Betriebsratswahl: Unzulässige Beeinflussung durch Arbeitgeber

LAG Hamburg 2 TaBV 2/98 vom 12. März 1998

Leitsatz

1. Wird ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im Beschlussverfahren vom Arbeitsgericht ohne mündliche Verhandlung abgewiesen, so ist gegen diese Entscheidung die einfache Beschwerde gemäß § 567 ZPO gegeben.

2. Über die Beschwerde entscheidet der Vorsitzende allein, solange eine mündliche Verhandlung nicht durchgeführt wird.

3. Der Arbeitgeber bzw. dessen leitende Angestellte dürfen nicht durch Schaffung der Voraussetzung für die Einreichung einer Liste (hier Sammlung von Stützunterschriften) aktiv auf das Wahlverfahren Einfluss nehmen.

4. Der Wahlvorstand hat das Recht, im Falle unzulässiger Wahlbeeinflussung durch den Arbeitgeber bzw. dessen leitenden Angestellten, eine so zustande gekommene Liste zurückzuweisen.

Gründe

Die Beschwerde ist gemäß § 567 ZPO als einfache Beschwerde statthaft. Ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ohne mündliche Verhandlung abgewiesen worden, so ist gegen diese Entscheidung für den Antragsteller die einfache Beschwerde gegeben (Germelmann/Matthes/Prütting, Rdn. 47 zu § 85 ArbGG). Nachdem das Arbeitsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen hat, ist nunmehr durch das Beschwerdegericht über die Beschwerde zu entscheiden.

Insoweit ergibt sich aus der Anwendung des § 78 Abs. 1 ArbGG die weitere Folge, dass die Entscheidung des Beschwerdegerichts durch den Vorsitzenden allein erfolgt, solange eine mündliche Verhandlung nicht durchgeführt wird. Aus § 85 Abs. 2 ArbGG folgt nicht, dass die Kammer zuständig ist. Die Kammerzuständigkeit betrifft Entscheidungen im Rahmen der Geltung des Achten Bandes der Zivilprozessordnung. Hierzu gehört aber die Beschwerdeentscheidung nach § 567 ZPO nicht.

Die Beschwerde ist aber in der Sache nicht begründet.

Das Beschwerdegericht folgt im Wesentlichen den Ausführungen des Arbeitsgerichts in seiner Grundentscheidung und im Nichtabhilfebeschluss und nimmt darauf Bezug.

Das Beschwerdegericht folgt dem Arbeitsgericht insbesondere dahin, dass die Zulassung des Wahlvorschlags "Liste Hiestermann" nur dann in Betracht kommt, wenn die Entscheidung des Wahlvorstandes, die Vorschlagsliste nicht zuzulassen, mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig ist. Zum einen beruht dies darauf, dass durch eine positive Entscheidung des Antrags endgültig auf die Durchführung der Wahl Einfluss genommen würde, wobei im Rahmen eines nachfolgenden Anfechtungsrechtsstreits endgültig geprüft würde, ob das Gericht einen Anfechtungsgrund beseitigt oder aber durch die Verfügung erst geschaffen hat. Erst wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit feststeht, dass der Wahlvorstand fehlerhaft gehandelt hat, bedarf es einer Vorabkorrektur im summarischen Verfahren, um eine ordnungsgemäße Wahl sicherzustellen.

Das Beschwerdegericht teilt die Auffassung des Arbeitsgerichtes, dass die entscheidende Frage im vorliegenden Fall ist, ob der Umstand, dass der Justitiar der Firma... die Stützunterschriften für die Vorschlagsliste des Antragstellers gesammelt hat, es rechtfertigt, diesen Vorschlag zurückzuweisen. Die Entscheidung des Wahlvorstandes erscheint insoweit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit unrichtig, im Gegenteil sprechen erhebliche Gesichtspunkte für die Berechtigung des diesbezüglichen Vorgehens.

Zu Recht geht das Arbeitsgericht davon aus, dass es dem Arbeitgeber über die speziellen Verbote des § 20 BetrVG hinaus verwehrt ist, in irgendeiner Weise auf die Wahlentscheidung Einfluss zu nehmen. Die Bildung und Zusammensetzung des Betriebsrates ist ausschließlich eine Angelegenheit der Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber hat sich als Gegenspieler des Betriebsrates jeglichen Einflusses auf dessen Zusammensetzung zu enthalten (Fitting/Kaiser/Heither/Engels, Rdn. 18 zu § 20 BetrVG; Dietz/Richardi, Rdn. 18 zu § 20 BetrVG; Vogt, Behinderung und Beeinflussung von Betriebsratswahlen, BB 1987, 189, 190). Dies bedeutet nicht nur, dass der Arbeitgeber keine Wahlpropaganda für eine Liste machen darf, erst recht darf er nicht durch Schaffung der Voraussetzungen für die Einreichung einer Liste aktiv auf das Wahlverfahren Einfluss nehmen.

