabilität für den Wahlvorstand eingeschränkt werden darf. Auch das Ziel einer möglichst hohen Wahlbeteiligung kann nur in den gesetzlich geregelten Grenzen vorgehen.

72 bb) Eine Auswirkung der fehlerhaften Anordnung der Briefwahl auf das Wahlergebnis kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden.

73 Für diese Prüfung gilt ein strenger Maßstab. Nach § 19 Abs. 1 Hs. 4 BetrVG berechtigt ein Verstoß gegen eine wesentliche Wahlvorschrift nur dann nicht zur Anfechtung, wenn durch diesen das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Das ist der Fall, wenn bei einer hypothetischen Betrachtungsweise eine Wahl ohne den Verstoß unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zwingend zu demselben Wahlergebnis geführt hätte (BAG v. 13.10.2004 – 7 ABR 5/04, AP Nr. 1 zu § 2 WahlO BetrVG 1972, zu II 3 der Gründe [Tz. 19]). Lediglich theoretische Möglichkeiten, die nach der Lebenserfahrung ganz unwahrscheinlich sind, können unberücksichtigt bleiben (LAG E. v. 13.12.2016 – 9 TaBV 85/16, juris, zu II B 2 c aa der Gründe [Tz. 55]; LAG E. v. 11.01.2016 – 9 TaBV 74/15, juris, zu II B 2 c aa der Gründe [Tz. 50]). Bei verbleibenden Zweifeln ist die Betriebsratswahl anfechtbar.

74 Nach diesem Maßstab kann eine Beeinflussung des Wahlergebnisses hier nicht ausgeschlossen werden. Die Wahlbeteiligung in den betroffenen Bereichen war deutlich geringer als im restlichen Betrieb. Zudem war die Anzahl der ungültigen Stimmen bei der Briefwahl deutlich erhöht.

75 Deshalb besteht die Möglichkeit, dass ohne Anordnung der Briefwahl in den genannten Bereichen bis zu 21 Beschäftigte zusätzlich gewählt hätten und bis zu neun zusätzliche gültige Stimmen abgegeben worden wären.

76 Der insoweit zutreffende Vortrag des Betriebsrats ist der Entscheidung zugrunde zu legen:

77 - Es muss die Möglichkeit berücksichtigt werden, dass die Wahlbeteiligung in den Bereichen Werksfeuerwehr, Werksschutz und Betriebsärztlicher Dienst ohne Anordnung der Briefwahl so wie im übrigen Betrieb gewesen wäre.

78 Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass Grund für die niedrigere Wahlbeteiligung gerade die Anordnung der Briefwahl war.

79 Nach diesen Maßgaben sind gedanklich 21 mögliche zusätzliche Stimmen zu berücksichtigen:

80 Bei einer Wahlbeteiligung wie im Restbetrieb von 76 Prozent hätten die betroffenen Arbeitnehmer 59 statt 38 Stimmen abgegeben, es hätten dann nämlich 76 Prozent von 78 Wahlberechtigten gewählt. Das sind 21 Stimmen mehr.

81 Die Wahlbeteiligung außerhalb der betroffenen Bereiche lag bei 76 Prozent. Es sind 954 Stimmen im Restbetrieb abgeben worden, nämlich 994 im Gesamtbetrieb abzüglich 40 in den betroffenen Bereichen. Diese Zahl ist in das Verhältnis zu setzen zu 1.260 Wahlberechtigten im Restbetrieb, nämlich 1.343 Wahlberechtigten im Gesamtbetrieb abzüglich 83 Arbeitnehmern in den betroffenen Bereichen. 954 abgegebene Stimmen bei 1.260 Wahlberechtigten im Restbetrieb ergibt eine Wahlbeteiligung von 76 Prozent.

82 Für die Bereiche Werksfeuerwehr, Werksschutz und Betriebsärztlicher Dienst sind in die Berechnung 78 statt 83 Wahlberechtigte und 38 statt 40 abgegebene Stimmen einzustellen. Die zwei Arbeitnehmer, die in der Zeit der Öffnung der Wahllokale vom 11. bis 15.03.2018 auf dem Werksgelände in C. gearbeitet haben, und die drei Arbeitnehmer der Werksfeuerwehr, die in außerbetrieblichen Ausbildungsabschnitten waren, müssen außer Betracht bleiben. Die Anordnung der Briefwahl war für diese fünf Arbeitnehmer gemäß § 24 Abs. 2 WO zulässig. Bei der Zahl der abgegebenen Stimmen sind die beiden vom Betriebsrat angegebenen Stimmen aus dem Kreis dieser fünf Arbeitnehmer abzuziehen.

83 - Es muss außerdem die Möglichkeit berücksichtigt werden, dass ohne Anordnung der Briefwahl in den Bereichen Werksfeuerwehr, Werksschutz und Betriebsärztlicher Dienst neun ungültige Stimmen gültig gewesen wären.

84 Es ist nämlich nicht auszuschließen, dass Grund für den höheren Anteil ungültiger Stimmen bei der Briefwahl gerade die Briefwahl war. Dies gilt insbesondere deswegen, weil der in der Niederschrift über die öffentliche Öffnung der Briefwahlumschläge (Bl. 151 d.A.) angegebene Grund für die 13 ungültigen Briefwahlstimmen nur bei der Briefwahl auftreten kann. Die 13 Briefwähler haben ihren Wahlumschlägen nicht die vorgedruckte Erklärung nach § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 WO über die persönliche Kennzeichnung des Stimmzettels gemäß § 25 S. 1 Nr. 3 WO beigefügt. Bei der persönlichen Stimmabgabe muss keine Erklärung eingefügt werden. Ein Verstoß gegen § 25 S. 1 Nr. 3 WO ist nicht möglich.

