Betriebsrat: Wahlrecht von Trainees

LAG Frankfurt 12 TaBV 21/97 vom 12. Feb. 1998

Leitsatz

Die Trainees einer Großbank wählen im Praxisjahr nur zum Betriebsrat der Einsatz-Filiale und nicht zum Betriebsrat der Zentrale.

Gründe

I.

Die Beteiligten haben über die betriebsverfassungsrechtliche Zuständigkeit des Antragstellers für die Beschäftigungsverhältnisse der von der Arbeitgeberin eingestellten Trainees gestritten.

Die Arbeitgeberin ist eine bundesdeutsche Großbank mit Zentrale in Frankfurt am Main. Der Antragsteller ist der Betriebsrat der Zentrale. Er vertritt rund 3.000 Mitarbeiter. Es bestehen neben der Zentrale ca. 260 betriebsverfassungsrechtlich selbständige Filialen im Bereich der Bundesrepublik.

Die Arbeitgeberin wirbt bundesweit Hochschulabsolventen als Nachwuchsführungskräfte an (Trainees). Bewerberauswahl (über Zeitungsanzeigen und z. T. Informationsbroschüren (vgl. Bl. 4 bis 15 d. A.)) und Vertragsabschluss erfolgen durch die Zentrale mit mehrmonatlichem Vorlauf vor Dienstbeginn. Bei der Einstellung ist der Antragsteller (Betriebsrat der Zentrale) nach § 99 BetrVG beteiligt.

Die Trainees werden nach Dienstantritt von Anfang an nicht in der Zentrale sondern in der Regel in nur einer Filiale für etwa ein Jahr eingesetzt, die zumeist im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht feststeht. Insoweit wird von den Trainees "uneingeschränkte Mobilität" erwartet. Erstinstanzlich war zwischen den Beteiligten streitig, ob auch während dieses einen Jahres der Antragsteller für diese Trainees betriebsverfassungsrechtlich zuständig ist oder die jeweiligen Filial-Betriebsräte.

Der Antragsteller hat insoweit geltend gemacht, er sei auch während dieser Praxiszeit zuständig, weil die Trainees von der Zentrale bezahlt und von dieser in etwa sieben bis acht Seminarveranstaltungen von in der Regel einer Woche überregional aus- und weitergebildet würden.

Die Zentrale der Arbeitgeberin koordiniere ihre Berufsausbildung. Sie bleibe für Versetzungen von einer Filiale zu einer anderen und für Gehaltsänderungen sowie die Urlaubserteilung zuständig.

Er hat beantragt,

festzustellen, dass er zuständig für die Beschäftigungsverhältnisse der Trainees ist;

hilfsweise,

festzustellen, dass die Trainees wahlberechtigt sind zur Wahl des Betriebsrats der Zentrale in Frankfurt am Main der Arbeitgeberin;

hilfsweise hierzu,

festzustellen, dass die Wahlberechtigung im Sinne des vorgenannten Hilfsantrages jedenfalls solange besteht, als die Trainees kostenstellenmäßig für die Zentrale Frankfurt am Main der Arbeitgeberin erfasst sind.

Die Arbeitgeberin hat Antragszurückweisung beantragt und gemeint, für die Trainees seien während des Praxisjahres nur die örtlichen (Filial-)Betriebsräte zuständig. Sie seien in den Filialbetrieb eingegliedert. Sie unterstünden fachlich und disziplinarisch den Filialleitungen und erhielten von diesen auch die Beurteilung. Jede Filiale habe einen Trainee-Betreuer. Über Urlaub und Arbeitszeit der Trainees entscheide allein die Filiale. Die Trainees nähmen in der Regel an einem dezentralen und zwei zentralen Seminaren während des Praxisjahres teil.

Das Arbeitsgericht hat dem ersten Hilfsantrag des Betriebsrats der Zentrale stattgegeben und dessen Antrag im Übrigen zurückgewiesen. Wegen der hierfür gegebenen Begründung wird auf Bl. 124 bis 131 d. A. Bezug genommen.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihr auf völlige Antragszurückweisung gerichtetes Verfahrensziel weiter (Bl. 174 d. A.). Sie meint, das Erstgericht habe irrig angenommen, die Trainees förderten den Betriebszweck der Zentrale. Sie "dienten" nicht dem Betriebszweck der Nachwuchsförderung, vielmehr beziehe sich dieser auf sie. Sie könnten mithin nicht den arbeitstechnischen Zweck ihrer eigenen Ausbildung fördern. Da sie auch sonst keine arbeitstechnischen Zwecke der Zentrale wahrnahmen, könne für sie nur von einer Eingliederung in die jeweilige Filiale und dem dortigen Betrieb die Rede sein. Weisungen erteile die Zentrale an sie nicht. Insgesamt komme somit für sie auch kein Wahlrecht zum Betriebsrat der Zentrale, auch kein doppeltes (sowohl zum Betriebsrat der Zentrale als auch zum Betriebsrat der Filiale), in Betracht.

Der betriebsverfassungsrechtliche Schwerpunkt liege bei ihrer Eingliederung zur Ausbildung und Arbeitsleistung in einer Filiale, wo sie auch zum Betriebsrat wählen könnten.

Der Betriebsrat verteidigt den angefochtenen Beschluss mit ergänzenden Rechts- und Sachausführungen. Er hat im Beschwerdetermin seinen allein weiterverfolgten Sachantrag wie folgt klargestellt:

festzustellen, dass die in einer innerdeutschen Filiale der Arbeitgeberin im Zeitpunkt der Durchführung regelmäßiger Betriebsratswahlen im Rahmen der einjährigen Praxiszeit eingesetzten Trainees den Antragsteller (Betriebsrat der Zentrale) mitzuwählen berechtigt sind.