Dieses Verbot gilt nicht für den Arbeitgeber, sondern auch für leitende Angestellte. Der Gesetzgeber hat die leitenden Angestellten aus dem Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes ausgenommen. Leitende Angestellte nehmen typische Unternehmeraufgaben mit einem eigenen erheblichen Entscheidungsspielraum und befinden sich damit gleichzeitig in einem Interessengegensatz zum Betriebsrat bzw. den Arbeitnehmern. Daraus folgt, dass die leitenden Angestellten dem Unternehmen und damit dem Arbeitgeberbereich zugeordnet sind. Ihre Stellung im Betrieb verbietet es ihnen daher in gleicher Weise wie den Organen des Arbeitgebers, auf die Zusammensetzung des Betriebsrates Einfluss zu nehmen.

Insoweit ist es in der Sache unerheblich, ob Herr... Personalleiter oder "nur" Justitiar ist. An seiner Eigenschaft als leitender Angestellter bestehen keine Zweifel. Im betriebsverfassungsrechtlichen Beschlussverfahren tritt er, wie der Beteiligte zu 2) glaubhaft gemacht hat, für den Arbeitgeber gegen den Betriebsrat auf. Sein Interessengegensatz zum Betriebsrat ist somit evident. Seine aktiven Bemühungen, einen gültigen Wahlvorschlag in Konkurrenz zur sog. "Allgemeinen Liste" zustande zu bringen, ist eine konkret auf die Betriebsratswahl orientierte Tätigkeit, die den Bereich der Wahlbeeinflussung sogar noch überschreitet, vielmehr aktiv auf die Zusammensetzung des Betriebsrates zielt. Diese Form von Tätigkeit steht ihm in seiner Eigenschaft als leitender Angestellter nicht zu. Auf die entsprechend plastische Darstellung des Arbeitsgerichts im Nichtabhilfebeschluss wird in diesem Zusammenhang Bezug genommen. Ohne die Tätigkeit des dem Arbeitgeber zuzurechnenden Herr... hätte der Antragsteller niemals einen ordentlichen Wahlvorschlag einreichen können, zumindest hat er es nicht versucht.

Der Wahlvorstand hat nicht nur dafür zu sorgen, dass die Vorschriften der Wahlordnung eingehalten werden, er hat auch dafür zu sorgen, dass grundlegende Vorschriften des Wahlverfahrens, wie das Verbot unzulässiger Wahlbeeinflussung, eingehalten werden. In dem ein dem Arbeitgeber zuzuordnender leitender Angestellter aktiv auf das Zustandekommen eines Wahlvorschlages hinwirkt, ist der Verdacht einer unzulässigen Beeinflussung der Wahl begründet und gibt damit dem Wahlvorstand das Recht, den entsprechenden Wahlvorschlag zurückzuweisen.

Das Beschwerdegericht kann unterstellen, dass dem Wahlvorstand an der Durchführung einer sog. "Persönlichkeitswahl" gelegen war. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeentscheidung nicht darauf beruht, dass der Antragsteller einen eigenen Wahlvorschlag einreichen wollte, um auf diese Weise eine Verhältniswahl durchzusetzen. Dies ist das gute Recht jedes Arbeitnehmers und vom Gesetzgeber als Regelfall für die Betriebsratswahl vorgesehen. Daran ändern auch Absprachen im Betrieb unter den Arbeitnehmern nichts.

Dieses Recht kann und darf nicht beschnitten werden. Der Antragsteller ist aber auf den insoweit zulässigen Weg zu verweisen und darf nicht mit Hilfe des Arbeitgebers oder eines leitenden Angestellten diesen Weg beschreiten.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht schließlich entschieden, dass eine durch Verletzung der Neutralitätspflicht des Arbeitgebers zustande gekommene Vorschlagsliste nicht mehr korrigiert werden kann, zumindest würde eine solche Verpflichtung zum derzeitigen Zeitpunkt nicht mehr bis zum Beginn der Wahl durchgesetzt werden können.

Nach allem war die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichtes zurückzuweisen.