Mitbestimmung bei Einteilung des Verkaufsgebiets

BAG 1 ABR 66/90 vom 16. Juli 1991

Leitsatz

Der Betriebsrat hat bei der Ein- und Zuteilung der Bearbeitungsgebiete von Außendienstangestellten nicht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitzubestimmen.

Orientierungssatz 1. Unter Entlohnungsmethode versteht man die Art und Weise der Durchführung des gewählten Entlohnungssystems.

Gründe

A. Betriebsrat und Arbeitgeber streiten darüber, ob dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Festlegung der Vertriebsgebiete für die Außendienstmitarbeiter zusteht. Der Arbeitgeber ist die deutsche Niederlassung eines schwedischen Automobilkonzerns. Im Zuge einer größeren Umstrukturierung im Jahre 1988 wurde der Dienstsitz der Mitarbeiter des möglich, nach D - verlegt. Am 28. November 1988 teilte der Arbeitgeber dem Betriebsrat seine Entschlüsse über die Neuorganisation des Pkw-Außendienstes mit. Über die Mitbestimmungspflichtigkeit der mit der Neuorganisation verbundenen Maßnahmen leitete der Gesamtbetriebsrat ein Beschlußverfahren beim Arbeitsgericht Offenbach ein (- 3 BV 79/88 -). Am 7. Februar 1989 schlossen der damalige Gesamtbetriebsrat, für den Betriebsrat handelnd, und der Arbeitgeber eine Betriebsvereinbarung zur Neuorganisation des Pkw-Außendienstes. Im Vorspann dieser Betriebsvereinbarung heißt es:

"Im Rahmen dieser Umorganisation werden die einzelnen Gebiete vergrößert und die Anzahl der Planstellen wird reduziert. Diese Betriebsvereinbarung regelt die Umsetzung und Durchführung dieses unternehmerischen Wollens."

Nach Ziffer 5 der Betriebsvereinbarung ist "die Gebietsaufteilung eine wesentliche Grundlage für die Erarbeitung von Prämien oder Bonuszahlungen. Die genaueren Festlegungen erfolgen aufgrund gesonderter Betriebsvereinbarungen". Mit Schreiben vom 6. März 1989 informierte der Personalleiter den Betriebsrat darüber, daß die Geschäftsleitung die Betriebsvereinbarung vom 7. Februar 1989 als gescheitert ansehe und nunmehr den Außendienst nach den gesetzlichen Bestimmungen ändern werde. Beigefügt wurde eine vorläufige Gebietskarte für die Organisation des Außendienstes. Bei der mündlichen Anhörung des daraufhin vom Betriebsrat eingeleiteten einstweiligen Verfügungsverfahrens erklärte der Arbeitgeber ausdrücklich zu Protokoll, daß Bonus- und Prämienregelungen auch nach seiner Auffassung dem Mitbestimmungsrecht des Antragstellers unterliegen. Bei diesen Bonus- und Prämienregelungen sei in der Vergangenheit das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats stets beachtet worden und werde auch in Zukunft beachtet.

Die Beteiligten schlossen am 17. März 1989 im Beschlußverfahren 3 BV 79/88 folgenden Vergleich:

"1. Die Beteiligten vereinbaren, daß ein freiwilliges Mitbestimmungsrecht des Antragstellers bei der Gebietsaufteilung und bei der Auswahl des Personals entsprechend dieser Gebietsaufteilung besteht, das von dem gemeinsamen Ausschuß gemäß Ziffer 2 der Betriebsvereinbarung vom 07. 02. 1989 wahrgenommen wird. Diese freiwillige Mitbestimmung läuft zum 31. 03. 1989 aus. Ist bis zu diesem Tag eine Einigung innerhalb des Ausschusses nicht erfolgt, regeln sich die von der freiwilligen Mitbestimmung erfaßten Gegenstände ausschließlich nach den gesetzlichen Bestimmun- gen. Damit sind die Ziffern 2 + 5 der Betriebsvereinbarung vom 07. 02. 1989 erledigt.

Im übrigen gilt die Betriebsvereinbarung bis zu einer etwaigen Kündigung weiter.

2. Die Antragsgegnerin wird mit einer Ausnahme bis zum 31. 03. 1989 im Bereich des Pkw-Außendienstes ohne Hinzuziehung des Antragstellers keine Aufhebungsverträge schließen.

