Schulung von Betriebsratsmitgliedern - Grundkenntnisse BetrVG

BAG 6 ABR 12/81 vom 19. Jan. 1984

Nicht amtlicher Leitsatz

Zur Frage der Erforderlichkeit von Schulungsmaßnahmen i. S. v. § 37 Abs. 6 BetrVG.

Bei der Vermittlung von allgemeinen Grundkenntnissen über das Betriebsverfassungsgesetz selbst (wie z.B. der Einführung in das Betriebsverfassungsgesetz, Fragen der Geschäftsführung des Betriebsrats und der Vorbereitung und Durchführung einer Betriebsversammlung) ist auch für den Schulungsbesuch erstmals gewählter Betriebsratsmitglieder die Erforderlichkeit iS von § 37 Abs. 6 BetrVG, und zwar für sämtliche Mitglieder des Betriebsrats, gegeben. Da jedes Betriebsratsmitglied sein Amt in eigener Verantwortung führen muß, ist es grundsätzlich auch ohne Bedeutung, welche Funktionen ein Betriebsratsmitglied im Betriebsrat wahrnimmt.

Gründe

Die Antragsgegnerin hat in Hannover einen Betrieb mit 40 Arbeitnehmern. Der Antragsteller ist erstmals am 5. April 1979 in den aus drei Mitgliedern bestehenden Betriebsrat gewählt worden. Aufgrund des Beschlusses des Betriebsrats vom 27. April 1979 nahm der Betriebsratsvorsitzende, sein Stellvertreter sowie der Antragsteller am 18. und 19. Juni 1979 an einer Schulungsveranstaltung der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen in Schwarmstedt teil.

......

Die Antragsgegnerin lehnte die Erstattung der dem Antragsteller entstandenen Kosten für diese Schulungsveranstaltung in Höhe von unstreitig 103,-- DM ab.

Der Antragsteller hat beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, 103,-- DM an ihn zu zahlen. Die Antragsgegnerin hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Sie ist der Auffassung, die Teilnahme des Antragstellers an der Schulungsveranstaltung sei zur ordnungsgemäßen Durchführung seiner Aufgaben im Betriebsrat nicht erforderlich gewesen. Der Betriebsratsvorsitzende habe bisher die Betriebsversammlungen geleitet. Bei seiner Verhinderung würde der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende diese Aufgabe übernehmen. Die Leitung von Betriebsversammlungen komme daher für den Antragsteller in absehbarer Zeit nicht in Betracht.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat gegenteilig entschieden. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Antragsteller die Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung. Die Antragsgegnerin bittet um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Auffassung, mit der es den Anspruch auf Erstattung der Schulungskosten verneint hat, im wesentlichen ausgeführt, die Erforderlichkeit der Vermittlung allgemeiner Grundkenntnisse des Betriebsverfassungsrechts sei zwar zu bejahen, doch insoweit weiter zu unterscheiden zwischen Kenntnissen, die für alle Mitglieder des Betriebsrats und solchen, die nur für einzelne Mitglieder entsprechend der jeweiligen Funktion erforderlich seien. Das Thema "Betriebs- bzw. Jugendversammlung (als Rollenspiel)" vermittele keine Grundkenntnisse auf einem Teilgebiet des Betriebsverfassungsrechts, sondern setzte solche Kenntnisse voraus, weil sich die Schulung weniger mit den rechtlichen Grundlagen der Betriebsversammlung als vielmehr überwiegend damit befasse, wie Betriebsversammlungen vorzubereiten und durchzuführen seien. Der Antragsteller habe solche betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben jedoch nicht zu erfüllen gehabt, so daß dieser zeitlich überwiegende Teil der Schulungsveranstaltung für ihn nicht erforderlich gewesen sei.

Diese Auslegung des Begriffs der Erforderlichkeit i.S. des § 37 Abs. 6 BetrVG entspricht in seinem rechtlichen Ausgangspunkt nicht der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.

Bei der Vermittlung von allgemeinen Grundkenntnissen über das Betriebsverfassungsgesetz selbst (wie z.B. der Einführung in das Betriebsverfassungsgesetz, Fragen der Geschäftsführung des Betriebsrats und der Vorbereitung und Durchführung einer Betriebsversammlung) ist auch für den Schulungsbesuch erstmals gewählter Betriebsratsmitglieder die Erforderlichkeit i.S. von § 37 Abs. 6 BetrVG, und zwar für sämtliche Mitglieder des Betriebsrats, gegeben. Da jedes Betriebsratsmitglied sein Amt in eigener Verantwortung führen muß, ist es grundsätzlich auch ohne Bedeutung, welche Funktionen ein Betriebsratsmitglied im Betriebsrat wahrnimmt. Allgemeine Grundkenntnisse des Betriebsverfassungsgesetzes sind unabdingbare Voraussetzung für die Arbeit jedes Betriebsratsmitglieds, die es in eigener Verantwortung wahrzunehmen hat. Erst bei der Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes in Teilgebieten und ihrer Verknüpfung mit anderen Rechtsfragen kommt eine Prüfung der Erforderlichkeit der Schulung in Hinblick auf besondere Aufgaben des Betriebsratsmitglieds, z.B. als Mitglied eines Ausschusses, in Betracht (vgl. BAG Beschluß vom 25. April 1978, a.a.0.).

Damit ist davon auszugehen, daß die Themen der Schulungsveranstaltung allgemeine Grundkenntnisse des Betriebsverfassungsgesetzes vermittelt haben, die für den erstmals in den Betriebsrat gewählten Antragsteller auch zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich waren. Daß die Schulung zum Teil in Form eines sog. "Rollenspiels" erfolgte, besagt nicht, daß rechtliche Grundkenntnisse bereits vorausgesetzt wurden. Diese Annahme des angefochtenen Beschlusses entbehrt einer Begründung. Auch die Dauer der Schulungsveranstaltung von zwei Tagen für den begrenzten Themenkreis aus dem Betriebsverfassungsrecht ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nicht übersetzt.