85 Außerdem muss mangels anderer Anhaltspunkte die Möglichkeit berücksichtigt werden, dass der erhöhte Anteil ungültiger Stimmen ganz aus den Bereichen Werksfeuerwehr, Werksschutz und Betriebsärztlicher Dienst stammt.

86 Nach diesen Maßgabe errechnen sich die neun gedanklich zusätzlich zu berücksichtigenden gültigen Stimmen wie folgt: Der Anteil ungültiger Stimmen im Gesamtbetrieb lag bei drei Prozent; von 94 abgegebenen Stimmen waren 28 ungültig. Von den 117 Briefwahlstimmen wären bei diesem Anteil ungültiger Stimmen 113 Stimmen gültig gewesen, nämlich 117 Briefwahlstimmen abzüglich drei Prozent. Das sind neun mehr. Tatsächlich waren höchstens 104 Briewahlstimmen gültig. Diese Zahl ergibt sich, wenn man von den 117 abgegebenen Briefwahlstimmen die 13 ungültigen Briefwahlstimmen abzieht, denen die Erklärung über die persönliche Kennzeichnung des Stimmzettels nicht beigefügt war. Die Frage, ob weitere Briefwahlstimmen aus anderen Gründen ungültig waren, lässt sich nicht beantworten. § 26 Abs. 1 S. 2 WO schließt dies aus, weil die Wahlumschläge aus der Briefwahl nicht mehr von den übrigen unterschieden werden können, nachdem sie in die Wahlurne eingelegt worden sind.

87 Vor diesem Hintergrund kann nicht ausgeschlossen werden, dass es ohne Anordnung der Briefwahl für Werksfeuerwehr, Werksschutz und Betriebsärztlichen Dienst zu einem anderen Wahlergebnis hätte kommen können. Der geringste Abstand zwischen zwei Vorschlagslisten beträgt sechs Stimmen, nämlich zwischen der Liste 3 „Liste Zukunft 2020“ mit 97 Stimmen und der Liste 6 „Transparenz und Mitbestimmung - Nur mit uns“ mit 103 Stimmen. Es ist möglich, dass von den 30 gedachten zusätzlichen Stimmen sechs auf Liste 3 und keine auf Liste 6 entfallen wären. Dann hätten beide Vorschlagslisten 103 Stimmen gehabt, so dass gemäß § 15 Abs. 2 WO das Los entschieden hätte, welche Liste den Betriebsratssitz erhält.

88 Entgegen der Auffassung des Betriebsrats lässt sich keine dahingehende Aussage treffen, dass von den 30 gedachten zusätzlichen Stimmen nur etwa drei auf die Liste 3 entfallen wären. Der Wahlerfolg der Liste 3 von zehn Prozent im Übrigen kann nicht auf die 30 gedachten zusätzlichen Stimmen übertragen werden. Es ist möglich, dass sich bei diesen Stimmen eine ganz andere Verteilung ergeben hätte, zumal sie aus bestimmten Bereichen stammen, so dass Sonderinteressen bestehen können.

89 Die Kammer kann offen lassen, ob ganz unwahrscheinliche Fälle, wie dass alle 30 weiteren Wähler für eine bestimmte Liste hätten stimmen können, als nur theoretische Möglichkeit nach der Lebenserfahrung außer Betracht bleiben müssen. Vorliegend geht es nicht um einen solchen Fall. Schon bei einer Verdoppelung des Wahlergebnisses der Liste 3 von zehn auf 20 Prozent ist, wenn gleichzeitig die von elf Prozent gewählte Liste 6 keine Stimme erhält, ein anderes Wahlergebnis möglich. Dieser Falllässt sich nicht ausschließen, auch wenn er nicht wahrscheinlich ist.

90 Die Kammer musste auch nicht die im Termin vom 27.06.2018 erörterte Frage beantworten, inwieweit berücksichtigt werden muss, dass von den 38 irregulären Briefwählern welche aufgrund einer früher getroffenen Wahlentscheidung womöglich anders gewählt haben, als sie es im Wahllokal getan hätten. Insoweit sei aber nochmals auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 27.01.1993 verwiesen. Das Bundesarbeitsgericht hat es dort in einem vergleichbaren Fall nicht ausgeschlossen, dass „einige“ Arbeitnehmer anders gewählt hätten, wenn sie ihre Stimme zu einem späteren Zeitpunkt persönlich abgegeben hätten (BAG v. 27.01.1993 – 7 ABR 37/92, NZA 1993, 949, zu B III 2 c der Gründe [Tz. 55]). Die Frage, wie viele Wähler im vorliegenden Zusammenhang „einige“ in diesem Sinne sind, kann offen bleiben.

91 cc) Die vier Antragssteller sind gemäß § 19 Abs. 2 S. 1 BetrVG als wahlberechtigte Arbeitnehmer des Betriebs auch berechtigt, die Betriebsratswahl anzufechten.

92 dd) Die Anfechtung erfolgte auch fristgemäß innerhalb der zweiwöchigen Frist des

93 § 19 Abs. 2 S. 1 BetrVG.