3. Damit ist das vorliegende Beschlußverfahren erledigt."

Die freiwillige Mitbestimmungsphase lief am 31. März 1989 ergebnislos aus. Es ist unstreitig, daß die Außendienstmitarbeiter im Pkw-Bereich Gehälter im Rahmen eines Firmentarifvertrages, aber keine Provisionen erhalten. Sie haben die Aufgabe, die in ihrem Gebiet befindlichen Händler zu beraten. Aufgrund einer jährlich gesondert mit dem Betriebsrat verhandelten und abgeschlossenen BonusVereinbarung erhalten die Mitarbeiter zusätzliche Zahlungen, die an die Verkaufszahlen der von ihnen betreuten Händler anknüpfen.

Der Betriebsrat vertritt die Auffassung, bei der Gebietsaufteilung des Arbeitgebers für den Pkw-Außendienst habe er ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.

Der Betriebsrat hat beantragt festzustellen, daß er bei der Festlegung von Gebieten für die im Außendienst beschäftigten, erfolgsabhängig bzw. teilweise erfolgsabhängig beschäftigten Arbeitnehmer im Rahmen eines Vergütungsplanes bzw. -systems Mitbestimmungsrechte gemäß § 87 Abs. 1 BetrVG hat.

Der Arbeitgeber hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Zur Begründung hat er vorgetragen, der Zuschnitt der Verkaufsgebiete sei unabhängig von einer gezahlten tariflichen Vergütung. Die Bonusregelungen würden jeweils mit dem Betriebsrat ausgehandelt, weil diesem insoweit ein Mitbestimmungsrecht zustehe. Hierbei könne der Betriebsrat sich auch für eine größtmögliche innerbetriebliche Lohngerechtigkeit einsetzen. Einen Anknüpfungspunkt für ein Mitbestimmungsrecht bei der Festlegung der Gebiete für die einzelnen Außendienstmitarbeiter sehe er allerdings nicht.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen, das Landesarbeitsgericht die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen Antrag weiter, während der Arbeitgeber beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

B. Die Rechtsbeschwerde war zurückzuweisen, weil sie unbegründet ist.

Das Mitbestimmungsrecht kann sich nicht mehr aus der Betriebsvereinbarung vom 7. Februar 1989 ergeben, wonach die Gebietsaufteilung eine wesentliche Grundlage für die Erarbeitung von Prämien oder Bonuszahlungen sein sollte und die genaueren Festlegungen aufgrund gesonderter Betriebsvereinbarungen erfolgen sollten. Diese Betriebsvereinbarung haben die Parteien im Vergleich vom 17. März 1989 aufgehoben: In dem Vergleich haben die Betriebsparteien ein freiwilliges Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Gebietsaufteilung und bei der Auswahl des Personals entsprechend dieser Gebietsaufteilung vereinbart, das von einem gemeinsamen Ausschuß gemäß Ziffer 2 der Betriebsvereinbarung vom 7. Februar 1989 wahrgenommen werden sollte. Dieses Mitbestimmungsrecht war aber befristet vereinbart bis zum 31. März 1989. Da eine mitbestimmte Regelung bis zum 31. März 1989 nicht zustande gekommen ist, kann der Betriebsrat dieses freiwillige Mitbestimmungsrecht nicht mehr in Anspruch nehmen. Davon geht auch der Betriebsrat aus. Seiner Auffassung, ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Gebietsauf- und -zuteilung für Außendienstmitarbeiter könne § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG entnommen werden, hat der Senat nicht folgen können.

1. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung. Damit gewährt § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nach der Rechtsprechung des Senats dem Betriebsrat ein umfassendes Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Lohngestaltung, nicht der Lohnhöhe. Nach der Rechtsprechung des Senats bedeutet die Lohngestaltung die Feststellung abstrakt genereller Grundsätze zur Lohnfindung. Es geht um die Strukturformen des Entgelts einschließlich der näheren Vollziehungsformen, nicht aber um die Höhe des Entgelts.

Zweck des Mitbestimmungsrechtes ist es, den Arbeitnehmer vor einer einseitig an den Interessen des Arbeitgebers ausgerichteten oder willkürlichen Lohngestaltung zu schützen. Es geht bei diesem Mitbestimmungsrecht um die Angemessenheit und Durchsichtigkeit des innerbetrieblichen Lohngefüges. Innerbetriebliche Lohngerechtigkeit zwischen einzelnen Arbeitnehmergruppen bzw. einzelnen Arbeitnehmern ist der maßgebliche Gesichtspunkt.

2. Zu Recht weist die Rechtsbeschwerde darauf hin, daß das Mitbestimmungsrecht nicht unter dem allgemeinen Vorbehalt steht, es dürfe nicht in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit eingegriffen werden. Dies hat der Senat mehrmals entschieden. Das Landesarbeitsgericht ist von dieser Rechtsprechung nicht abgewichen. Es hat nur die Auffassung vertreten, wenn alle Umstände, die letztlich die Verdienstchancen der Mitarbeiter beeinflußten, dem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unterlägen, könnte der Arbeitgeber/Unternehmer überhaupt keine mitbestimmungsfreie unternehmerische Entscheidung mehr treffen. Damit ist aber über Inhalt und Grenzen des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nichts gesagt.

