Gewerkschaft: Zeugnisverweigerungsrecht des zuständigen Gewerkschaftssekretärs im Rechtsstreit mit dem Arbeitgeber hinsichtlich der gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer

LAG Hamm 3 TaBV 92/94 vom 10. Aug. 1994

Leitsatz

Ein Gewerkschaftssekretär darf als Zeuge in einem Verfahren, in dem die Arbeitgeberin Beteiligte ist, die Nennung der Namen der von der Arbeitgeberin beschäftigten gewerkschaftsangehörigen Arbeitnehmer, die ihm aufgrund seiner Stellung als zuständiger Sekretär für den Betrieb bekannt geworden sind, verweigern, wenn die Arbeitnehmer damit nicht einverstanden sind. Insoweit steht dem Gewerkschaftssekretär ein Aussageverweigerungsrecht nach • 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu.

Gründe

A.
In dem beim Arbeitsgericht Hagen am 11.02.1994 eingereichten Beschlussverfahren streiten die Beteiligten darüber, ob das Gericht gemäß • 17 Abs. 3 Satz 1 BetrVG einen Wahlvorstand zur Durchführung einer Betriebsratswahl bestellen muss.

Die Antragsgegnerin des Verfahrens ist eine GmbH (künftig: Arbeitgeberin), mit Sitz in S., die mit ca. 45 Arbeitnehmern eine Armaturenfabrik betreibt. Die Antragstellerin des Verfahrens ist die IG Metall.

Für den 04.02.1994 lud die IG Metall durch ihren für den Betrieb der Arbeitgeberin zuständigen Gewerkschaftssekretär L. die Belegschaft der Arbeitgeberin zu einer Versammlung ein, auf der ein Wahlvorstand für die Wahl eines Betriebsrats - ein solcher bestand und besteht für die Belegschaft der Arbeitgeberin bisher nicht - gewählt werden sollte. Die Betriebsversammlung wählte keinen Wahlvorstand.

Die IG Metall hat gemeint, der Wahlvorstand sei nunmehr gerichtlich mit den von ihr vorgeschlagenen außerbetrieblichen gewerkschaftlichen Funktionsträgern zu bestellen. Die IG Metall hat dazu behauptet, sie sei eine im Betrieb der Arbeitgeberin vertretene Gewerkschaft. Herr Gewerkschaftssekretär L. könne als Zeuge bekunden, dass mindestens ein Arbeitnehmer der Arbeitgeberin ihr Mitglied sei. Allerdings werde und brauche der Zeuge nicht den Namen des Arbeitnehmers zu nennen. Die Arbeitnehmer könnten dadurch Nachteile erleiden, denn auf der Versammlung am 04.02.1994 habe der Verkaufsleiter der Arbeitgeberin erneut erklärt., die Kosten des Betriebsrates müssten möglicherweise durch Kündigungen von zwei Arbeitnehmern ausgeglichen werden, und die Arbeitgeberin lehne einen Betriebsrat ab.

Im Kammertermin vom 08.06.1994 des Arbeitsgerichts hat die IG Metall beantragt,

zur Durchführung einer Betriebsratswahl bei der Antragsgegnerin einen Wahlvorstand, bestehen aus

- Gewerkschaftssekretär...

- und als Stellvertreter für... Herrn...

- als Stellvertreter für...... zu bestellen.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat in dem Termin durch uneidliche Vernehmung des Gewerkschaftssekretärs L. als Zeugen Beweis darüber erhoben, ob die IG Metall im Betrieb der Arbeitgeberin vertreten ist. Der Zeuge hat bekundet, es seien insgesamt 14 Mitarbeiter der Arbeitgeberin Mitglieder der IG Metall in H., und zwar zwischen 2 und 21 Jahren. Diese Mitarbeiter seien auch am heutigen Tage Mitglieder der IG Metall und gehörten nicht zum Kreis der leitenden Angestellten. Die Beschäftigten gehörten zum Kreis der gewerblichen Arbeitnehmer und seien alle Männer. Er sei seit 1987 bei der Verwaltungsstelle H. der für die Betreuung der Arbeitgeberin zu ständige Fachsekretär.

Auf Vorhalt des Gerichts erklärte der Zeuge, die Frage nach den Namen dieser Mitarbeiter werde er nicht beantworten. Er berufe sich insofern auf sein Zeugnisverweigerungsrecht.

Das Arbeitsgericht hat durch am 08.06.1994 verkündetes Zwischenurteil gemäß • 387 ZPO (richtig: Zwischenbeschluss im Beschlussverfahren) wie folgt entschieden:

A.

Der Zeuge L. ist nicht berechtigt, die Namen der gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer der Antragsgegnerin zu verweigern. - Ihm steht insoweit kein Zeugnisverweigerungsrecht zu."

Das Arbeitsgericht hat zur Begründung dazu unter anderem ausgeführt, gemäß • 396 ZPO habe der Zeuge eine vollständige Aussage zu machen. Ein gesetzliches Zeugnisverweigerungsrecht stehe ihm nach •• 383, 384 ZPO nicht zu.

Im Übrigen wird auf die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe verwiesen.