Ergänzend wird auf den sonstigen Akteninhalt erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

Entgegen der Ansicht des Erstgerichts wählen die Trainees im Praxisjahr nicht zum Betriebsrat der Zentrale, sondern nur zu den jeweiligen Filial-Betriebsräten.

1.) Im rechtlichen Ausgangspunkt folgen hierzu die Beschwerderichter der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.

Danach steht das aktive Wahlrecht i. S. d. § 7 BetrVG nur den betriebsangehörigen Arbeitnehmern zu (BAG, Beschl. v. 20.03.1996 - 7 ABR 34/95 - AP Nr. 10 zu § 5 BetrVG 1972 Ausbildung (zu B II 2 d. Gr.)). Zu den konstituierenden Merkmalen der Betriebszugehörigkeit gehören grundsätzlich zwei Komponenten: einerseits ein Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber und andererseits die tatsächliche Eingliederung in die Betriebsorganisation (BAG, Beschl. v. 18.01.1989 - 7 ABR 21/88 - AP Nr. 1 zu § 9 BetrVG 1972 (zu B III b d. Gr.); ferner: Beschl. v. 29.01.1992 - 7 ABR 27/91 - AP Nr. 1 zu § 7 BetrVG 1972 (zu III 1 ad. Gr.)).

Die Eingliederung muss sich bei der berufspraktischen Ausbildung im Rahmen der jeweiligen arbeitstechnischen Zwecksetzung des Betriebes vollziehen, zu dessen Erreichen die betriebsangehörigen Arbeitnehmer zusammenwirken. Dazu muss die Berufsausbildung mit dem laufenden Dienstleistungsprozess des Betriebes verknüpft sein. Das ist der Fall, wenn die Auszubildenden mit solchen Tätigkeiten beschäftigt werden, die zu den beruflichen Aufgaben der Arbeitnehmer dieses Betriebes gehören (BAG, Beschl. v. 20.03.1996 - 7 ABR 46/95 - AP Nr. 9 zu § 5 BetrVG 1972 Ausbildung (zu B III d. Gr.)).

Für die Betriebszugehörigkeit - auch die der Auszubildenden - ist mithin kennzeichnend die Verwirklichung des arbeitstechnischen Betriebszwecks durch weisungsgebundene Tätigkeit (BAG, Beschl. v. 20.03.1996 - 7 ABR 34/95 - AP Nr. 10 zu § 5 BetrVG 1972 Ausbildung (zu B II 2 d. Gr.)).

2.) Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze ist ein Wahlrecht der Trainees zum Betriebsrat der Zentrale während des praktischen Jahres nicht gegeben.

Sie wählen vielmehr zum Betriebsrat der jeweiligen Ausbildungs-Filiale.

Sie sind in die betriebliche Organisation der Filiale eingegliedert.

Sie wirken neben anderen Arbeitnehmern der Filiale am arbeitstechnischen Zweck derselben weisungsgebunden mit. Das ist unstreitig.

Zudem fällt in der jeweiligen Filiale auch die deutliche Mehrzahl der sie persönlich betreffenden mitbestimmungspflichtigen Entscheidungen, insbesondere zur Urlaubserteilung, zur Arbeitszeit und zur Ordnung des Betriebes.

Demgegenüber fällt nicht entscheidend ins Gewicht, dass ihre Gehaltshöhe betreffende Entscheidungen - auf Vorschlag der Filialleitung - nur in der Zentrale getroffen werden. Ohne entsprechenden Vorschlag der Filiale wird die Zentrale im Gehaltsbereich des einzelnen Trainees in aller Regel während des Praxisjahres nicht initiativ.

Die unstreitige betriebsverfassungsrechtliche Zuständigkeit des Antragstellers bis zum Zeitpunkt der Bestimmung eines Trainees für eine bestimmte Filiale ist demgegenüber für die Frage, zu welchem Betriebsrat die Trainees wählen, nicht entscheidend.

3.) Zum gleichen Ergebnis würde hier führen, wenn eine individualisierende Betrachtungsweise mit Blick auf das "Gepräge" der ausgeübten Tätigkeit angezeigt wäre (hierzu die vorsorglich mit den Beteiligten erörterte Chefpiloten-Entscheidung: BAG, Beschl. v. 25.10.1989 - 7 ABR 60/88 - AP Nr. 42 zu § 5 BetrVG 1972 (zu II 4 d. Gr.)).

Sein "Gepräge" erhält das Trainee-Arbeitsverhältnis durch den "learning-by-doing"-Aspekt. Anders als bei sonstigen Berufsausbildungsverhältnissen kommt dabei gerade dem vor Ort erreichten und dort beurteilten individuellen Grad an Arbeitsproduktivität maßgebliches Gewicht zu.

Dagegen sind die bei der Zentrale verbleibenden Aspekte der Gehaltszahlung und Koordination der Ausbildung (speziell bei der Seminarteilnahme) nachrangig.

4.) Im Ergebnis verbleibt somit kein Raum für ein zum Betriebsrat der Zentrale auszuübendes Wahlrecht.

Die Trainees wählen im Praxisjahr nur zu den Betriebsräten der Filialen.

5.) Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei (§ 12 Abs. 5 ArbGG).

6.) Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht ersichtlich. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.