3.a) Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Aufteilung der Bearbeitungsgebiete im Außendienst und die Zuweisung des jeweiligen Gebiets an einen Arbeitnehmer kann § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht entnommen werden, weil das Mitbestimmungsrecht bei der Lohngestaltung an das Entgelt anknüpft. Zum Arbeitsentgelt gehören nach der Rechtsprechung des Senats alle Leistungen des Arbeitgebers mit Entgeltcharakter (Geld oder Sachleistungen), die mit Rücksicht auf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbracht werden.

Das Verkaufsgebiet oder Bearbeitungsgebiet eines Außendienstmitarbeiters ist aber keine Gegenleistung für seine Tätigkeit. Die Größe und der Zuschnitt des Bearbeitungsgebiets bestimmt vielmehr den Umfang der Arbeitsleistung und die Bedingungen, unter denen die Arbeit zu verrichten ist. Größe und Zuschnitt des Bearbeitungsgebiets bestimmen zugleich mit dem vereinbarten Entgelt das Synallagma der beiden Arbeitsvertragsparteien. Dieses und die Lohnhöhe sind aber gerade nicht Gegenstand des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Bei der Mitbestimmung bezüglich der betrieblichen Lohngestaltung geht es (nur) um die Strukturformen des Entgelts einschließlich ihrer näheren Vollzugsformen.

Deshalb kann entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde die Einteilung des Bearbeitungsgebiets auch nicht als Entlohnungsmethode angesehen werden.

Unter Entlohnungsmethode versteht man die Art und Weise der Durchführung des gewählten Entlohnungssystems.

Vorliegend werden die Außendienstmitarbeiter nach einem tariflich festgelegten Gehalt bezahlt. Außerdem erhalten sie einen sogenannten Bonus, der mit dem Betriebsrat jährlich ausgehandelt wird und sich orientiert an den Verkaufszahlen der Händler, die die Außendienstmitarbeiter zu beraten haben.

Würde man das Bearbeitungsgebiet mit der Rechtsbeschwerde als Entlohnungsmethode begreifen, würde das Mitbestimmungsrecht nicht bei der Ausgestaltung des Lohns einsetzen, sondern es würde vorverlagert auf die Frage, welche Tätigkeit der einzelne Arbeitnehmer erbringen soll, obwohl dies mit der betrieblichen Lohngestaltung nichts zu tun hat.

b) Auch folgende Überlegung spricht dafür, daß die Einteilung der Bearbeitungsgebiete nicht Entlohnungsmethode der Bonus-Vergütung sein kann. Wenn der Betriebsrat nämlich nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht bei der Einteilung der Bearbeitungsgebiete hätte, müßte er auch ein Initiativrecht zur Veränderung dieser Gebiete haben. Hätte der Arbeitgeber die Bearbeitungsgebiete so zugeschnitten, daß die Außendienstmitarbeiter bei gleichem persönlichen Einsatz annähernd gleich viel verdienen würden, könnte jetzt eine vom Betriebsrat durchgesetzte andere Einteilung der Bearbeitungsgebiete dazu führen, daß die Außendienstmitarbeiter ohne eine Korrektur für gleiche Arbeit einen sehr unterschiedlichen Bonus erhielten. Um dies zu verhindern, müßten bei der Ausgestaltung des Entlohnungssystems wiederum Korrekturen angebracht werden. Dies zeigt, daß die Aufteilung der Bearbeitungsgebiete nichts mit der betrieblichen Lohngestaltung zu tun hat. Diese knüpft zwar auch an die Tätigkeit der Arbeitnehmer an. Sie dient aber nicht dazu, das materiell angemessene Arbeitsentgelt für die vom Arbeitnehmer erbrachte Leistung festzusetzen; das bleibt Aufgabe der Tarifparteien und der einzelvertraglichen Vereinbarung. Der Betriebsrat soll mitbestimmen, damit die Grundlagen der Entgeltfindung angemessen, in sich stimmig und durchschaubar gestaltet werden und durch generelle Regelungen entsprechend § 75 Abs. 1 BetrVG eine gleichmäßige Behandlung der Arbeitnehmer gewährleistet ist.

Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis richtig gesehen, daß das Mitbestimmungsrecht bei der betrieblichen Lohngestaltung an die Tätigkeit des Arbeitnehmers und damit an das jeweilige Verkaufsgebiet anknüpft, nicht aber die Tätigkeit selbst zum Inhalt hat. Daher war die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.