Gegen diesen Zwischenbeschluss haben die IG Metall und der Gewerkschaftssekretär L. form- und fristgerecht sofortige Beschwerde beim Landesarbeitsgericht Hamm eingelegt.

Die Beschwerdeführerin und der Beschwerdeführer meinen, dem Zeugen stehe nach • 383 Abs. 1 Ziff. 6 ZPO ein Zeugnisverweigerungsrecht zu. Im Übrigen seien die Namen der Arbeitnehmer vorliegend ohne rechtliche Bedeutung. Der Zeuge sei auch nicht zur Nennung der Namen benannt worden.

Die IG Metall und Herr L. beantragen,

in Abänderung des angefochtenen Beschlusses (Zwischenurteils) dem Zeugen L. die Berechtigung zur Zeugnisverweigerung in Bezug auf die Namen der gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer der Antragsgegnerin im vorliegen den Verfahren zuzubilligen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den vorgetragenen Akteninhalt verwiesen.

B.

I.

1. Nur die sofortige Beschwerde des Zeugen ist nach •• 83 Abs. 5, 78 Abs. 1 ArbGG, 387 Abs. 3, 567 bis 577 ZPO zulässig.

2. Dagegen ist die sofortige Beschwerde der IG Metall mangels einer Beschwer durch den erstinstanzlichen Zwischenbeschluss unzulässig. Die in diesem Verfahren beweisführende IG Metall hat gemäß • 390 ZPO Anspruch auf Vernehmung des, von ihr benannten Zeugen. Eine Ausnahme von diesem Anspruch besteht nur dann, wenn ein Aussageverweigerungsrecht des Zeugen feststeht und dieser davon Gebrauch macht oder wenn im Wege des • 387 ZPO, also durch den hier vorliegenden Zwischenstreit, das Aussageverweigerungsrecht festgestellt wird (so auch: OLG Frankfurt/M., Beschluss, vom 29.09.1982, MDR 1983, 236 m.w.N.). Deshalb ist die IG Metall nur durch ein erstinstanzlich festgestelltes Aussageverweigerungsrecht des Zeugen beschwert und nicht durch das erstinstanzlich ausgesprochene Gegenteil.

II.

Die sofortige Beschwerde des Zeugen ist auch begründet.

1. Der Zeuge ist nicht verpflichtet, die Namen der im Betrieb der Arbeitgeberin beschäftigten Gewerkschaftsmitglieder ohne deren Einwilligung zu nennen. Insoweit steht dem Zeugen ein Aussageverweigerungsrecht gemäß • 383 Abs. l Ziff. 6 ZPO zu.

2. Nach • 383 Abs. 1 Ziff. 6 ZPO darf unter anderem ein Zeuge die Aussage verweigern, dem kraft seines Standes Tatsachen anvertraut worden sind, deren Geheimhaltung durch ihre Natur oder durch gesetzliche Vorschriften in Betreff auf Tatsachen geboten ist, auf welche die Verpflichtung zur Verschwiegenheit sich bezieht.

a) Als dem für den Betrieb der Arbeitgeberin zuständigen Gewerkschaftssekretär, also kraft seines Standes, sind dem Zeugen die Namen von den dort beschäftigten Gewerkschaftsmitgliedern mitgeteilt und damit anvertraut worden.

b) Jedenfalls gegenüber der hier verfahrensbeteiligten Arbeitgeberin ist dem Zeugen die Geheimhaltung der Arbeitnehmernamen durch gesetzliche Vorschriften bis zur Einwilligung der Arbeitnehmer geboten.

Wie schon durch Beschluss vom 25.03.1992 das Bundesarbeitsgericht (in AP Nr. 4 zu • 2 BetrVG 1972 Bl. 17 R a.E.) in Übereinstimmung mit der erkennenden Kammer ausgeführt hat, ist die Frage eines Arbeitgebers nach der Gewerkschaftszugehörigkeit unzulässig und die Arbeitnehmer sind nicht zu einer wahrheitsgemäßen Beantwortung dieser Frage verpflichtet, sie können also insoweit sanktionslos den Arbeitgeber belügen. Diese Rechtsposition der Arbeitnehmer leitet sich aus ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 GG) ab (vgl. dazu: Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 7. Aufl., • 26 III 2 b m.w.N. auch der BAG-Rechtsprechung). Der Arbeitgeber darf damit nur solche Fragen den Arbeitnehmern stellen, die mit dem Arbeitsplatz oder zu leistenden Arbeit in Zusammenhang stehen. Das ist für die Gewerkschaftszugehörigkeit zu verneinen.

Diese Rechtsposition der gewerkschaftsangehörigen Arbeitnehmer der Arbeitgeberin, diese sogar bei der Befragung nach der Gewerkschaftszugehörigkeit belügen zu dürfen, würde völlig entwertet, wenn der Arbeitgeberin über den Zeugen die Namen der gewerkschaftsangehörigen Arbeitnehmer doch bekannt gegeben werden müssten. Zum Schutze des von den Arbeitnehmern durch das Grundgesetz gewährten Persönlichkeitsrechtes ist deshalb dem Zeugen das Aussageverweigerungsrecht bis zur Einwilligung der Arbeitnehmer zuzubilligen.

III.

Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel statthaft (• 78 Abs. 2 ArbGG).